Zu Lage in Spanien:


Franco ha muerto! – Viva el Rey?


1. Der lebende Leichnam

Der Körper des sterbenden Caudillo wurde zur Krisenkarte des franquistischen Staates: selbst die Madrider Zeitung „ABC“, die fast 40 Jahre lang über die „allerhöchste Person“ nur im Tonfall ehrfürchtiger Hofberichterstattung sich äußerte, veröffentlichte einen anatomischen Umriß des „Leibes seiner Exzellenz, des Staatschefs“ und kennzeichnete mit Pfeilen alle maroden Stellen. Wie bei der Kriegsberichterstattung die roten Fähnchen, signalisierte die wachsende Zahl der Pfeile das Vordringen eines Staatsfeindes, gegen den nicht nur alle Dercretos Especiales machtlos waren, sondern auch die Guardia Civil. Daß das Schicksal Spaniens für vier Wochen am Krankenlager des Generalissimus entschieden wurde, veranschaulichte der tägliche Aufmarsch der Machthaber und Würdenträger des Systems, die sich von den Ärzten weniger einen medizinischen Zwischenbericht holten, denn Auskunft über die Lage der Nation, und ihre zu treffenden Entscheidungen abhängig machten von den Aussichten auf eine immer noch für möglich gehaltene Gesundung des „Führers von Gottes Gnaden“. So rang der Thronprätendent Juan Carlos de Bourbon y Bourhon vierzehn Tage mit sich und dem Ministerpräsidenten Arias, ob er einen sozialdemokratischen Oppositionsführer zum SPD-Parteitag ausreisen lassen sollte, obwohl dieser sicherlich in Mannheim häßliche Worte über den moribunden Franco verlauten lassen würde. Felipe Gonzales erhielt sein Ausreisevisum just an dem Tag, da die Ärzte meldeten, der Patient sei jetzt zu schwach, um noch einmal operiert zu werden; und es ist sicherlich kein Zufall gewesen, daß der Prinz ausgerechnet an dem Tag mit den Marokkanern über die Sahara handelseinig wurde, da bekannt wurde, daß Franco aufgrund der hohen Leukozytenzahl in seinem Blut theoretisch gar nicht mehr leben durfte. Selbst der sterbende Diktator bewies noch einmal, daß der faschistische Staat nicht nur von seiner Person beherrscht wurde, sondern ohne diese vom Zerfall bedroht ist!

Ein ganzes Krankenhaus wurde eingesetzt, um ihn unter Anleitung seines Schwiegersohns (der Marques von Villaverde, einer der Anführer des rechtsfalangistischen „Bunkers“) solange am Leben zu erhalten, bis die Weichen für die Machterhaltung und Umorganisierung nach dem Tod des Greises gestellt waren: Francisco Franco starb erst, als die Vorbereitungen zur Installierung seines Nachfolgers abgeschlossen waren, fast auf die Stunde genau zum Jahrestag der Erschießung Jose Antonios, was dem Regime Gelegenheit bietet, durch den Zusammenfall zweier Gedenkdaten seine Kontinuität zu zelebrieren.


2. Der Führer und die Säulen des Regimes

Der franquistische Staat ruhte auf drei Säulen, deren eine erst nach dem Sieg der faschistischen Armee zur „Nationalen Bewegung“ stieß (die Monarchisten), deren andere mittlerweile auf Distanz wert legt (die Kirche) und deren dritte (die Falange) selbst wieder eine Koalition aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen und den dazugehörigen Ideologien bildet. Die Falange Espanola Tradicionalista y de las Juntas de Ofensiva Nacional-Syndicalista verrät schon durch ihren Namen die Heterogenität der in ihr zusammengeschlossenen Fraktionen der Reaktion, so daß das Regime sich 1966 entschloß, nur noch vom Movimiento Nacional zu sprechen. Falange (FE) und Juntas (JONS), zwei faschistische Splitterparteien, vereinigten sich 1934 unter der ideologischen Führerschaft des Jose Antonio Primo de Rivera. Die Voraussetzungen einer faschistischen Bewegung in Spanien und ihre anfängliche Bedeutungslosigkeit war die ökonomische Unterentwickeltheit Spaniens, die mit der Einbeziehung des Landes in das imperialistische System um die Jahrhundertwende zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den herrschenden Klassen (Großgrundbesitz und monopolistisches Kapital) und den proletarischen Massen in den Städten und auf dem Lande geführt hatte. Nach der Entmachtung des letzten Bourbonen unterdrückte die Militärdiktatur Miguel Primo de Riveras 1923-1930 die Klassenkämpfe gewaltsam, was jedoch zu einer Stärkung der Organisationen der proletarischen Klassen führte, unter denen der Anarchismus dominierte. Während Kapital, Grundbesitz und Kirche allerdings nach dem Sturz der Diktatur auf konservative Parteien setzten, die bei den ersten Wahlen auch die Mehrheit errangen, rekrutierte sich die Anhängerschaft des Faschismus aus dem Kleinbürgertum, dessen Existenz einerseits durch die herrschenden Klassen bedroht war, das andererseits vorn Proletariat keine Erfüllung seiner Wünsche erwarten konnte. So erklären sich die Grundzüge sowohl der Falange-Politik als auch des „reformerischen“ JONS-Programms.

