Entlarvt! (III):

Verdammt im Namen der Massen


Nachdem sich die streitenden Mitglieder der Linken im Mißfallen an der Programmatischen Erklärung einig geworden waren und befunden hatten, daß die MARXISTISCHE GRUPPE (damals „Rote Zellen“) auf den Haufen gehört, welchen die Geschichte für unwürdige Existenzen bereithält, wenn Linke polemisch werden; nachdem der Idealismus- und Intellektuellenvorwurf genügend breitgetreten war – deduziert aus jenem berüchtigten ersten Satz mit der „wissenschaftlichen Einsicht“ – und die allzeit geschätzten Massen aus berufener Feder die völlig überflüssige Order erhalten hatten, uns zu ignorieren; nachdem also alle Vorbereitungen getroffen waren, uns in der Versenkung verschwinden zu lassen, haben wir uns trotz allem geweigert, das Kräfteverhältnis zum Zwecke der Selbstaufgabe anzuerkennen. Da uns die „Bedingungen kommunistischer Politik“ aufgrund unserer gar nicht idealistischen Einsichten recht gut vertraut sind, haben wir auch nicht jedes Vorkommnis im kapitalistischen Fortschritt „als Bedingung“ für den Fortschritt „der Bewegung“ interpretiert. Da wir wissen, wie konsequent Bourgeoisie und Staat ihren Klassenkampf führen, und wie armselig die Arbeiter ihre Sache vertreten, haben wir auch nicht mit der Dialektik von zwar und aber unsere Einsichten den schlechten Aussichten akkomodiert, sondern die Politik gemacht, über deren Möglichkeit andere gern mit uns noch ein paar Jährchen diskutiert hätten, um uns von ihr abzubringen.

Das Resultat ist – abgesehen einmal von dem Faktum, daß es uns immer noch gibt, obwohl wir schon seit Jahren mit unserer „Agonie“ zu schaffen haben und als „MG-Kadaver“ und „absteigender Verein“ gehandelt werden – wenig erfreulich: 1. sind die systematischen Darstellungen der Konkurrenz (von Kapitalisten und Lohnarbeitern) und des Staates immer noch nicht veröffentlicht, so daß die an den Ableitungen Interessierten auf dieses Mittel für richtige Politik nicht zurückgreifen können. Allerdings liegt in der MSZ- und MAZ-Agitation das eine oder andere Urteil über die „Oberfläche des Kapitals“, also über seine ganz gewöhnliche Art, sich durchzusetzen vor, so daß der „Münchner Zentrale“ der Vorwurf eines Versäumnisses wohl nicht gemacht werden kann. 2. haben sich unsere bürgerlichen Feinde gerade anhand besagter Publikationen zu recht eindeutigen Praktiken uns gegenüber entschlossen, wobei uns aufgefallen ist, daß es ihnen nicht schwer fällt, in theoretischen Äußerungen, die sich von keinem „Standpunkt“ und auch nicht von „parteilichen Prinzipien“ leiten lassen, sehr wohl das praktische Interesse zu entdecken, das sie liquidieren wollen. 3. haben schließlich auch unsere Gegner aus der stets zur Solidarität bereiten Linken den Ton gefunden, der die Musik macht – und zwar die Begleitmusik zu einem Theater, dessen Ideologie ohne Lügen nicht mehr auskommt, wobei die Lügen über die MG die konsequente Ergänzung all jener Erfindungen über die gewöhnliche bürgerliche Welt darstellen, ohne welche diese Linken offenbar keinen ihrer großartigen Kämpfe legitimieren können. In den Polemiken, mit denen sie – vom MSB über KBW bis zu den Spontis – uns in jüngster Zeit immer häufiger würdigen, befleißigen sich unsere Gegner einer Sorte Selbstdarstellung, die einen froh darüber macht, von ihnen aus der „Linken“ exkommuniziert zu werden.


