Eine mittelamerikanische Affaire

Somoza Inc.


„Nicaragua, amtlich Republic de Nicaragua, 138.700 qkm, 1,7s Mio. Ew. Wichtigster Erwerbszweig ist die Landwirtschaft: Viehzucht, Tabak, Baumwolle zu 70 % im Besitz der Familie Somoza. Mais, Kaffee, Baumwolle kontrolliert durch die United Fruit Comp, im joint venture mit der Familie Somoza. Haupthandelspartner sind die USA. 65 % der Bevölkerung sind Analphabeten. Verfassung: Präsidialdemokratie. Staatspräsident: Anastasio Somoza. Nationalhymne: »Viva Somoza«.“


I.  Das Land eine Hacienda

Diktatoren beim Frühstück: „Hatten Sie Bodenschätze? – Die besten, die es gibt, ein Erdbeben.“ (Reinhard Lettau)

Nicaragua schaffte es erst vor zwei Jahren, in die Schlagzeilen zu kommen. Bis dahin verlief alles zu normal. 1857 die erste US-Intervention. 1926 blieben die Marines gleich 7 Jahre. 1934 kommen sie schon wieder und setzen A. Somoza sen. vor ihrem Abzug ein. 1956 wird er umgebracht. Sohn Luis übernimmt die Nachfolge, der jetzt amtierende Anastasio jun. löst ihn ab. Die Somozafamilie besitzt bzw. kontrolliert knappe 70 % der gesamten Agrar- und Industrieproduktion des Landes. Die Produkte werden von US-Monopolen aufgekauft bzw. über Somozas eigene Handelsketten im Lande verkauft. Nach dem Erdbeben von 1976 fließen eine halbe Milliarde Dollar Hilfsgelder ins Land. Auf das Konto der von Somoza kontrollierten Staatsbank oder direkt ans Rote Kreuz Nicaraguas (Vorsitzender; ein Neffe Somozas). Die Sache erregt Aufsehen, mehr aber auch nicht. Somoza erklärt, die Zerstörungen des Erdbebens hätten sich auf die Wirtschaft des Landes ,,anregend“ ausgewirkt.


II.  Es herrscht wieder Ruhe im Land

„Somoza ist zwar ein Schweinehund, aber er ist unser Schweinehund“. (Franklin D. Roosevelt, 1935)(1)

Nach der Niederschlagung des sandinistischen Aufstandes erklärte sich der nicaraguanische Präsident Somoza einer Reuter-Meldung zufolge bereit, „Mitgliedern der Opposition Ressorts in der Regierung anzubieten“. Vermittler der UN würden in seiner Hauptstadt Managua mit seinen politischen Gegnern, darunter auch der Frente Sandinista, Vermittlungsgespräche führen. Er würde auf jeden Fall bis zum Ablauf seiner regulären Amtszeit 1981 Präsident bleiben. Bezüglich einer eventuellen Aufhebung des Kriegsrechts meinte der gutgelaunte Präsident:

„Alles hängt davon ab, wie sich die Nicaraguaner benehmen. Wenn sie sich gut benehmen, werden wir diese Maßnahmen aufheben, wenn sie das nicht tun, bleiben sie in Kraft.“

Pressebeobachter konnten sich davon überzeugen, daß die Streikfront der Geschäftsleute und Dienstleistungsbetriebe bröckelt. An sie appellierte Somoza, ihre Aktion zu beenden, ehe sie mit der Wirtschaft des Landes sich selbst ruinierten. Bezüglich streikender Arbeiter waren schon vorher eindeutige Appelle ergangen:

„Viele Führer des Generalstreiks seien dem Vernehmen nach verhaftet und im Gefängnis hingerichtet worden.“

Sie hatten sich nicht anständig benommen.

Die USA haben ihr Kriegsschiff vor Nicaragua zurückgezogen. Präsident Carter äußerte seine Überzeugung, daß demnächst abzuhaltende freie Wahlen für das Parlament „das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung wieder herstellen würden.“ Oppositionsführer Cardenal zeigt sich gesprächsbereit auch mit einem Präsidenten Somoza. Die von ihm geführte Frente Amplio (Breite Front) umfasse auch Anhänger der nationalistischen Mehrheit der Sandinisten. Die marxistische Minderheit ist ohnehin aufgerieben oder im Ausland.