Während die Falange unter Jose Antonio sich für die Wiederherstellung des autoritären Staates seines Vaters zur Niederhaltung der Arbeiterklasse einsetzte, die Beschimpfung des ,,raffgierigen Finanzkapitals“ nur als schmückendes Beiwerk betrieb, wandten sich die JONS gegen den Großgrundbesitz, forderten Land für die Bauern, die Nationalisierung des Finanzkapitals mit dem Ziel einen starken Staat als Garantie für die wirtschaftliche Existenzfähigkeit „selbstversorgender Produzenten“ in Stadt und Land zu errichten. Die Vereinigung mit der FE entschärfte die für Großkapital und Großgrundbesitz schädlichen Konsequenzen des JONS-Programms und stellte Jose Antonios Konzept des „totalitären Staates“ in den Vordergrund. Dennoch blieb der Faschismus bedeutungslos (bei den letzten Wahlen vor dem Bürgerkrieg kein Sitz!) Mit dem zunehmendem Erstarken der Arbeiterbewegung, vor allem nach dem Wahlsieg der Volksfront, begannen auch Teile des Kapitals und des Grundbesitzes mit der faschistischen Partei zu sympathisieren, weil sie sich von ihr ein entschlosseneres Vorgehen gegen Kommunisten und Anarchisten erhofften.

Erst die siegreichen Generale griffen auf die Partei zurück, weil sie das gleiche Ziel wie sie verfolgte, und sich im Bürgerkrieg als militante Vorhut des „Totalitären Staates“ ausgewiesen hatte. Nach der Niederlage der Republik wurde sie zur Massenbewegung der neuen Herrscher, in die dann auch alle diejenigen strömten, die sich mit den Siegern zu arrangieren trachteten. 1937 machte Franco das Bündnis derer komplett, die an einer Erhaltung der ökonomischen Verhältnisse Spaniens interessiert waren: durch die Zwangsvereinigung mit den Monarchisten (Carlisten und Legalisten) wurde die FE zur Falange Espanola Tradicionalista. Daß dies gegen den Widerstand der dezidiert antimonarchistischen Falange möglich war, ist einerseits mit dem Tod ihrer meisten Führer im Bürgerkrieg zu erklären, andererseits mit der Übernahme der Staatsführung durch Franco und die Militärs, die die Falangisten an der Macht beteiligten, die Monarchisten auf den Tag nach Francos Tod vertrösteten. Komplettiert wurde das Bündnis der Reaktion durch das Konkordat mit dem Vatikan, der der Kirche alle ihre Pfründe wiedergab, die sie in der Republik verloren hätte und ihren ideologischen Einfluß durch die Einführung der Staatsreligion institutionalisierte.

Mit Ausnahme der Kirche, die für den Sieg Messen feiern ließ und die Soldaten der Republik noch posthum exkommunizierte, erfolgte die Vereinigung der tragenden Kräfte des neuen Staates keineswegs freiwillig, sondem unter dem Druck der Waffen, die unter dem Kommando des Siegers standen. Wo trotz der Identität des Interesses an der Macht des faschistischen Staates der Zusammenhalt der Fraktionen des Movimiento gefährdet war, griff Franco dadurch ein, daß er die eine Komponente seiner nationalen Bewegung gegen die andere ausspielte und in den fünfziger Jahren auch nicht zögerte, rebellische Falangisten, die gegen das Nachfolgedekret zugunsten des bourbonischen Thronprädententen aufbegehrten, aus der Bewegung auszustoßen und ihren Wortführern den Prozeß zu machen.

