Neues Rettungspaket der US-Notenbank

Gelddrucken gegen die Kreditkrise

Je weiter sich die Krise entwickelt, desto gigantischer und auch abenteuerlicher werden die staatlichen Gegenmaßnahmen. Das kann man gerade am Beispiel der USA studieren.

Ende November `08 beschließt der Ami-Staat ein Doppelpaket zur Rettung der Banken und der Wirtschaft insgesamt. Über den US-Staatshaushalt (unter Obama) sollen 700 Milliarden Dollar in ein Konjunkturstützungsprogramm fließen; staatliche Ausgaben für dies und das sollen den einbrechenden Unternehmensumsätzen entgegenwirken. Und die Notenbank will 800 Milliarden Dollar zum Aufkauf wertlos gewordener Wertpapiere locker machen, um das tote Geschäft der Banken doch noch wieder flott zu machen.

Was bisher geschah ...

Der Hintergrund für dieses weitere Drehen an der Spirale, mit der erneut „letzte Mittel“ mobilisiert werden (einen „Plan B“ sollte es ja schon im Oktober nicht geben!), ist die Unzufriedenheit der Macher mit den Ergebnissen aller bisherigen Maßnahmen ihrer Krisenbekämpfungs-Politik:

Die seit Monaten exzessiv betriebene Geldpolitik der US-Notenbank ist im Wesentlichen ins Leere gelaufen. Zwar wurden die US-Leitzinsen, zu denen Geschäftsbanken mit Liquidität, sprich: Dollarkrediten, ausgestattet werden, schon fast gegen Null gesenkt (1 %) und die Umfänge dieser Geldbereitstellung sowie die Bereitschaft, auch fragwürdige Papiere als Sicherheit zu akzeptieren, immer weiter nach oben geschraubt. Dennoch kam nicht mehr zustande als die Verhinderung der totalen Illiquidität des Bankensektors durch Geldspritzen der Zentralbank. (→ Stichwort "Liquidiät von Banken")

  • Die Maßnahme des Finanzministeriums, nicht mehr in Fall-zu-Fall-Entscheidungen Banken oder andere Finanzinstitute (AIG) zu retten oder auch mal hopps gehen zu lassen (Lehman Brs.), sondern für alle klammen Finanzer einen "Rettungsschirm" über 700 Milliarden Dollar aufzuspannen, stoppte zwar vorerst den Trend zum Zusammenbruch weiterer Banken, brachte aber neue Probleme mit sich und keine nachhaltige Beruhigung der Lage. Am Bedarf, den die Institute bei ihm anmeldeten, wurde dem Finanzminister klar, dass die ursprüngliche Idee, mit den 700 Mrd. nicht nur Eigenkapitalspritzen und Bürgschaften für Kreditaufnahme unter Banken, sondern daneben auch noch das partielle Herauskaufen "maroder Wertpapiere" zu finanzieren, nicht machbar ist - der Bestand an Giftpapieren ist schlicht zu groß. Diese Kehrtwende beim Retten brachte beinahe den Ruin einer der größten Banken: Um Citigroup zu retten, wurde wieder eine Einzelfalllösung über 326 Mrd. Staatshilfe nötig. (siehe den Artikel zu Citigroup)

  • Mit seinem Geld kann der US-Staat manche Zahlungsnot von Finanzinstituten vorübergehend beseitigen, mit seinem Kredit (Bürgschaft) kann er manche Kreditverweigerung unter Banken vorübergehend durchbrechen. Der völlige Zusammenbruch des Bankgeschäfts wird so immerhin verhindert. Positiv ausgedrückt: Die Abwicklung von Schulden, das Auszahlen fällig gestellter Forderungen, das ermöglicht der Staat mit seinen Hilfen. Mehr aber nicht. Sein Ziel, die Finanzszene mit ganz viel Staatsknete zu einem neuen geschäftlichen Aufbruchsgeist zu animieren, ist nach wie vor in weiter Ferne. Also definiert der Ami-Staat diese Lage, die nicht sein kann, weil sie nicht sein darf, so: Es ist noch immer zu wenig getan worden, die staatlichen Hilfen sind noch immer zu  gering.

Was jetzt passiert ...

In dieser Lage wird die Notenbank selbst unmittelbar aktiv. Sie will den Staatshaushalt von der Not befreien, Unsummen fauler Kredite im Bankenbereich (entwertete Wertpapiere, die fragwürdige Kreditforderungen gegen Hypotheken-, Kreditkarten- oder Autokreditschuldner zur Grundlage haben) durch steigende Staatsverschuldung auslösen zu müssen und damit die staatliche Kreditwürdigkeit selber fragwürdig zu machen.