Keine elegante Lösung zwar (immerhin spricht man von 20.000 Toten, die der Einsatz der Nationalgarde mit ihrem amerikanischen Kriegsgerät gekostet hat), aber auch eine Lösung. Don Anastasio wird ein wenig Macht abgeben müssen und ein wenig von seinen Geschäften. Die United Fruit Comp, wird sich mit den neuen Geschäftspartnern arrangieren. Die Nicaraguaner dürfen wählen. Präsident Carter ist eine direkte US-Intervention erspart geblieben. Seine Regierung wäre „unglaubwürdig“ geworden, wenn die Marines die Sandinistas aufgerieben hätten. 1981 geht Somoza (er „muß“ es „verfassungsgemäß“), um seinem Neffen Platz zu machen. Spätestens dann wird auch die US-Militärhilfe wieder offen fließen (bis dahin wird die Munition wohl reichen).


III. Der gewöhnliche Imperialismus

„Ich habe 7 Jahre lang gegen die Yankee-Besatzer gekämpft. Am schlimmsten aber ist es jetzt, wo sie abgezogen sind.“ (Cesar Augusto Sandino, kurz vor seiner Ermordung 1934)

Staaten wie Nicaragua lohnen den Aufwand nicht. Hier reicht ein Somoza und beide Seiten wissen, was sie aneinander haben. „Wenn ich nicht mehr Präsident sein sollte, werde ich genau das machen, was ich bisher gemacht habe, meine Geschäfte“ (Don Anastasio). Er bleibt Präsident, weil so sein Geschäft besser geht und die USA lassen ihn solange nicht fallen, als sie nicht sicher sein können, ob das Geschäft auch ohne ihn geht. Die Menschenrechtsideologie hilft Carter, die Angelegenheiten in Südamerika zu regeln, ohne gleich Marines anlanden zu müssen. Die Geschäftsleute in Nicaragua, die einen größeren Anteil am Geschäft haben wollen, bekämpfen Somoza, weil es im Lande keine parlamentarische Regierung gibt. (Somozas Kommentar: „Ich hätte auch gern eine, aber wir haben nun einmal eine präsidiale Regierung!“.) Die Sandinisten greifen zu den Waffen und verbluten im ungleichen Kampf mit der Nationalgarde, um das Geschäft in parlamentarische Hände zu legen (ihre Forderungen: freie Wahlen, Demokratie und Enteignung von Somoza-Eigentum).

Im Ergebnis könnten die USA ihren Sieg durchaus tolerieren.

Trotzdem taten sie alles, um ihn zu verhindern. Krasser Wechsel, ebenso wie schon der Aufstand, unterbricht das Geschäft. Die Zusicherung, die Mehrheit der Sandinistas wolle kein zweites Cuba, ist unsicher, sicher hingegen Don Anastasio. Daß es aber überhaupt zum Aufstand kam, zeigt, daß Somoza alleine es nicht mehr so recht bringt. Die Verhältnisse werden also so geordnet, daß es nicht mehr zur Unterbrechung des Geschäfts kommt: sanfter Druck auf den Diktator, die Macht zu teilen, Zugeständnisse zu machen. An wen? An neue Geschäftspartner. Zu einem zweiten Cuba wollen es die USA auf keinen Fall mehr kommen lassen. Schon um das erste zu entschärfen, ging Kennedy (der schon vor Carter die Sache mit den Menschenrechten aufbrachte) an den Rand des 3. Weltkriegs. Wie es aussieht, kommt es ohnehin zu keinem zweiten Cuba: die Gegner der USA bauen auf die schärfste Waffe in ihrem ideologischen Arsenal: Freedom & Democracy und lassen sich auch dadurch nicht desillusionieren, daß sie in deren Namen niedergemacht werden. Der Guerilla-General Sandino kämpfte 7 Jahre lang gegen die US-Besatzungstruppen. Als sie abgezogen waren, erschien er in Managua und wurde von gedungenen Attentätern ermordet. Er wurde Opfer der Illusion, Imperialismus sei die Präsenz der Marines. Die sich heute auf ihn berufen, verwechseln Imperialismus mit der Herrschaft Somozas. Sollte tatsächlich irgendwann die „Macht“ an die Frente Amplio übergehen, werden sie bemerken müssen, daß auch die neuen, dann „demokratischen“ Politiker für Leute, die sich nicht anständig benehmen, nichts übrig haben.

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(1) Obwohl diese Bemerkung zweifelsohne die Einstellung verschiedener US-Regierungen gegenüber den Statthaltern in ihrem Hinterhof wiedergibt, so wurde nie nachgewiesen, wann und wo FDR sie gemacht haben soll. Es handelt sich um eine Polit-Legende, die ebenso von einem Gegner oder Kritiker FDRs in die Welt gesetzt sein kann, wie von einem der sich damit schmückenden Diktatoren.

 

aus: MSZ 25 – Oktober 1978

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