Eine ausführliche Darstellung der Politischen Ökonomie Spaniens und ihrer historischen Voraussetzungen findet sich in MüSZ (Münchner Studentenzeitung) Nr. 2/1974.

 


3. La Paz de Franco: Der franquistische Staat ...

La Paz de Franco, der Friede Francos, verdankte sich der systematischen Ermordung der Kader der spanischen Arbeiterbewegung, der 400 000 Mann starken Armee, die Franco aus dem 2. imperialistischen Weltkrieg heraushielt, weil ihre Funktion im Inneren ihren Einsatz außerhalb Spaniens nicht erlaubte, den 60 000 Mann der Staatspolizei Guardia Civil, der Geheimpolizei Brigada Social (!) und einer auf Hochtouren arbeitenden politischen Justiz, die von Militärgerichten abgewickelt wurde. Bis in die Sechziger Jahre konservierte Franco die spanische Ökonomie auf dem Stand, den sie unter dem älteren Primo de Rivera erreicht hatte:

–  Ausbeutung der Arbeiterklasse durch Unterbezahlung der Lohnarbeit
–  Ausbeutung der Bauern durch den Großgrundbesitz
–  Ausbau der Infrastruktur nach den Bedürfnissen der Monopole

Ende der sechziger Jahre suchte das Regime ein neues, vorteilhafteres Verhältnis zum Weltmarkt:
Die stagnierende spanische Wirtschaft verlor ihre Konkurrenzfähigkeit in den Produktionssektoren, wo sie auf den Weltmarkt angewiesen war. Das Regime erkaufte sich die Aufhebung der internationalen Boykottmaßnahmen durch die Verpachtung militärischer Stützpunkte an die USA. So setzten sich innerhalb der Nationalen Bewegung die Interessen des „fortschrittlichen“ Kapitals durch, was sich in der Hereinnahme der Opus-Dei-Minister ins Kabinett niederschlug, Spanien wurde zu einem der begehrtesten Investitionsländer des imperialistischen Kapitals wegen der billigen Arbeitskraft und des staatlich garantierten „sozialen Friedens“. Die Ankurbelung des Tourismus brachte Geld ins Land und führte zu einer begrenzten Kapitalakkumulation auch in spanischen Händen. War der franquistische Staat so einerseits Garantie für die profitable Durchsetzung der Kapitalinteressen, so mußte er in gleichem Maße zum Hindernis für die volle Durchsetzung der freien Konkurrenz werden:

–  die halbfeudalen Verhältnisse auf dem Lande verhinderten die Heranbildung qualifizierter Arbeitskraft in ausreichender Menge
–  der staatliche Protektionismus für die Stützen des Regimes verhinderte eine volle Durchsetzung des Marktprinzips
–  der faschistische Staat mit seinem System des Protektionismus und der gewaltsamen Konservierung ökonomischer
Verhältnisse, die den Interessen des europäischen Kapitals an den spanischen Rohstoffen und der vollen Erschließung des Marktes für EWG-Produkte im Wege standen, verhinderte eine Integration in die europäische Wirtschaftsgemeinschaft, wie sie von den „aufgeschlossenen“ Teilen des spanischen Kapitals angestrebt wurde. (Umgekehrt gab dies westeuropäischen Staatsmännern die Gelegenheit, ihr Desinteresse an einer EWG-Mitgliedschaft Spaniens als Antifaschismus zur Schau zu stellen.)