Die Gliederung der Hochschulen in gute Studenten und die böse MG

Es handelt sich keineswegs um eine harmlose Selbsttäuschung, mit der sich Spartakisten Mut machen, wenn ein MSB-Flugblatt nach den SR-Wahlen in Bremen die Lage so analysiert:

„Die Wahlen haben bewiesen, daß eine Mehrheit der Studenten sich für einen kontinuierlichen Kampf gegen das HRG ausspricht.“

Diese Art von Einschätzung verrät vielmehr das Prinzip einer Politik, die sich ihre Bestätigung aus einer Übereinstimmung mit ihren Adressaten verschafft, die es gar nicht gibt. Weil 13 von 25 Sitzen an die GO-Gruppen(1) gegangen sind, vergißt der MSB ziemlich absichtlich die Tatsache, daß eine flotte 2/3-Mehrheit der Studenten sich um ihre Organe der Verfaßten Studentenschaft nichts kümmert, sich auf die neuen Studienbedingungen einstellt und ohne Rücksicht auf so sinnige GO-Parolen wie „Gegen die Interessen des Kapitals für unsere Rechte!“ kontinuierlich studiert statt kämpft. Die „Analyse“ des Wahlerfolgs deutet also einerseits auf das, worin er besteht – die GO-Gruppen haben den AStA –, andererseits auf die Tatsache, daß es den gewerkschaftlich Orientierten damit gelungen ist, ihr hochschulpolitisches Ziel zu erreichen. Mit der machtvollen Repräsentation „der“ Studenten ist der Fortschritt im Amt, und er kann sich auf die Massen berufen.

Die Analyse hat also ihre Moral. Alles, was der AStA so treibt – Briefe an den Rektor, Aufforderungen zu immer breiter werdenden Bündnissen, Propaganda für das „Recht auf Arbeit“, Demonstrationen, auf denen MSBler leibhaftig den Lehrerberg in Szene setzen usw. – ist gut, weil der erlogenen Unterstützung durch die Studenten sicher; jede Kritik an der GO-Politik gilt nicht dieser, sondern vergeht sich an den Massen. Wer wie die MG gar die Studenten davon abbringen will, GO zu wählen, ja auch noch darauf aus ist, ihnen das positive Interesse an ihrer Ausbildung auszureden, der versündigt sich am Fetisch edeldemokratischer Heuchelei: an der Allgemeinheit mit ihren guten, weil von den GO-Gruppen benutzbaren Interessen. Eine Auseinandersetzung mit der MG nimmt, entsprechend diesen moralischen Grundsätzen, nicht den Zweck unserer Politik aufs Korn, sondern befaßt sich mit dem immer gleichen Nachweis, daß es uns um die Imitation der GO-Politik nicht geht, und daß wir eine Organisation sind, die an den Studenten mancherlei auszusetzen hat, wenn sie sie für ihre Politik gewinnen will. Wir sind also böse!


Enthüllungen über die niedrigen Beweggründe der MG

Nachdem GO-Gruppen, zufrieden über die Tatsache, daß ihnen Minderheiten an den Hochschulen zu Mandaten verhelfen (was gewöhnlich dazu führt, daß sich ihre ganze Politik in den Kampf um die staatliche Gewährung von Mandaten auflöst), ihr Werk in einen „politischen Massenkampf“ verfabelt haben, gestaltet sich die Abwehr drohender Wahlniederlagen bzw. verschwindenden Einflusses auf die linke Szene auch ganz einfach im Sinne des demokratischen Fortschritts. Die MG „polemisiert gegen sämtliche Formen des politischen Massenkampfes“. Das ist von Übel und muß unterbunden werden. Trägt z.B. einer von der MG auf einer Vollversammlung seine Polemik gegen besagte Massenkämpfe vor, so kommt dies einer Sprengung der VV gleich. Und weil eine solche Sprengung den Bedürfnissen der studentischen Massen zutiefst zuwider ist, sorgen die Repräsentanten der Massen flugs dafür, daß die VVs ohne unsere Redebeiträge über die Bühne gehen, also das bleiben, was sie in der langen Tradition studentischer Hochschulpolitik so zu sein pflegten: Akklamationsveranstaltungen, mit viel Spontaneität, energischen Resolutionen und Geschäftsordnungskünsten kundiger Superdemokraten. Bei diesen Unternehmungen tun sich bisweilen auch jene Linken hervor, die sich im Unterschied zu den GOs auf ihre Basisnähe viel zugute halten, und deshalb Basisgruppen heißen. Daß unsere Leute keine Lust haben, sich im Namen des Volkes von dessen Repräsentanten (man sieht, an der Uni machen die Linken ihren kleinen Staat, weil sie im großen Staat nichts zu melden haben) am Reden hindern zu lassen, wird natürlich ungern gesehen und gleich nach der Schlägerei ideologisch aufbereitet. Die Schuldfrage steht an, wobei wir einen eigenen Beitrag zu den Vorfällen in Frankfurt und anderswo nicht beizubringen brauchen, da uns die Basisgruppen die Klärung der Schuldfrage in ihrer Offenherzigkeit abgenommen haben:

„Unserer Meinung nach wäre (!) es besser gewesen, sich mit dem inhaltsleeren Geseiche dieser Leute auseinanderzusetzen, um jeglicher Legendenbildung von vornherein keinen Vorschub zu leisten.“

Was ist auf jener VV wohl passiert?

In Bremen hat der Schutz der Massen vor dem bloßen Auftreten der MG zu einer neuen Art des politischen Unterrichts geführt: nachdem abgestimmt worden war, ob die MG auf einer Veranstaltung zum „Recht auf Arbeit“ reden dürfen soll oder nicht – eine Mehrheit war dafür –, interpretierte das gewerkschaftlich orientierte Podium diese Abstimmung als Sprengung und verließ fluchtartig die Stätte seines Wirkens. Seitdem steht in Flugblättern zu lesen, daß die HG nicht nur VVs, sondern auch Gewerkschaftsveranstaltungen verhindert.

Doch zurück zu den Argumenten, mit denen die MG-Ideologie heutzutage an Westdeutschlands Hochschulen entlarvt wird:

„Sie spekulieren auf den Bremer AStA-Etat, sie schielen bundesweit nach gemachten Nestern, nach relativ gesicherten verfaßten Organen der Studentenschaft, um sie finanziell ausschlachten zu können.“

Bedenkt man, daß ein MSB-AStA die Finanzen des gelobten Organs nie und nimmer anrühren würde, so wird deutlich, welche Waffe die Moral im ideologischen Kampf abgibt. Da mag auch der KBW nicht zurückstehen, zumal er bislang noch kein sicheres Unterscheidungsmerkmal für seine Aufteilung der Studenten in „besitzende“ und „besitzlose“ gefunden hatte. Das massive Auftreten der MG, der er wie seine revisionistischen(2) Spießgesellen jahrelang den Vorwurf gemacht hatte, sie würde zu wenig bis nichts tun, hat die Frage geklärt. Inzwischen tun wir allen Revisionisten entschieden zu viel, zählen also zu den besitzenden Studenten, verkehren in Boutiquen und – „nehmen den Studenten die Ausbildungsplätze weg“ (ein Bremer AStA-Vorsitzender).

So steht uns natürlich auch gar nicht das Recht auf einen AStA zu, denn einen rechten Gebrauch von diesem Organ wissen nur die Organisationen zu machen, die Politik ganz am Puls der Massen treiben. Im Unterschied zu einem GO-AStA würde ein MG-AStA nur Mißbrauch mit den demokratischen Organen vorhaben, und dieser Vorwurf ist keineswegs so zu verstehen, daß uns das Kompliment gemacht wird, wir würden gegen die staatlich vorgeschriebenen Pflichten verstoßen. Der inkriminierte Mißbrauch bestünde vielmehr darin, daß wir die von Hochschulgesetzen betroffenen Studenten nicht für ihre Betroffenheit loben würden; weil wir wissen, daß die Studenten aus Regelstudienzeit und niedrigen Bafög-Sätzen ganz andere Schlüsse ziehen, als den, Kommunist zu werden, weil wir offen heraus sagen, daß ein Intellektueller nie zum Feind des Kapitals wird, solange er sich für die Aneignung der bürgerlichen Wissenschaft und ihre praktische Anwendung im Beruf begeistert, bleibt uns auch der harte Angriff der Volksfreunde nicht erspart, wir seien „zynisch und predigen den Rückzug in eine angebliche Kritik bürgerlicher Wissenschaft“. Konkret (um auch einmal so saudumm daherzureden wie ein Revi) bedeutet dies dann, daß die Auseinandersetzung unserer Leute, die ja keine echten Studenten sind, mit der bürgerlichen Wissenschaft in Vorlesungen und Seminaren unter schöpferischer Anleitung von massenverbundenen GOlern, KBWlern und Basismenschen zur „Störung des Ausbildungsbetriebs“ erklärt wird. Dabei werden unsere Argumente gegenüber den parteilichen Lehren der Hochschullehrer keiner Widerlegung für würdig befunden, weil es da viel effektivere Mittel gibt, um das Bündnis mit den Massen zu festigen: Raus! – mit und ohne Abstimmung, weil Demokratie nicht immer günstig, manchmal gar nicht nötig und gerade in der Wissenschaft doch manchmal sehr brauchbar ist. Unsere linken Kritiker scheuen sich also keineswegs, Studenten, wenn es gegen uns geht, bei der Aneignung bürgerlicher Wissenschaft zu ermutigen und ihrem allseits geschätzten Interesse an der Zurichtung zum bürgerlichen Ideologen Verständnis entgegenzubringen.