Dazu geht sie in geradezu radikaler Weise von dem Weg ab, über den normalerweise Staatsgeld, der von der Notenbank emittierte amerikanische Dollar, in den Wirtschaftskreislauf eingespeist wird. In normalen Zeiten benötigen die Geschäftsbanken für die laufende Ausweitung ihrer Kreditgeschäfte zusätzliche Bargeldreserven. Sie besorgen sich dieses Geld bei der Zentralbank, indem sie bei ihr gegen Verpfändung von Bankaktiva, z. B. Wertpapiere, Wechsel oder Darlehensforderungen, Liquiditätskredite aufnehmen. Sie stocken so ihre Kontoguthaben bei dieser "Bank der Banken" auf, über die sie dann im benötigten Umfang Bargeld abheben können. Das Gelddrucken der Notenbank ist auf diese Weise angebunden an das wachsende Kreditgeschäft der Banken, dient dessen (Re)Finanzierung. Schon diese Abdeckung des wachsenden Geldvermehrungszirkus der Geschäftsbanken durch eine quasi automatische Beimischung von Staatsgeld ist eine höchst spekulative Angelegenheit: Was aus dem Geld wird im Zuge seines Dienstes für das von Banken veranstaltete Anstacheln allgemeinen Wachstums mittels Kredit und noch mehr Kredit, ist naturgemäß offen. 

Jetzt aber kauft die Notenbank wertlose Wertpapiere aus den Beständen der Geschäftsbanken an. Ob sie die jemals wieder bei den Emittenten zu Geld machen kann, ist mehr als fraglich. Banken erhalten auf diesem Weg frisches Geld – aber nicht, weil damit laufende Geschäfte geschmiert werden sollen, sondern umgekehrt: Weil sie aufgrund kaputt gegangener Geschäfte vor der Zahlungsunfähigkeit stehen. Wie immer, wenn eine Notenbank zusätzliches Geld in Umlauf bringt, ist dies eine Schöpfung aus dem Nichts. Die Dollarscheine sind quasi wertlose Papierzettel, dennoch repräsentiert ihr aufgedruckter Nominalwert tatsächliche Kaufkraft: Man kann Waren aller Art, Güter, Dienstleistungen oder auch Wertpapiere damit kaufen oder Schulden bezahlen. Wieviel Kaufkraft ein solches Kreditgeld staatlicher Herkunft verkörpert, wird mit dieser Art der Schöpfung zu einer offenen Frage, die alle Geldbesitzer und den Hüter des Geldes, den Staat, permanent beschäftigt (deshalb gibt es ständig Abwägungen über die „korrekte Geldmenge“, eine stabilitätsorientierte Geldpolitik etc.). Jetzt, wo das zusätzlich in die Wirtschaft gepumpte Geld von vornherein kein Wachstum, sondern den Zusammenbruch der allgemeinen Wirtschaftsaktivitäten zur Grundlage hat, ist sie natürlich umso mehr auf dem Tisch. 

Die Gefahr, dass sein Geld durch Inflation entwertet werden könnte, ist dem amerikanischen Staat momentan scheißegal. Bedenken, die es innerhalb des Regierungsapparats oder in der Finanzwelt gibt, erklärt er für zweitrangig. Klassischer kann man zwar keine Inflation erzeugen, als es die US-Notenbank mit ihrer Gelddruckerei für Geldgeschenke an kaputte Banken derzeit betreibt. Aber was zählt das schon angesichts der existentiellen staatlichen Sorge, dass das Geld selbst durch Nichtbenutzung – im Kreditgeschäft der Banken genau so wie im Warengeschäft der Industriellen, der Händler, sonstiger Dienstleister – Schaden nimmt.

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Betriebsräte spielen sich als Retter von Opel auf

Kaum drangen die ersten Meldungen von einer drohenden Insolvenz von General Motors an die Öffentlichkeit, meldeten sich auch schon die berufenen Vertreter der Arbeitnehmerschaft in Person von Klaus Franz (Gesamtbetriebsrat) und Rainer Einenkel (Chef des Bochumer Betriebsrats) zu Wort – und sind seitdem nicht mehr verstummt. Interviews in der Presse, Talkshows, bei denen sie die von der Krise betroffenen deutschen Arbeiter repräsentieren – überall können sie das zum Besten geben, worauf es ihnen vor allem ankommt. „Schuld ist GM!“

