Der Untergang der PLO:


Die Revolution, die keine war

Während es am Ende des libanesischen Bürgerkrieges nur einen Sieger gibt, was die bürgerlichen Journalisten gemerkt haben, die sorgfältig den Vormarsch syrischer Truppen in die letzten Hochburgen der Palästinenser und Moslems registrieren und jede wiedereröffnete Bank als Friedenstaube begrüßen, hat der Verlierer jenes Ziel, für das er seine Fedajin (= die zum Sterben Bereiten) beim Wort genommen hat, stillschweigend liquidiert und seine Bereitschaft erkennen lassen, für die Überlassung eines Wüstenstreifens am Mittelmeer um die Stadt Gaza und ein noch näher zu fixierendes Territorium westlich des Jordan, den Staat Israel zu akzeptieren, dessen Zerstörung ursprünglich Ziel der palästinensischen Revolution war. Der Vorsitzende der PLO, Jassir Arafat, wird seinem Kampfnamen Abu Amar (= der Vater des Winds) vollends gerecht, wenn er mit dem Befehlshaber des Massakers von Tel Zataar, dem syrischen Präsidenten Assad, Bruderküsse tauscht und für sich und die Seinen vorsorglich Hotelzimmer in Genf reservieren läßt. Sein mit ihm verkrachter „Bruder“ Dr. Habasch, Sprecher der sogenannten Ablehnungsfront innerhalb der PLO, hat aus der Abschlachtung der meisten Kämpfer seiner Organisation, der PFLP, durch die syrische Armee und die faschistischen Milizen die Konsequenz gezogen, daß dies letztlich ein Sieg für die Sache der Palästinenser war, weil sie bewiesen, wie ernst diese ihnen sei, und er schickt seine letzten Kampffähigen in den Südlibanon, damit das Sterben für Palästina seinen gewohnten Gang weitergeht. Und westdeutsche Linke, denen die Palästinenser ebenso gleichgültig sind, wie sie ihre Sache hochhalten, spenden makabren Beifall: „Die ungeheuren Opfer der palästinensischen und libanesischen Kräfte ... werden den Niedergang der reaktionären arabischen Regimes beschleunigen und damit die Voraussetzungen verbessern, die imperialistische Herrschaft ... im Nahen Osten endgültig zu beseitigen.“ (stellvertretend für die hiesigen MLs zitiert aus „Arbeiterkampf“, Zeitung eines Kommunistischen Bundes). Eine Niederlage im revolutionären Kampf ist nun sicherlich noch kein Argument gegen die Revolution, wenn aber Revolutionäre die Dezimierung ihrer Reihen und den Sieg des Feindes als einen Erfolg ihrer Sache feiern, geht es ihnen um etwas ganz anderes als um Revolution.


I. Eine Revolution im Dienste der Reaktion

„Palästina ist der Kitt, der die arabische Welt zusammenhält, oder das Dynamit, das sie in die Luft sprengt.“ (Jassir Arafat)