Über die List des Bösen

Und das hat seinen guten Grund: wer mit der Betroffenheit der Leute sein politisches Geschäft machen will, dem fällt es auch nicht schwer, mit der staatlich organisierten Dummheit seinen Frieden zu schließen. Am prüfungsrelevanten Angebot falscher Erklärungen der bürgerlichen Welt entdeckt er die „Betroffenheit“ nicht, die ihm als Anknüpfungspunkt für seine affirmative Agitation so gefällt, wenn er die Regelstudienzeit, die niedrigen Bafög-Sätze etc. als das Problem der Studenten herausstreicht, denen sich sein politischer Verein so rührend wie erfolglos annimmt. Wo seine Adressaten nur die Bedingungen ihres Studierens als Hemmnis für ihr individuelles Vorankommen wahrnehmen, wäre ein massenverbundener Studentenpolitiker der Letzte, der das in Frage stellt, was da studiert wird! Beim Vergleich unserer Hochschulpolitik mit der ihren stellen unsere linken Gegner denn auch folgerichtig einen „Zynismus“ nach dem anderen fest, was die „soziale Misere“ der eifrigen Studiosi angeht – und andererseits geißeln sie die ,,elitäre und arrogante Tour“, mit der wir die armen Studiker daran hindern wollen, sich einen falschen Gedanken nach dem anderen einzubauen. Und wie die Anzahl der uns gewidmeten Kunstwerke des „ideologischen Kampfes“ bezeugt, führt eine Agitation, die auf den Verstand von Studenten setzt, zu mehr aktiven MGlern, als die linke Moral erlaubt. So daß ein weiterer Beweis unserer Niedertracht ansteht. Wenn Massenfeinde mehr „Massen“ zum Einsatz gegen die bürgerliche Ausbildung bewegen, als die Massenfreunde je auf ihren größten Großveranstaltungen zu Gesicht bekommen, dann muß es sich um Verführung handeln. Die MG, so diagnostiziert ein Bund,

„gibt sich den Anschein strengster Wissenschaftlichkeit und besitzt deshalb eine gewisse Attraktivität für Studenten, die mit der an den Unis weitverbreiteten theorielosen Phrasendrescherei unzufrieden sind,“

und bescheinigt uns das geschickte Ausnützen einer Marktlücke als das Geheimnis unserer bescheidenen Erfolge, die sich im wesentlichen darauf beschränken, daß die Präsenz einer grösseren MG Hochschullehrer wie linke Vereine zum Argumentieren veranlaßt. Aus der Tatsache, daß wir falsche Theorien angreifen, wird die Befriedigung eines studentischen Bedürfnisses im theorielosen Getriebe an den Unis, so daß der Gegensatz, den wir zu den Studenten austragen, doch noch ins Weltbild paßt. Selbstverständlich geben wir uns nur den „Anschein“, den Massen bei einem äußerst berechtigtem Verlangen nach Theorie entgegenzukommen, unsere „Attraktivität“ beruht auf Betrug.