Den Konflikt zwischen den Rechtskräften der Bewegung und den Technokraten entschied Franco gegen diese und machte den Bürgerkriegsgeneral Carrero Blanco zum Premier, nach dessen Beseitigung durch die ETA alle Opus-Dei-Mitglieder aus dem Kabinett gefeuert wurden. Die dabei offen zutage getretenen Widersprüche innerhalb der Bewegung konnten durch den Schiedsspruch Francos zwar zugedeckt werden, nicht aber beseitigt: die geschassten Opus-Mitglieder zogen sich in die Stellungen einer „legalen Opposition“ innerhalb der Bewegung zurück (so ihr profiliertester Vertreter Fraga Irribarne) und warteten nur darauf, sich nach dem Tode Francos als „fortschrittliche Fraktion“ des spanischen Kapitals anzubieten.


4. … und die wachsende Zahl seiner Gegner

Der spanische Faschismus, der wie kaum ein anderer derart gründlich mit seinen Gegnern aufgeräumt hat, produzierte im Zuge seiner Annäherung an das imperialistische System einen Gegner, den er mit allen seinen Repressionsorganen nicht liquidieren konnte, weil er ihn brauchte: ein ständig anwachsendes Industrieproletariat, das sich bereits Ende der Fünfziger Jahre in den Commissiones Obreras (illegale Gewerkschaften) eine schlagkräftige Organisation schuf, die sich das Streikrecht nahm und im letzten Jahr auch seine Legalisierung erzwang. Durch die Struktur des franquistischen Staates, der offen als Agentur der herrschenden Klassen auftrat und den ökonomischen Kampf der Arbeiterklasse illegalisierte, implizierte jede gewerkschaftliche Aktivität zugleich eine Gegnerschaft zum Staat, die sich im politischen Programm der CCOO manifestierte. Die Ausbeutung aller Provinzen durch den Faschismus führte gerade in den reichsten Provinzen (Baskenland und Katalonien) zu einer Opposition gegen das Regime, die nicht nur die Arbeiterklasse, sondern breite Kreise des Bürgertums und der Landbevölkerung vereinigte. Der Terror des Staats erreichte das Gegenteil dessen, was er intendierte: mit jedem hingerichteten Kämpfer der ETA wuchs der Einfluß dieser Organisation und die Solidarität der Bevölkerung. Die letzte Demonstration der klassischen Methoden der Francoherrschaft, deren Höhepunkt die Exekution von 5 Widerstandskämpfern bildete, war der verzweifelte Versuch des Regimes, Ruhe und Ordnung in einem Staat wiederherzustellen, dessen Gesellschaftsordnung und Ökonomie fortwährend Unruhe und Kampf gegen diese Ordnung provozierten.


5. Der Ruf nach der Demokratie

„No fue possible la paz. (Der Friede war unmöglich).“ Jose Maria Gil Robles, Christdemokrat 1959.

Die linke Opposition in Spanien ist sich – trotz aller Differenzen – in einem Punkt einig: die Zukunft des Landes erhofft sie sich von der Demokratie, vom friedlichen Ausgleich der divergierenden Interessen oder – dies die radikale Variante – von der Durchsetzung der Interessen der proletarischen Klassen durch demokratische Mehrheitsbildung. Damit probt sie in der Theorie, was in der Praxis des Jahres 1936 zum Bürgerkrieg und zur Vernichtung der Linken geführt hat: die Einführung der Demokratie im Interesse der Ausgebeuteten, angesichts der vorhandenen gewaltsamen Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft und der Tatsache, daß die Bourgeoisie offen ausspricht, daß sie diese Herrschaft mit allen Mitteln zu erhalten gedenkt. Gil Robles, Christdemokrat, formulierte in seinem Rechtfertigungsbuch den Standpunkt der Bourgeoisie am Vorabend des faschistischen Aufstands dergestalt, daß er den Pronunciamento mit der berechtigten Angst der herrschenden Klassen legitimierte, daß in einem demokratischen Staat ihre Stellung in Ökonomie und Gesellschaft gravierend geschwächt würde, was er ideologisch so ausdrückte:

„Die volle Partizipation der Arbeiter und Bauern an den politischen Entscheidungen würde nicht nur unser politisches Gleichgewicht, sondern auch unsere Wirtschaft, die Grundlage des Reichtums unseres Landes zerstören und von einer zerstörten Wirtschaft profitiert niemand.“

Während die Rechte damals daraus die Konsequenz zog und die Abschaffung der Demokratie betrieb, hielt die Linke selbst dann noch an ihr fest, als die faschistischen Truppen vor Madrid standen.