Die palästinensische Revolution wurde aus der Niederlage der Araber und ihres Verbündeten, der SU, nach dem Sechs-Tage-Krieg geboren, in dessen kurzem Verlaufe Israel bewies, daß es militärisch nicht zu besiegen ist, zumindest nicht von den Arabern, deren Unterstützung durch die Sowjets nichts gegen amerikanische Waffensysteme, das westliche Know-how, mit faschistischer Kampfbegeisterung beseelt, ausrichten konnte. Das militärische Debakel der Araber, über das beinahe ein Nasser gestürzt wäre, leitete den Aufstieg eines bis dahin unbedeutenden Zirkels palästinensischer Intellektueller ein, dessen Mitglieder durchweg in die arabischen Gastländer erfolgreich integriert waren: die Al Fatah unter Vorsitz Arafats. Das von Fatah propagierte Konzept eines Guerilla-Krieges gegen Israel bot für Länder wie Ägypten, Syrien und Jordanien (alle drei verloren im Sechs-Tage-Krieg Gebiete an Israel) die Möglichkeit, ihre Gegnerschaft zum Judenstaat auch da noch militant vorzutragen, wo ihre Armeen Trümmerhaufen waren. Die Palästinenser, deren Überleben den arabischen Staaten so gleichgültig war, daß sie ihre Integration verweigerten, sie in Flüchtlingslagern zusammenpferchten, deren Versorgung sie der UNO überließen, wurden jetzt also zur Fortsetzung des Krieges auf anderer Ebene ausgenutzt. Bestand die Gegnerschaft der arabischen Staaten bis zum Sechs-Tage-Krieg in der Konkurrenz zu einem imperialistischen Brückenkopf inmitten der arabischen Welt, der eine ständige Bedrohung nationaler Interessen der Anrainerstaaten darstellte (und nicht nur eine Bedrohung, wie der Handstreich Israels gegen Nassers Enteignung der Suezkanalgesellschaft zeigte), so ging es Ägypten, Syrien und Jordanien jetzt um die Rückgewinnung wertvoller Teile ihres Staatsgebiets. Man besann sich also nicht nur auf die Palästinenser, man ließ sich ihre Sache sogar einiges kosten: Ägypten stellte ihnen einen Sender zur Verfügung, Jordanien gewährte Gastrecht für Ausbildungslager der PLO und Syrien organisierte und finanzierte sogar eine eigene Palästinenserorganisation, die As-Saika. Die Sowjetunion, von der Möglichkeit, dem imperialistischen Gegner mittels der arabischen Armeen Verluste zuzufügen, nicht mehr ganz überzeugt, lieferte Waffen nicht nur für die arabischen Staaten, sondern auch für die Guerilla der PLO. Für beide Väter der palästinensischen Revolution, die arabischen Regimes und die SU, war ihre Entdeckung der palästinensischen Sache gerade recht, um die von ihnen in Ghettos Eingesperrten für ihre Politik gegen Israel und die es unterstützenden USA zu verheizen, und zu sonst nichts. Leute wie Arafat hatten dagegen nichts einzuwenden und hielten sich die meiste Zeit auf arabischen Gipfelkonferenzen bzw. in Moskau auf und wähnten, damit denjenigen den Rücken zu stärken, die sie nach Israel zu Kommandounternehmen schickten. Die arabischen Regimes ihrerseits unterstützten die Aktivitäten der PLO solange, als sie brauchbares Instrument ihrer Politik waren. Als die Kommandos jedoch, statt ins besetzte Gebiet zu gehen, in den Gastländern Stützpunkte außerhalb der Lager einrichteten und die an Israel grenzenden Staaten zur Etappe der Guerilla machen wollten, setzten sich die betroffenen Staaten zur Wehr und von einer so in ihren Augen mißbrauchten palästinensischen Revolution ab. Dies führte zu Konfrontationen, deren erster Schauplatz Jordanien wurde.

Auf Husseins Gebiet lebten die meisten Palästinenser, zum Teil in Lagern, – zum großen Teil als die eine Hälfte des Staatsvolkes. Im Gefolge der Abwehr eines israelischen „Vergeltungsschlages“ gegen das Flüchtlingslager Karameh im März 1968 trieben Teile der PLO, insbesondere die FDPLP des Naief Hawatmeh und die PFLP des George Habasch, die Kritik am Desinteresse Jordaniens, das den Kampf gegen die zionistischen Aggressoren den Fedajin überließ, so weit, daß sie die Machtfrage im Staate Jordanien stellten. Während Arafats Fatah in den Lagern blieb, patrouillierten Kämpfer von FDPLP und PFLP in den Straßen Ammans, besetzten Luxushotels und Regierungsgebäude und entrollten vor dem Königspalast ein Spruchband mit der Parole „Keine Macht über der der Fedajin“. Damit waren die Palästinenser zu weit gegangen: für Hussein wurden sie zu einer Bedrohung seiner Macht, die für ihn gefährlich wurde, und so ließ er im September 1970 die Elitetruppen seiner „Arabischen Legion“, die er 1948 und 1967 im Kampf gegen Israel geschont hatte, gegen die Flüchtlingslager marschieren und brachte so durch ein Blutbad zur Anschauung, was ihm die palästinensische Sache wert war. Der schwarze September für die Palästinenser endete mit der Vertreibung und Liquidierung ihrer Kampfverbände unter dem wohlgefälligen Applaus Israels und seiner imperialistischen Freunde, sowie der verständnisvollen Duldung der arabischen Welt. (Hafiz Al-Assad kam übrigens damals in Syrien als Anführer eines Militärputsches gegen die Regierung des linken Baath-Flügels an die Macht, der Panzerverbände nach Jordanien zur Unterstützung der Palästinenser entsenden wollte, deren Befehlshaber – Assad – es aber vorzog, nach Damaskus zu marschieren.) So gewährleisteten die arabischen Staaten, daß die palästinensische Revolution auch weiterhin für ihre Interessen verfügbar blieb, und die Palästinenser, die unbeirrt in ihnen die Stützen ihres Kampfes sehen wollten, taten alles, um für die Politik Ägyptens und Syriens verfügbar zu bleiben.