Das ist einerseits die alte Leier (siehe: Stichwort Betriebsrat). Angesichts drohender Arbeitsplatzverluste werfen die Betriebsräte reflexartig die Schuldfrage auf und rechten über die Fehler der Führung. Denn in einem sind sich diese beiden sicher: An ihnen und den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern hat es nie und nimmer gelegen, wenn es der Firma schlecht geht. Schließlich haben die Arbeiter immer brav ihre Pflicht getan, gearbeitet, bei jeder Betriebsanpassung, Entlassung und Lohnsenkung mitgemacht und sich keiner Zumutung am Arbeitsplatz verweigert. All das ist mit ihrer Zustimmung problemlos über die Bühne gegangen.  Wenn jetzt „trotzdem“ die Insolvenz droht, sind andere schuld. Die haben versäumt, dafür zu sorgen, dass die Krise andere Unternehmen trifft, Mercedes oder Toyota, und eben nicht GM. Dass es in der Konkurrenz der Autokapitale Sieger und Verlierer gibt, dass es im Gang des Geschäftes Konjunkturen gibt, die immer wieder dazu führen, dass die Unternehmen ihre Produktion dem Gang des Geschäftes anpassen und damit auch ihre Belegschaft – alles das ist diesen professionellen Arbeitnehmervertretern wie immer eine pure Selbstverständlichkeit. Nur Opel soll es natürlich auf gar keinen Fall sein können, der sich auf der Verliererstraße wieder findet – diese Möglichkeit will man schlicht nicht wahrhaben, wo man selbst doch an so supermodernen Arbeitsplätzen steht und so tolle Karren baut.

Was den Fall Opel zu etwas Besonderem macht, ist eine zielstrebige Entdeckung, mit der die pfiffigen Betriebsräte sich seitdem um die Rettung ihrer Arbeitsplätze bemühen. Sie wissen und unterschreiben: Lohn, und damit ein Einkommen für Arbeiter gibt es nur, wenn es einen Arbeitsplatz gibt. Einen solchen  Arbeitsplatz gibt es nur, wenn er sich für ein Kapital lohnt. Genau das ist momentan fraglich – der Konzern, zu dem ihre Fabriken gehören, ist in der Krise und denkt über Schließung nach. Dieser Konzern aber sitzt in Amerika – und genau darin sehen Franz und Co. ihre Chance. Eine Rettung ihrer Arbeitsplätze kann nämlich nur mit Hilfe von ganz oben passieren – das ist die nächste Abhängigkeit, von der sie wissen und die sie festklopfen. Arbeiter können sowieso nix machen, wenn es ihnen an ihre Existenz geht. Machen kann nur einer was: die da oben, die Politiker. Um denen den Fall Opel ans Herz zu legen und sie zum Handeln zu bewegen, muss man allerdings einiges aufbieten. Einfach nur das, dass gerade einer ganzen Reihe von Leuten ihr Leben kaputt gemacht wird, reicht nicht. Also lässt man sich was einfallen: Erstens sind die bedrohten Arbeitsplätze super rentabel – es wäre geradezu schrecklich für Deutschland, wenn sie sich in Luft auflösen. Zweitens sind es ganz schön viele – da würden sich einige Gemeinden und Länder umgucken, wenn so viel Geschäft wegfällt. Wie man sieht, kommt das Lebensinteresse der Arbeiter in diesen Argumenten eher wenig vor – eine Existenzberechtigung kriegt es offenbar nur, wenn höhere Interessen auf ihre Kosten kommen! Drittens aber – und jetzt kommt der Clou! – hat man das ganze Problem nur an der Backe, weil über diese Arbeitsplätze in Amerika bestimmt wird – der deutsche Standpunkt also einfach keine Rolle spielt. Die Opel-Betriebsräte wittern offenbar, dass es eine gewisse Ansprechbarkeit deutscher Politiker gibt in Sachen „wer soll eigentlich wie viel Krise ausbaden?“ und versuchen, diesen Standortpatriotismus für ihr Anliegen zu mobilisieren.

Um der Regierung diesen Standpunkt nahe zu bringen, treten die Betriebsräte auf, als gäbe es schon eine deutsche Firma namens Opel, die gerettet werden müsse. Dieses fiktive Unternehmen soll zudem deshalb in der Krise sein, weil es sich noch immer in den Fängen seiner amerikanischen Mutter befindet – und die macht schlicht alles falsch. Ihre Manager sitzen nämlich im fernen Detroit und kennen sich mit dem Bau von Autos nicht aus. Schon gar nicht mit dem europäischen Markt. Auf ihrem eigenen, dem amerikanischen Markt haben diese Versager gegen Toyota verloren, während der deutsche Ableger Opel ein Auto des Jahres vorzeigen kann. Wenn das nicht alles sagt! Zwar ist auch dieses Vorzeigeauto ein Produkt von GM und der gemeinsamen Entwicklungsabteilung, die in der konzerninternen Arbeitsteilung ihren Platz in Rüsselsheim bekommen hat. Die Betriebsräte wollen aber in ihrem multinationalen Konzern lauter vehemente nationale Unterschiede entdecken. Natürlich ist die Vorstellung, dass Manager in Deutschland anders „managen“ als in Amerika, ausgesprochen albern. In ihrer patriotischen Besessenheit sortieren Franz und Konsorten aber einfach alles Negative nach Amerika und alles Positive zum neuen zu schaffenden Konzern OPEL Deutschland. Die gemeinsamen Schulden von GM und Opel gehören dieser Logik gemäß den Amerikanern, während mögliche staatliche Unterstützung, die es noch gar nicht gibt, gegen Amerika gerettet werden muss; Patente, die GM beim amerikanischen Staat verpfändet hat, gehören eigentlich nach Deutschland und in den Besitz von Opel, usw. – mit dieser Darstellung werfen sich die Opel-Betriebsräte an den rettenden Busen der Kanzlerin.