Das Urteil, welches ein Student einstecken muß, sobald er sich mit uns einläßt, lautet schlicht und ergreifend: er läßt sich einseifen; und die KB-Variante davon ist noch nicht einmal die lustigste. Einer, der unsere Politik am „einfachen“ und deswegen „hilflosen“ Studenten mißt, den er sich herbeiphantasiert, weil er sich um ihn politisch kümmern möchte, schafft eine ganz andere Erklärung unseres Erfolgs (der, wie gesagt, nur relativ zum Niedergang der uns feindlich gesonnenen Linken existiert, also auch nur für sie, weil sie sich vornehmlich in ihrer Lügenwelt unter 1% herumtreiben!):

„Als Lockmittel dienen regelmäßig verteilte Flugblätter, die bewußt undurchsichtig und kompliziert verfaßt sind.“

Auch hier ergeht sich der Kritiker in der öffentlichen Verkündung des Pakts, den er mit der Dummheit geschlossen hat, wenn er uns die „Perfidie“ zur Last legt, mit unverständlichem Zeug arme Studenten hereinzulegen. Weil die moralische Einbildungskraft, die ihre Sicherheit aus der Lüge bezieht, ein Kommunist bzw. ein „fortschrittlicher“ Mensch sei darin gut, daß an ihm kein Unterschied zu denen auszumachen ist, die er für seine politische Sache gewinnen will, kein Argument zu erfassen vermag, ist unsere Agitation unverständlich! Für „durchsichtig“ und „unkompliziert“ hält dieselbe Fachschaftsinitiative dagegen die folgende programmatische Erklärung darüber, wie Politik geht, wobei sie sich wie in der Kennzeichnung unseres Agitationstricks mit dem MSB einig ist („Ihre Sprache, ihre Aussagen waren vielen Studenten unverständlich; ja dieses Unverständnis wird von der MG systematisch – insbesondere auf ihren Teach-ins produziert...“)

„Auch hier (im hochschulpolitischen Bereich) ist zunächst an der Betroffenheit des Einzelnen, dort wo das System am stärksten in die Lebensbedingungen des Studierenden eingreift, anzusetzen (z.B. LPO(3), Regelstudienzeit, BAFöG). Im solidarischen Kampf gegen derartige Studienverschlechterungen wird der Widerspruch zwischen den Interessen des Studierenden und den Anforderungen unseres Wirtschaftssystems deutlich und – was für die Fortsetzung des Kampfes unerläßlich ist – die Durchsetzungsmöglichkeit eines von vielen getragenen Widerstandes spürbar. Auch hiervon will die MG nichts wissen.“

Und zwar deswegen nicht, weil die MG von einer Politik nichts hält, die einen „solidarischen Kampf“ inszeniert, der die Kämpfer „Möglichkeiten“ „spüren“ läßt, an denen wir einige Zweifel haben, zumal uns über besagten „Widerspruch“ ebenso wie über die „Lebensbedingungen“ der Studierenden und ihren politischen Willen, „was für die Fortsetzung des Kampfes unerläßlich ist“, einiges klar ist!


Über die Niedertracht der Führer

Selbstverständlich meinen unsere Gegner nicht, mit ihren Entlarvungen den „MG-Massen“ ihre Idiotie bescheinigt zu haben, wenn sie die für ihr Gerechtigkeitsempfinden viel zu zahlreichen MGler beschimpfen, sie wüßten gar nicht, worauf sie sich einlassen mit ihrem Entschluß, MG- Politik zu machen. Und daß sie diese Politik machen, mit Willen und Bewußtsein, merken an manchen Orten die linken Vereine an so einfachen Dingen wie Teach-ins, Vollversammlungen und insgesamt dem für sie ärgerlichen Ausmaß unserer Agitation. Und sooft sie sich hierüber ärgern, äußert sich der Neid von Leuten, die sich über moralische Bekenntnisse organisieren und deshalb einen konstanten Mangel an „Aktivisten“ zu verzeichnen haben. Aus der für sie tatsächlich schwer  verständlichen Beobachtung, daß jeder MG-Sympathisant weiß, was er will, also auch mehr für seine Organisation übrig hat als ein studierender oder kunstschaffender „Bündnispartner“ des Proletariats für „seine“, folgt freilich eine ihrem Mitgefühl für sämtliche Massen der Welt Ehre machende Deutung der Angelegenheit. Der Prozeß der kunstvollen Verführung junger Menschen setzt sich fort in einer rücksichtslosen Bevormundung und Knechtung dieser hilflos ausgelieferten Kreaturen:

„Die Organisationsstruktur der MG ist hierarchisch streng gegliedert.“

„Wir können auf eine neue Herrschaftsform verzichten.“

So hört man's landauf landab, sofern man als „Führer“, „AK-Guru“, „MG-Häuptling“ das unbeschreibliche Glück genießt, sich gleich an verschiedenen Orten mit der „neuen Studentenbewegung“ auseinandersetzen zu dürfen – und wenn man zu den Opfern dieser „arbeitsscheuen Parasiten“ (KBW) gehört, kann man es mehrmals pro Semester lesen, so man tatsächlich noch Lust hat, die Gazetten unserer Gegner zu studieren. Mit der Scheidung der MG in Führer und Verführte ist der Schlüssel gefunden für die Lösung der schwierigen Aufgabe, die paar hundert Studenten, die immerhin in manchen Orten das einzige Forum bilden, vor dem sich noch mit dem Gefühl, es wäre lohnend, die „Prinzipien des ML“ breittreten lassen, in Schutz zu nehmen und für sich zu vereinnahmen. Während diese süß zu nennende Anstrengung, MG-Sympathisanten aus dem stalinistischen Zugriff ihrer Schinder zu befreien, von Sponti-Gruppen etwa mit Verdächtigungen der folgenden Art unternommen wird:

„Da die MGler nicht von den eigenen Interessen ausgehen und konsequenterweise die Existenz der Triebe leugnen – das einzige, was man unterdrücken kann –, haben sie auch keinen Sinn für Unterdrückung bzw.(!) Unrecht ...
Menschen, die von ihrer Sexualität sowie dem linken Appell »Kämpft gegen das Unrecht für eine menschenwürdige Gesellschaft« geängstigt werden, weil auf beiden Dingen Strafe steht – finden bei Meister Fertl ihre Zuflucht.“ –

ist die andere Abteilung, die der Führer, vom KBW aufs Entschiedendste betreut worden. Freilich, auch die „Meister“ bekommen von den Spontis ihr Fett weg, ein „klinischer Fall“ ist man da schnell, wenn man, ohne sich zu entschuldigen, drei zusammenhängende Sätze vor einem größeren Auditorium von sich gibt und seine Individualität nicht zum Thema macht, um jedes gesagte Wort zu relativieren. Und auch beim KBW wird den „MG-Massen“ manches Armutszeugnis ausgestellt. Doch im wesentlichen bewährt sich die Arbeitsteilung zwischen den Verehrern der Individualität, die in den Trieben ihren Sitz hat, und den Fanatikern des Rechts, die jeden ihrer Gegner ganz gerecht von den Volksmassen umlegen lassen möchten. Während die ersteren schon erschrecken, wenn sie mit der Individualität eines „MG-Wanderpredigers“ konfrontiert werden, der sein Publikum „durch inhaltlose Dauerreden bis zum Saalschluß physisch mürbe macht“, bemühen sich die anderen um eine Charakterisierung derselben Individualität, die allen guten Menschen die Haare zu Berge stehen läßt. H.L. Fertl, der nicht nur überall seinen Namen druntersetzen läßt, wenn die MG was veröffentlichen, sondern durch seine schriftliche wie mündliche Agitation beweist, daß die Überlegenheit eines „MG-Häuptlings“ gegenüber einem revisionistischen Massen-fest-Zusammenschließer, die in jeder öffentlicher Kontroverse zutage tritt, auf dem Gebrauch der Intelligenz anstelle der Offenbarung von Moral beruht; der seine Sicherheit also darin hat, daß er seine Parteilichkeit mit der Wahrheit und nicht mit den „Massen“ begründet und dabei trotz mancher böser Erfahrung mit seinen Widersachern noch nicht seinen Humor verloren hat – H.L. Fertl also ist vom KBW ein Konterfei beschieden worden, in dem sich die Einfalt des Revisionismus aufs Trefflichste mit der Lüge vereint, die diesem auch immer wieder einmal zur brauchbaren Waffe wird. Also: 1. H.L. Fertl ist „an den Pfründen der Münchner Universität gut plaziert und untergebracht“, was zwar nicht stimmt, aber immerhin einen „Alt-Häuptling“ dadurch ins rechte Licht rückt, daß er als Gegenstück zu „den besitzlosen Studenten“ figuriert. Er ist 2. „einer, der sich für einen Studenten hält“, womit er aufs Entschiedenste von den Massen entfernt wäre, natürlich nicht ohne die Unterstellung, H.L. Fertl hätte die Sorge eines KBW-lers, ein ganz ein echter Student zu scheinen. 3. H.L. Fertl ist einer von den MG-Verbrechern, die „1974 den AStA kampflos aufgaben“ und – nicht nur, wie der MSB behauptet, eine „Druckmaschine mitnahmen“, sondern – „sich noch über 100.000 DM studentische Gelder über den »Verein zur Förderung des studentischen Pressewesens« unter den Nagel gerissen hatten“. Auf daß sich die Massen erschreckt von der MG abwenden, enthält sich der KBW jeglicher „Ironie“ (etwas, was er in unserer Schreibe überhaupt nicht mag!) und zeigt, wie ein gestandener Anbeter der Volksmassen kundig von der politischen Polemik zum steckbrieflichen Stil des – natürlich vom Volke gewählten – Staatsanwalts findet.