Militärisch haben sich die in der PLO zusammengeschlossenen Gruppen von den Schlägen der Arabischen Legion im schwarzen September nie mehr erholt. Sie verloren ihr wichtigstes Operationsgebiet gegen Israel, die Unterstützung durch das mißtrauisch gewordene Ägypten, die ganze in Syrien stationierte PLA (Palestinian Liberation Army), deren 10.000 Mann nun ganz in die syrische Armee integriert wurden, und was ihnen blieb, war ein karger Gebirgszug im Südlibanon (Fatahland), von dem aus sich bestenfalls Streifzüge in die galiläische Wüste unternehmen ließen. Im Jom-Kippur-Krieg hat man folglich auch nichts von den Palästinensern gehört. An der libanesischen Grenze rührte sich nichts, Jordanien hielt sich raus, und die Syrer verheizten Verbände der PLA am Hermonberg, um ihre eigenen Truppen zu schonen. Nach dem militärischen Remis, mit dem dieser Krieg endete, war die PLO als Guerilla, als Mittel militärischer Nadelstiche gegen Israel, endgültig uninteressant geworden. Mehr noch: die neue Verhandlungsposition der Araber aufgrund ihrer militärischen Stärke machte sie zum lästigen Störfaktor. Deshalb machten die arabischen Staaten der PLO klar, daß ihr Kampf nicht mehr erwünscht war, sie nur noch eine Funktion hatte: der arabischen Verhandlungsposition als moralisches Argument zu dienen. Arafat und die Fatah zogen hieraus die Konsequenzen und kämpften fortan um einen Platz in der ägyptisch/syrischen Verhandlungsdelegation, und als der Plan eines Palästinenserstaates von dem damaligen US-Außenminister Rodgers und seinem Kollegen Gromyko ins Spiel gebracht wurde (Westbank plus Gazastreifen), schlug sich auch Hawatmeh auf Arafats Seite, und die PFLP von Habasch blieb isoliert und gründete die Ablehnungsfront. Wer einen neuen Staat gründen will, muß respektabel sein: die PLO suchte Kontakt zu etablierten Staaten (PLO-Büros wo überall möglich) und Anerkennung durch die Staatenfamilie. Arafats Auftritt vor der UNO („Ich komme mit dem Ölzweig und der Maschinenpistole!“ – letztere mußte er allerdings an der Garderobe abgeben) war so der Lohn für die Unterwerfung der PLO unter die arabischen Interessen und zugleich das Ende des Kampfes gegen Israel. Und auch die verbliebene Sorge der arabischen Regimes, den sich noch querstellenden Ablehnungsfrontflügel der PLO zur Raison zu bringen, erledigte Habasch freiwillig, indem er seine Truppen in Tel Zataar verheizte, während Arafat bereits zwei Tage nach der Ermordung der Überlebenden des Lagers durch die Faschisten mit Gemayel und Assad verhandelte.

Die palästinensische Revolution war also von Anfang bis Ende ein Mittel der arabischen Staaten für ihre Interessen und eine Karte der SU für ihre Einwirkung auf die arabischen Staaten. Ihre Erfolge und Niederlagen signalisieren Kurswechsel in der arabischen Politik bzw. des sowjetischen Einflusses auf sie. Daß jetzt, wo die arabische Sache in Genf verhandelt wird, sich die PLO auch noch zu den Alternativen: mitverhandeln oder verrecken in ihren beiden Flügeln bekennt, jeder jeweils zu einer, zeigt, daß sie auch weiterhin gewillt ist, sich als Mittel einer imperialistischen Globallösung für den Nahen Osten verschleißen zu lassen.


II. Die Revolution der PLO: antizionistischer Nationalismus

„Wir verteidigen den Traum der Zukunft, der Zionismus verteidigt die Legende der Vergangenheit.“(Jassir Arafat)

Daß jemand, der aus seiner Heimat gewaltsam vertrieben wurde, auf Rückkehr sinnt und nun seinerseits die neuen Herrn seines Grund und Bodens vertreiben möchte, ist nichts Ungewöhnliches. Der Bundesbürger kennt solche Leute, nur heißen sie hierzulande offiziell Heimatvertriebene und in linken Kreisen Revanchisten. Kein Mensch aber käme auf die Idee, am wenigsten die Flüchtlinge aus den ehemals deutschen Ostgebieten selbst, ihren Kampf für eine Revolution zu halten. Eben diese Rückeroberung der verlorenen Heimat auf dem Gebiet des Staates Israel ist aber einziges reaktionäres Ziel der palästinensischen Revolution, die sich selbst zu einem integralen Bestandteil der Front gegen Imperialismus und Kapitalismus erklärt.