Heute, fast 40 Jahre nach dem Bürgerkrieg, hat die spanische Linke nichts dazugelernt: statt dem Faschismus die organisierte Macht des Proletariats entgegenzusetzen, es für die sozialistische Revolution zu agitieren, auf den Kampf um die Staatsmacht vorzubereiten, hofft sie darauf, die Lage der arbeitenden Klassen an den Wahlurnen verbessern zu können und hetzt die Arbeiter in demokratische Kämpfe mit der Staatsmacht, die sich im Besitz des Klassenfeindes befindet, der die gleichen Mittel wie 1936 – Gewalt und Terror – einsetzen kann und wird:

–  die Inhaber der Staatsmacht, die im Movimiento Nacional zusammengefaßte Koalition der Nutznießer des Faschismus, verfügen über den riesigen Unterdrückungsapparat des Regimes, trotz aller „demokratischen Offiziersvereinigungen“, über die man in letzter Zeit hört
–  die faschistische Massenbewegung macht kein Hehl daraus, daß sie nur darauf wartet, das Erbe Francos gegen alle „Freimaurer und Bolschewiken“ zu verteidigen und probt den Einsatz durch sich häufende Anschläge auf' liberale Zeitungen und Buchläden
–  die Freunde Spaniens in der westlichen Welt betonen bei aller moralischer Distanzierung von Franco, daß sie eine „weitere Schwächung des westlichen Bündnisses auf der iberischen Halbinsel“ nicht hinnehmen werden.

Auch der Separatismus, mit dem die Linke ins Baskenland und in Katalonien schon in den dreißiger Jahren ein Bündnis einging, was die Republik im Augenblick ihrer größten Bedrohung mit der Lösung von Problemen konfrontierte, die für die Sache des Proletariats unwesentlich sind, bildet eine dominierende Kraft in der spanischen Linken von heute und zerrt die sozialistische Bewegung in den betroffenen Provinzen auf die Ebene des Nationalismus zurück. Der Ruf nach Selbstbestimmung, nationaler Unabhängigkeit und Demokratie erweist sich als die gleiche verhängnisvolle Abwiegelung, die schon in den Zeiten der Republik von der Arbeiterbewegung betrieben wurde. Neu ist allerdings, wie weit man mittlerweile schon dabei geht, sich selbst das Messer zu liefern: so koalieren z. B. die Revisionisten(1) der PCE mit einer Fraktion der Monarchisten und biedern sich selbst bei den Opus-Dei-Technokraten als Stabilitätsfaktor innerhalb der Arbeiterbewegung an.


6. Die Fortsetzung des Franquismus mit anderen Kostümen: Viva el Rey!

Die Säulen des Regimes haben sich angesichts der Agonie ihres Chefs noch einmal zusammengefunden: gemeinsamen kürten sie Juan Carlos ein 22. November zum König der Spanier. Sie versprechen sich davon eine Fortsetzung der Verhältnisse im Franco-Staat im Kostüm der Monarchie, wobei sie mehr offen als versteckt Kurskorrekturen für ihren jeweiligen Vorteil erhoffen:

–  den Falangisten gefällt am „Principe corto“ (dem schwachen Prinzen) gerade der Umstand, daß er schwach ist. Bei den ersten Anzeichen einer Schwächung des Regimes hoffen sie auf den Sturz des Königs, wobei sie auf Francos Kampfgefährten in den Generalsrängen setzen, die auf dem Wege der Militärdiktatur den autoritären Staat der vierziger Jahre reetablieren sollen, in dem die Falange-Ideologie vom „mächtigen, einigen, freien Spanien“ wieder dominiert, worunter sie vor allem den kurzen Prozeß mit der Opposition und eine Rückkehr bzw. einen Aufstieg in die Machtpositionen und Pfründe des Staates verstehen;

–  die Interessenvertreter des großen Kapitals versprechen sich von Juan Carlos eine konsequente Fortsetzung des von ihnen propagierten Weges der Integration Spaniens in den europäischen Imperialismus und ein Wegräumen der Restriktionen, die Franco ihnen in den Weg legte.