Von der Unmenschlichkeit

der MG-Führer ließe sich natürlich noch viel mehr berichten. Noch nie haben sie den Massen versprochen, sie alle fest zusammenzuschließen, noch nie haben sie ihnen empfohlen, an Staatsmänner Postkarten zu schicken; auch die Verheißung von viel BAFÖG für den Fall ihres Eintritts in die MG ward noch nicht vernommen und die Kritik des KBW an einer Berliner Bibliothek (kein Buch zu sehen, nur Zettelkästen – Bücher versteckt, damit keiner vom Volk an die wichtigen Waffen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung hinkommt!) fand auch nicht ihre uneingeschränkte Zustimmung. Nur selten werden sie auf Chile-Feten und ZANU-Feiern gesehen, von Berufsverbots-Partys mit viel Literatur und Rock ganz zu schweigen. In München gar waren Faschisten an der Mensa zugange und wurden an ihren Tätlichkeiten gehindert, natürlich von den Massen (die Mobilisierungsstärke der gesammelten Linken in München hätte freilich nicht ausgereicht!), die sich, schändlich in Stich gelassen von den „zynischen Spaltern“, ein Herz faßten und sich auf die Einheit des Volkes besannen. Die Zeugnisse der Unmenschlichkeit ließen sich endlos fortsetzen; jeder Tag bringt ein neues zum Vorschein, so daß man es der Geschichte überlassen kann, sie zu sammeln. Nur ab und zu bei Gelegenheit sollte man endlich wieder einmal die Leute beim Namen nennen, insbesondere die Redner auf nicht ganz gebilligten Veranstaltungen, und auch die Frage: „Warum hast Du kein Berufsverbot?“ muß immer wieder mal gestellt werden – auch wenn der Gefragte eins hat, denn es geht ja darum,


von der Menschlichkeit

einen Begriff zu vermitteln, die man selbst so gekonnt pflegt. Die Frage signalisiert nämlich das überaus „menschliche“ Interesse an ganz viel Gerechtigkeit, und sie deutet mit diesem Interesse ebenso wie die Heuchelei, die jeden politischen Schritt mit der Allgemeinheit legitimiert, der man sich trotz und wegen allem Desinteresse, das sie zeigt, so verpflichtet weiß, auf die Sehnsucht dieser Moralisten nach einem guten Staat. Daß Leute wie wir in diesem Staat nichts zu lachen hätten, noch weniger jedenfalls als im jetzigen, wird dabei offen ausgesprochen.
Wenn unser nun schon des öfteren vorgebrachter Hinweis darauf, daß es sich bei unseren Gegnern um verrückte Parteigänger eines idealen Staates handelt, in jüngster Zeit von ihnen selbst dahingehend mißverstanden worden ist, wir würden aber auch alles mit dem Staat erklären, seien also veritable Staatstheologen, so mag uns ein klärendes Wort gestattet sein, diesmal mit ein paar Fragen, die ein Politökonom zusammengestellt hat, der dem Dogma anhängt (deformation professionelle), daß der Klassenkampf wie die Klassen selbst eine ökonomische Angelegenheit ist, in der sich nur eine Seite des Staates bedient, die andere aber kein materielles Interesse durchsetzt außer gegen den Staat.