„Sagt Guevara, wir haben die dritte Front gegen den Imperialismus eröffnet.“(Letzte Worte eines gefallenen Kaders der Al Fatah)

Das gerade nicht. Denn das Schicksal der Palästinenser ist für sie nicht Grund, für eine Verbesserung ihrer Lage zu kämpfen, sondern der verlorenen Heimat nachzutrauern und der reaktionären Ideologie von der Rückeroberung des gelobten Landes nachzujagen, womit sie selbst am besten dafür sorgen, daß sie Flüchtlinge bleiben. Die PLO bestärkt sie in dieser Ideologie, statt die Ursache ihres ewigen Lagerdaseins zu bekämpfen, die arabische Klassengesellschaft in all ihren mehr oder weniger reaktionären Varianten, die von der völligen Abhängigkeit vom Imperialismus bis hin zum Pseudosozialismus der Baath-Partei und des Nasserismus reichen. Die Weigerung dieser Staaten, die palästinensischen Massen zu integrieren, ist der PLO ebenso wenig Anlaß, sie zu revolutionieren, wie die Tatsache, daß sie nicht einmal willens sind, ihrem eigenen Proletariat und den landlosen Fellachen eine ausreichende Reproduktion zu ermöglichen. Die andere Seite des Elends der palästinensischen und arabischen Massen ist die ebenso ins Auge springende Tatsache, daß selbst die reaktionärsten arabischen Regimes, wie Kuweit und Saudi, sehr wohl in der Lage sind, Palästinenser zu integrieren, soweit sie für das Geschäft von Ausbeutung und Unterdrückung brauchbar sind: in den Scheichtümern und auch in Jordanien besetzen sie Schlüsselstellungen in Wirtschaft, Administration, und sogar in der jordanischen Armee führten palästinensische Offiziere die beduinischen Mannschaften in den Massakern des schwarzen September.

Ungerührt davon machen die Palästinenser für alles, was ihnen angetan wurde, Israel verantwortlich, und so lesen sich die Manifeste der palästinensischen Revolution wie Plagiate derjenigen ihres Erzfeindes, der Zionisten. So wie Herzel und seine Anhänger die ,,Lösung der Judenfrage“ in der Schaffung einer „nationalen Heimstätte“ sahen, wofür sie über die Leichen der Palästinenser gingen, so träumt das „Palästinensische Manifest“ von einem

Staat Palästina, in dem Juden, Araber und Christen friedlich zusammenleben,“

und demonstriert mit dieser Lüge die gleiche Rücksichtslosigkeit gegenüber den Juden (die sie gewaltsam zu einem „friedlichen Zusammenleben“ zwingen wollen), die die Zionisten gegenüber den Palästinensern fortwährend an den Tag legen. Weil sie nichts anderes im Sinn haben, als mit Gewalt an die Stelle Israels ihren eigenen Staat zu setzen, pochen sie gegen Israel, diesen bis an die Zähne bewaffneten Brückenkopf des Imperialismus auf ein höheres Recht auf diesen Staat und zimmern sich hierzu die gleichen Ideologien zurecht, wie weiland die Zionisten:

„Palästina war ein grünes Land, bewohnt vom arabischen Volk, das dort sein Leben gestaltete und seine Kultur besang.“(Arafat)

Diese nachträgliche Idyllisierung jahrhundertelanger Fremdherrschaft durch Christen, Türken und Briten kontern die Zionisten mit Zitaten aus dem Alten Testament, in dessen Reich Israel bekanntlich für die Juden Milch und Honig flössen. Und selbst die Synthese eines jüdischen Volkes durch die Verallgemeinerung der Ghettoeigenschaften, die „zweitausend Jahre Diaspora“ den Juden aufzwangen, kolportieren die PLO-Ideologen, wenn sie das „Volk ohne Erde, ohne Flagge, ohne Adresse“ (so ein palästinensischer Dichter) durch die Gemeinsamkeit erfahrener Verfolgung und Unterdrückung definieren und mit einer Flagge versehen. Daß davon dies Volk aber weder eine Erde kriegt, noch eine eigene Adresse, geschweige denn etwas zu fressen, macht deutlich, daß ein Staat Palästina nicht nur ein illusionärer Traum, sondern ein reaktionäres Ziel ist, und Träumern gibt man nur solange Waffen und Geld, solange ihre Träumereien nicht gefährlich sind, sondern sich nutzbringend für die eigenen, alles andere als verträumten Interessen einspannen lassen. Und daß sie brauchbar sind, dafür sorgt die PLO selbst: Die arabischen Massen sollen zwar keine Revolution machen, dafür aber die palästinensische Revolution unterstützen:

„ … alle Trennungen zwischen den arabischen Massen müssen aufgehoben werden – die fortschrittlichen und revolutionären Kräfte müssen sich in einer breiten patriotischen Front vereinigen ... Aufgaben: vor allem die palästinensische Revolution unterstützen.“(Programm von 1973)

Die PLO will also in ihrem Verhältnis zu den arabischen Staaten das gleiche für sich, was diese mit ihr vorhaben: sie zum Mittel für ihre Ziele machen. Sie hat nur eins an ihnen zu kritisieren: daß sie das nicht so ohne weiteres mit sich machen lassen. So folgt nach der Trennung der arabischen Massen von den palästinensischen (diese machen die Revolution, jene müssen sie unterstützen) der Appell an die Gemeinsamkeit aller Araber als Jünger des Propheten:

„Alle arabischen Einrichtungen, Aktivitäten unterstützen und ermutigen, die das arabische Erbe beschützen; immer müssen die arabischen Tugenden propagiert werden.“(PLO-Programm)

Weil die Palästinenser den existenten jüdischen Staat durch einen eigenen, arabischen ersetzen wollen, dient die Beschwörung einer Ideologie wertvoller Tugenden und Erbanlagen der Araber zur Rechtfertigung dieses Kampfes. Hier das weite Feld der wechselseitigen Rassismusvorwürfe zwischen Zionisten und Palästinensern, wobei diese den Faschismus Israels verharmlosen, und die Juden durch den Appell an das philosemitische Komplement zum Antisemitismus einen moralischen Blankoscheck für Napalmangriffe auf Flüchtlingslager beanspruchen.

Wer seine dem Imperialismus geschuldete Misere als Verlust von Heimat, Kultur und Tugend beweint, schreckt auch vor der offenen Umarmung des Imperialismus nicht zurück, wenn er sich davon einen Vorteil verspricht. Arafat:

„Ich möchte das amerikanische Volk daran erinnern, daß seine Freundschaft mit den arabischen Nationen bedeutungsvoll, wertvoll ist. ... Ein Volk, für dessen Erfahrung im Kampf für die Freiheit und Einheit seines Landes wir große Hochachtung empfinden.“

Angesichts dieser Hochachtung ist das Kampfziel der PLO auch nicht eine „Taktische Plattform“, ein „Etappenziel auf dem Weg zum Sozialismus“, wie ihre linken Freunde hierzulande meinen, sondern blutiger Hohn angesichts des Grundes für das Elend der Palästinenser:

„Befreiung von ganz Palästina. Aufbau einer neuen demokratischen palästinensischen Gesellschaft, ohne rassistische oder religiöse Diskriminierung. In dieser neuen Gesellschaft werden sich alle Bürger der gleichen Rechte erfreuen. In ihr werden die demokratischen Freiheiten garantiert sein.“(a.a.O.)

Da die Israelis ihre Araber beten lassen soviel sie wollen, es auch keine Apartheid gibt, müßten sie ihnen nur noch ein paar demokratische Rechte mehr einräumen und der palästinensischen Revolution wäre der Wind aus den Segeln genommen. Die handfeste Tatsache, daß Hunger und Elend der Palästinenser nicht dem Mangel an Demokratie geschuldet sind, gibt den verrückten Nationalisten der PLO nicht zu denken, im Gegenteil: Sie erklären die in Flüchtlingslagern dahinvegetierenden Menschen zum Volk ohne Lebensraum, hetzen sie in einen militärisch sinnlosen Krieg gegen Israel, ausgerechnet mit der Perspektive der Demokratie, wobei sie nicht einmal stört, daß ihre arabischen Brüder aus für sie guten Gründen von der Demokratie nichts halten, und alles dies machen sie, weil sie nichts tun, um die Lage der Palästinenser zu verbessern.


III. Der Kampf der PLO

Den Fuß auf die Massen

„Unser Volk hat eine gute Moral. Die Menschen werden weiterkämpfen, weil sie in Lagern leben müssen.“ (Dr. George Habasch)

Die Insassen der Lager stellen die Massen dar, in die die PLO ihren Anker wirft. Folglich haben sie nichts zu lachen. Sie müssen in den Lagern bleiben, weil sie nur als Flüchtlinge ihre palästinensische Identität haben, es muß ihnen dreckig gehen, um sie für ein Ziel zum Kampf bereit zu machen, von dem sie nichts haben:

„Wir haben nichts zu verlieren. Wir sind bereit zu sterben.“ (Habasch)