–  die Kirche setzt auf den König. weil sie von seiner „katholischen Majestät“ eine Garantierung ihres institutionalisierten Einflusses erwartet und gleichzeitig einen Abbau des offenen Terrors, der ihre Verbundenheit mit dem Regime und ihre Attraktivität bei den Volksmassen wieder erhöht.

–  das mittlere und untere Offizierkorps der Armee erhofft sich vom König ein Abrücken von den bisherigem Methoden staatlicher Machtausübung, bei denen es als Henker fungieren mußte und deren mangelnde Effizienz ihm schon dadurch störend auffiel, daß sein Einsatz zur Repression der politischen Opposition sich in den letzten Jahren ständig erhöhte.

Und der neue König? Die tiefschürfenden Studien über Charakterbild, Psyche und politische Ansichten des Bourbonen, wie sie die bürgerliche Presse anstellt, versuchen mehr recht als schlecht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit davon wegzulenken, daß, der spanische Faschismus nicht das Produkt der Person Francos ist, sondern eine Herrschaftsform, die sowohl die ökonomischen Verhältnisse in Spanien zementierte, als auch die Interessen des westlichen Kapitals an Spanien berücksichtigte.          

Sich ausgerechnet vom König die Demokratisierung des Regimes zu erwarten, von einer Kreatur Francos, die für diesen Posten seit dem 7. Lebensjahr programmiert worden ist, ganz abgesehen von dem eklatanten Widerspruch, der darin besteht, einen Monarchen, der mit nahezu absolutistischen Vollmachten ausgestattet ist, als Demokratiebringer zu begrüßen, ist eigenartig – wie dies in den Glückwunschbotschaften westlicher Staatsmänner geschieht. Juan Carlos I. wird allenfalls den Versuch unternehmen, die in der Endphase der Francoherrschaft nur noch mit dem Terror der Staatsgewalt stabilisierte spanische Gesellschaft durch liberale Retouchen zu harmonisieren (die Garotte kommt sicher bald ins Museum), wobei er aber einerseits die radikale Opposition nur mit besseren Kampfbedingungen ausstattet, andererseits die Rechtskräfte auf den Plan rufen muß, die jetzt schon in ihm den Verräter an „Francos Erbe“ wittern.(1) So oder so, die Balance zwischen den Säulen des Regimes konnte nur Franco halten, so daß der Monarch seine Macht und den franquistischen Staat nur erhalten könnte, würde er selbst zum Caudillo, wie dies das „Dekret über die Nachfolge“ vorsieht und gerade nicht zum „König aller Spanier“, wie Juan Carlos sich darstellen möchte. Der am 20. November verstorbene Generalissimo wird auch als Leichnam seine Lebendigkeit beweisen, wenn der König als Verräter seines Erbes oder als Fortsetzer seiner Herrschaft angegriffen wird und das Urteil Jose Antonios über die Chancen der Monarchie(2) in Spanien bestätigt.

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(1) Die MSZ unterschätzte 1975 die Tauglichkeit der Demokratie als angemessener Herrschaftsform des Kapitals, die sich auch in Spanien durchgesetzt hat. Allerdings versuchten die in den Hintergrund gedrängten „Säulen des Staates“ 1981 noch einmal, sich wieder ins Spiel zu bringen – der Putschversuch wurde ausgerechnet durch die Intervention des Königs vereitelt, der sich doch nicht als so schwach erwies, wie die Falange vermutete, und als größerer Demokratiefan, als die MSZ annahm.

(2) José Antonio Primo de Rivera gründete die Falange 1933 als Bewegung, die die spanische Nation in Zukunft führen sollte. Der Monarchie traute er die Wahrnehmung dieser hohen Aufgabe nicht mehr zu. In seiner „Rede über die spansche Revolution“ 1935 gab er dieser Überzeugung Ausdruck: „Wir verstehen, daß die spanische Monarchie ihren Zyklus abgeschlossen hat, jegliche Substanz verloren hat und am 31. April 1931 (dem Tag der Ausrufung der Republik) wie eine tote Hülle in sich zusammengefallen ist ... Auch wenn es uns schwer fällt, können wir nicht den frischen Schwung der Jugend, die uns folgt, für die Wiederrerichtung einer Institution verbrauchen, die wir für glorreich gescheitert ansehen.“

aus: MSZ 8 – 1975

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