1. Wer „gegen die Interessen des Kapitals für unsere Rechte“ kämpfen will, der denkt an seine Interessen in der Form des Rechts, das ihm eine staatliche Gewaltmaschinerie gewähren soll; warum kämpft er nicht um seine Interessen und paßt auf, daß das Recht nicht die Durchsetzung vereitelt bzw. das Ergebnis halbiert?

2. Wer das „Recht auf Arbeit“ fordert und es auch, aber nicht nur „moralisch“ verstanden wissen will wie mancher Vertreter des DGB, der will von nämlicher Gewaltmaschinerie die Arbeitslosigkeit beseitigen lassen. Warum ausgerechnet durch sie?

3. Wer einen „antifaschistischen Kampf“ führt, also einen „Sieg der Rechtskräfte“ im politischen Gemeinwesen befürchtet, dessen Repräsentanten vom verehrten Volk gewählt wurden und werden, diesen Rechtsbruch aber verhindern will durch sein „Eintreten für die Demokratie“, der hält viel von der Demokratie, die ihm wegen besagter Tendenz Angst macht. Warum entdeckt er nicht den Zweck der Demokratie, einer „Form bürgerlicher Herrschaft“ in der Aufrechterhaltung der Klassengesellschaft? Warum fällt ihm am Faschismus ausgerechnet der Mißbrauch des Staates durch die herrschende Klasse auf? Wozu will er den Staat denn gebrauchen?

4. Wer an seinen politischen Gegnern von der MG nichts anderes auszusetzen findet, als daß sie sich einerseits nicht der Tugenden von „echten Studenten“ befleißigen, andererseits den Vorwurf breittritt, sie seien nur destruktiv und „absolut negativ“ (woher kennt man diesen Schmarrn bloß?), der kritisiert an ihnen nicht einen Fehler, den er durch seine Polemik ausräumen will (und sei es auch nur bei den „MG-Massen“), sondern legt ihnen im Vergleich mit dem eigenen Ideal gemeinnütziger Taten zur Last, daß sie sich keines staatsbürgerlichen Wohlverhaltens befleißigen, also „schlechte Menschen“ sind (Beispiele: die Studienplätze, die langen Reden auf der VV, die Diebstähle, die Arbeitsscheu etc.). Warum wohl?

5. Weswegen wir den Linken, die gemeinsam darüber befunden haben, daß wir zu ihnen nicht gezählt werden dürfen, einerseits dankbar sind für ihre Auskünfte, die ja solche über ihre Moral sind. Warum aber drohen sie uns sogar unter Umständen (VVs, Demos, Seminaren etc.) mit der Gewalt und Güte des Volkes, wo dasselbige weit und breit nichts von sich hören und sehen läßt?

6. Warum also meinen diese Vereine, daß wir alles mit dem Staat erklären?

 

Frühere eindeutige Enthüllungen über uns haben wir in MSZ Nr. 15/1977 (PKA und Gruppe Rheinische Zeitung) sowie in MSZ Nr. 16/1977 (Juso-HSG und SHI Nürnberg) gewürdigt.

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(1)Gewerkschaftlich orientierte“ Gruppen, ein Bündnis des SHB und des MSB Spartakus

(2) gemeint ist hier eine Art von Kritik, die den Staat bzw. seine Repräsentanten als Vertreter der Interessen des „Volkes“ gegen die Kapitalistenklasse begreift – eine Art von Kapitalismuskritik, die seit der von Bernstein ausgelösten Revisionismusdebatte ein Grundpfeiler linker Beschwerdekultur ist.

(3) Lehramtsprüfungsordnung

 

aus: MSZ 24 – Juli 1978

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