Wenn die PLO sich um die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern kümmert, dann als integraler Bestandteil ihrer Logistik: wer ein Fedajin wird, bekommt Uniform, Gewehr und zu essen, lernt lesen und schreiben und kommt auch aus dem Lager raus: der einzig mögliche soziale Aufstieg des Lagerpalästinensers – wenn er bereit ist zu sterben. Da die Fedajin in den Lagern auch ihre Ausbildungsstätten unterhalten, sind sie ständiges Ziel israelischer Angriffe oder von Überfällen arabischer „Brüder“, die sich im Kampf gegen die Palästinenser auch einmal mit Israel verbünden können (wie jüngst im Libanon). Es gehört zur Strategie der PLO, alle zu Kämpfern zu machen, allerdings nicht im Sinne der Fedajin: auf ihre Bereitschaft zum Sterben kommt es nicht an. So wird auch der in Kauf genommene Tod von Frauen und Kindern zum moralischen Druckmittel, das man herzeigen kann. Das „letzte Gefecht“ um Tel Zataar, bei dem es nicht mehr um das Halten einer militärischen Stellung, sondern um das Demonstrieren einer Haltung ging, ist der bisherige Höhepunkt solcher Verankerung in den Massen, vorgeführt durch die PFLP, deren Chef mittlerweile mehr vom Sterben als vom Kämpfen redet und damit Zeugnis darüber ablegt, was er unter Kämpfen versteht. Hier erklärt sich auch ein großer Teil jener schwärmerischen Verehrung, die die PFLP bei europäischen Anarchisten(1) genießt, die den Sieg über die Staatsgewalt ebenfalls durch Selbstzerstörung erringen wollen. Was die Fedajin für sie zum Ideal macht, ist deren größeres Sterbepotential und die Ideologie, daß sich hier ein ganzes Volk gegen einen Staat zur Wehr setzt, der sich von ihm nicht zerstören lassen will. Deshalb wird die PFLP immer leuchtenderes Ideal der Anarchoszene werden, je weiter sie von ihrem Ziel entfernt bleibt.

Die Konsequenz solchen Umgangs mit den Massen ist der eklatant werdende Gegensatz zu ihnen, weshalb die PLO ihre Gewalt auch gegen ihr eigenes „Volk“ kehrt, wenn es sich nicht als dieses begreifen will. Wer in Israel arbeiten geht – so die Bauern des Fatahland, denen die Umfunktionalisierung ihrer Felder als Schauplatz von Scharmützeln zwischen Fedajin und Israelis die Landwirtschaft ruinierte, muß die palästinensische Revolution notfalls mit dem Gewehr eingetrichtert bekommen, auch wenn er gar kein Palästinenser ist:

„Jede Zusammenarbeit mit dem Feind, wer sie auch immer betreibt, betrachten wir als Hochverrat an der palästinensischen Sache. Die jeweilige Person und alles was sie besitzt, verfallen der Revolution.“ (PLO- Programm von 1973)

Dieser Androhung verfällt mittlerweile die gesamte Bevölkerung der von Israel besetzten Gebiete, die trotz ihrer Gegnerschaft zur Besatzungsmacht gezwungen ist zu arbeiten, um zu Überleben.


Die rücksichtsvollen Kamikaze

„Wir glauben, daß wir die Moral des Gegners schwer angeschlagen haben.“ (George Habasch)

Flüchtlinge, die ihre Waffen geschenkt bekommen, können dem Staat, auf dessen Gebiet sie Staat machen möchten, keinen Krieg machen, und zetteln ihn dennoch ständig an: Israel ist bis an die Zähne bewaffnet, die Moral seiner Truppe und seiner Bürger ist ausgezeichnet, weil diese wissen, für was sie sich opfern: für einen Staat, den sie haben, und hinter dem sie stehen. (Nicht nur diese Umstände verweisen jeden Vergleich mit Vietnam, den die PLO-Führer gerne anstellen, in den Bereich abenteuerlicher Phantastereien). Deshalb braucht die PLO keine Revolutionäre, sondern Fedajin, die nicht für die Revolution kämpfen, sondern die für einen imaginären Staat ihr Leben opfern (der Unterschied des Fedajin zum Bürger ist also einer des Grades der Verblendung, nicht der Einsicht). Die berühmten Kamikazeunternehmen diverser Einsatzkommandos der PFLP, des Schwarzen September oder von Gruppen, die nur für ein Kommandounternehmen erfunden werden, haben so auch gar nicht das Ziel, Israel zu treffen, vielmehr soll seine Moral angeschlagen werden, dadurch, daß man seinen Bürgern und Freunden Angst macht, sich selbst die Angst nimmt und sich moralisch ins Recht setzt. Die Fedajin, die mit dem Leben ihrer Geiseln Druck ausüben wollen, enden folgerichtig als Märtyrer! Im Ernstfall machen sie gerade nicht Ernst, sondern lassen sich abknallen. Damit soll die Moral auf ihrer Seite sein, wenn schon nicht der Erfolg. Im Ergebnis bleibt ihnen beides versagt: der Feind triumphiert, die Weltöffentlichkeit empört sich über die „Gefährdung unschuldiger Menschenleben“, die allemal von den Fedajin ursächlich ausging, und die bürgerlichen Schreiber beschimpfen sie posthum noch als Feiglinge, weil sie sich opferten, statt zu kämpfen, offen und ehrlich wie z.B. die israelischen Bomberpiloten, die beim Abladen ihrer Napalmfracht auf die Flüchtlingslager wenigstens Flagge zeigen, womit sie unter Beweis stellen, daß sie ein Stück staatlichen Handelns vorstellen und keinen Akt des Terrors. Die Bürger Israels, auch die zweiter und dritter Klasse, solidarisieren sich mit ihrem Staat, spenden Geld für ihre Armee und die Völkerfamilie von Pinochet bis Sadat distanziert sich von „dem feigen Anschlag“, weswegen auch die PLO ihn anschließend mißbilligen muß und sich auch in den Fällen, wo eine Kommandoaktion „gelingt“, nur zu indirektem Lob vorwagen kann.


Kapitulation oder Tod

„Das Wort Kapitulation ist aus dem Wortschatz der Palästinenser gestrichen.“
„Wir sind bereit zu jeder Art von Verhandlung, die vom Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes ausgeht.“ (Jassir Arafat)

Das Ende des Kampfes der PLO hat zwei Gestalten, die sich der gleichen Ursache verdanken: seiner verrückten „Heimatliebe“ und der damit verbundenen Erfolglosigkeit. Nach dem Scheitern der Funktionalisierung der arabischen Staaten für die eigenen Interessen, das ihr im schwarzen September schmerzhaft bewußt wurde, setzte die PLO auf Oppositionen in einzelnen arabischen Ländern. In Syrien und Ägypten erfolglos, im Libanon gelang es, sich an die linken Moslems, Nasseristen und Dschumblat-Sozialisten als Bürgerkriegspartei anzuhängen, mit dem Erfolg, daß man mit ihnen unterging. Warum kein arabischer Staat den Moslems zu Hilfe kam, im Gegenteil Syrien sich mit den Faschisten verbündete, haben wir in MSZ Nr. 10/1976 („Ein Blutbad für die friedliche Lösung“) dargestellt. So bleibt nur die Kapitulation, wie sie Arafat und die Fatah mittlerweile offen betreiben, oder die Amokstrategie eines Habasch als politischmilitärischer Selbstmord.

Der Untergang der PLO, bzw. ihr Aufgehen in der „friedlichen Lösung“ des Nah-Ost-Problems am Verhandlungstisch ist die Konsequenz einer Revolution, die keine war, sondern der mißglückte Versuch einer Staatsgründung.


IV. Die Lösung des Palästina-Problems

„In Palastina geht es um ein Vaterland und nicht nur um Flüchtlinge.“ (Jassir Arafat)

Die Lösung des Palästina-Problems scherte sich von Anfang an einen Dreck um die Palästinenser und so ist es nur konsequent, daß die sich anbahnende Entwicklung im Nahen Osten über die Palästinenser hinweggeht. Ihre „Befreiungsorganisation“, die PLO, hat durch ihre Politik dafür gesorgt, daß es mittlerweile weder um die Flüchtlinge noch um ein Vaterland geht: militärisch geschlagen (der von Arafat in Riad unterschriebene Friedensplan sieht die Ablieferung aller schweren Waffen an die arabische Friedenstruppe = Syrien vor), politisch von der Gnade arabischer Schutzpatrone (ausgerechnet Assad und Sadat) abhängig, sind die Palästinenser in den künftigen Nah-Ost-Verhandlungen zu einer quantite negligeable geworden, die nur noch im Verhandlungskalkül beider Seiten eine dementsprechende Rolle spielt: die Araber können mit ihrer Wiederaufwertung drohen, die Israelis territoriale Konzessionen unter Hinweis auf die PLO verweigern. Die Lösung der Palästinenser-Frage ist so ihre Endlösung: entweder sie gehen als Bestandteil einer Jordanischen Föderation im haschemitischen Königreich auf und teilen das Los der Beduinen Husseins, oder sie bleiben teils in den Lagern des Libanon, teils als billige Heloten der israelischen Wirtschaft erhalten, oder sie kriegen ihr Vaterland in Gestalt eines Israel und Jordanien ausgelieferten Westbankstaates, den die Amerikaner gegen Israel durchzusetzen hätten. Die PLO hält nunmehr die dritte Möglichkeit für das Ziel der palästinensischen Revolution und verlegt ihre Gegnerschaft auf Möglichkeit eins und zwei. Gegen die Eingliederung in ein um Teile der Westbank erweitertes Jordanien kann sie auf eine Interessengemeinschaft mit Hussein rechnen, der schon vor Jahren seine Verantwortung für die besetzten Gebiete abtrat, weil er seine Herrschaft nicht durch ein potentielles Heer von Gegnern gefährden lassen will; so vertritt Israel diese Lösung als einzige Macht im Nahen Osten, weil es sich davon nicht nur eine Schwächung Jordaniens verspricht, sondern ein Reservoir an Arbeitskräften, die dem israelischen Kapital zur Verfügung stünden, ohne dem zionistischen Staat Schwierigkeiten zu machen. Auf die Bereitschaft der Palästinenser, in Israel ihr Geld zu verdienen, kann es allemal zählen, dafür sind die Verdienstmöglichkeiten in Jordanien beschissen genug. Die PLO räumt ein:

„Viele Bauern und Landarbeiter geben ihre Arbeit auf, um höhere Einkommen in israelischen Betrieben zu erzielen.“ (Palästina 3/1976)

Für den Westbankstaat setzen sich die arabischen Staaten ein, weil sie sich davon die für sich gewinnbringendste Lösung des Palästina-Problems versprechen: ein einerseits im Gegensatz zu Israel stehendes Gebilde, das sich als Puffer und Druckmittel gegen den zionistischen Staat verwenden ließe, andererseits genügend abhängig von Israel und seiner imperialistischen Schutzmacht wäre, so daß es andere Sorgen hätte, als in den arabischen Staaten als Störfaktor zu wirken. Die PLO Arafats hätte in einer solchen Konstruktion endlich die Möglichkeit, einen Staat zu machen, der zwar dem Imperialismus keinen Fußbreit an Boden abgewonnen hätte, aber den Palästinensern dafür das stolze Gefühl, ein Vaterland zu haben. Von diesem Gefühl haben zwar die Palästinenser nichts, andererseits aber die Sowjetunion, die ebenfalls Anwalt dieser Lösung ist, weil sie sich in einem PLO-Staat einen Verbündeten im Nahen Osten erwartet, mit dessen Hilfe sie ihre Interessen in der arabischen Welt besser vertreten könnte. So steht die DKP auch nicht an, am Ende des libanesischen Bürgerkriegs die Toten ruhen zu lassen und ihm die positive Perspektive abzugewinnen:

„Notwendig ist ... daß alle in die Libanon-Kriege hineingezogenen antiimperialistischen Kräfte ... aus dieser geeint um ihre gemeinsamen Interessen im Kampf gegen die israelische Aggression für Freiheit und sozialen Fortschritt hervorgehen.“ (UZ, Nr. 187/ 1976)

Angesichts solch unterschiedlicher Interessen, die mit der Schaffung eines Rumpfstaates für die PLO verbunden sind, erscheint eine weitere Möglichkeit durchaus realistisch, die zwar keiner der Beteiligten will, die aber denen, die jetzt schon die Nutznießer der Misere des palästinensischen Volkes sind, ihren bisherigen Nutzen weiter garantiert. Es bleibt so, wie es ist: die Palästinenser außerhalb des israelischen Machtbereichs in den Lagern, innerhalb Israels in für ihre Ausbeuter profitablen Arbeitsverhältnissen, und Arafat und die mit ihm verbündeten PLO-Führer in „ständigem Kontakt mit den Führern der arabischen Welt.“ Die Freunde der PLO unter Westdeutschlands Marxisten-Leninisten setzen entweder auf die Ablehnungsfront, die entschlossen ist, bis zum letzten Mann zu sterben, oder sie trösten sich – so der KBW – , unbeeindruckt durch die Tatsachen, mit dem Spruch: „Ein unterdrücktes Volk läßt sich nicht ausschalten!“ (Ähnliches las man schon in der KVZ über die Kurden und Eriträer: ließen sie sich nicht?)

Der Imperialismus beweist das Gegenteil: die Lösung des Palästina-Problems wird auf die Palästinenser keine Rücksicht nehmen müssen, so oder so. Dafür haben nicht zuletzt diese selbst gesorgt.

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(1) gemeint sind vermutlich Organisationen wie die RAF oder die Bewegung 2. Juni, die sich selbst nicht dem Anarchismus zuordneten, und auch keine derart „europäische“, also europaweite Bewegung darstellten, wie die Bezeichnung suggeriert, sondern ein rein deutsches Phänomen darstellten.

aus: MSZ 14 – Dezember 1976

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