Dass die Krise des Konzerns allen Belegschaften, egal ob in Amerika, in Deutschland oder sonst wo in der Welt, deutlich macht, von welchem Mist ihre Lebensinteressen eigentlich abhängen; dass sie also allen Grund hätten, zusammen gegen die Geltung dieser Profitrechnung vorzugehen, die gerade dabei ist, ihre Existenzen in Frage zu stellen – so etwas kommt ihnen nicht eine Sekunde in den Sinn. Sie verstehen sich als deutsche Opelfamilie, die keine Arbeiterklasse und deren gemeinsame Lage kennt, sondern in der Belegschaft und Führung gemeinsam mit der deutschen Regierung ein letztlich nationales Interesse verteidigen – den Erhalt des Opel-Kapitals als Basis guter deutscher Arbeitsplätze. Dafür schüren sie bedenkenlos antiamerikanische Ressentiments.

Die Quittung folgt auf dem Fuß. Die angesprochenen Politiker rechnen nämlich ein wenig anders. Sie fordern, dass sich ein Investor findet, der in Opel eine gute Geldanlage für die Vermehrung seines Kapitals entdeckt. Einfach nur Arbeitsplätze retten, ist keine nationale Angelegenheit – rentabel müssen diese schon sein, heißt ihre Auskunft. So denken die Betriebsräte einerseits auch, schließlich wässern sie mit eben dieser Behauptung, die Opel-Arbeitsplätze seien fürchterlich rentabel und dürften genau deshalb auf keinen Fall wegfallen, durch die deutsche Medienlandschaft. Andererseits kriegen sie jetzt aber zu spüren, dass es so etwas wie Rentabilität nicht als objektive Eigenschaft einer Arbeitsmannschaft gibt, wie sie es sich gerne zurechtlegen. Die deutsche Regierung lässt sich schlicht durch das handfeste Interesse der potentiellen Investoren „beweisen“, wie rentabel Opel bzw. die einzelnen deutschen Opel-Bestandteile für deren Gewinnkalkulationen sind. Und die rechnen sich eben nüchtern durch, wie die angebotenen Werke in ihre Kalkulationen passen, wie sich dafür möglicherweise die angebotenen staatlichen Subventionen oder die aufgemachten Bedingungen der involvierten Bundesländer auswirken etc. Auf diesen Ebenen wird also tatsächlich über die Zukunft der Opel-Arbeiter entschieden – während die Betriebsräte sich als kompetente Zweitgutachter aufspielen, die so tun, als hätten sie auch über die Angebote zu urteilen und könnten sich dasjenige rausfischen, das ihnen am besten passt.

Blamiert sehen sich die Betriebsräte damit nicht. Ganz im Gegenteil legen die beiden sofort jede Menge Angebote in Sachen Lohn und Leistung vor. Denn soviel ist ihnen wie immer sonnenklar: Für den Beweis, dass Opel-Arbeitsplätze in Zukunft super-rentabel sein können, müssen neue  Sonderangebote gemacht werden bezüglich der Streichung von Lohnanteilen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ganz so, als ob diese nicht zum notwendigen Lebensunterhalt der Arbeiter gehören würden. Schon bevor überhaupt ein Investor feststeht, lassen die Betriebsräte ihre Belegschaft antreten zur Abstimmung über freiwilligen Lohnverzicht und blamieren damit die Gewerkschaftsforderung der letzten Tarifrunde. Hatte es da noch geheißen, Arbeiter brauchen höhere Löhne, weil die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, so zählt das Argument jetzt nicht mehr. Ein Arbeiter kann auch mit weniger Geld auskommen, auch wenn die Preise steigen – Hauptsache, Arbeitsplatz!

Und nicht mal das erklären sie zur „roten Linie“. Dass bei der Sanierung von Opel nicht jeder Arbeitsplatz gerettet werden kann, ist ihnen nämlich auch kein Geheimnis. Im Gegenteil: Entlassungen sind ausgemachte Sache. Deshalb gilt ihre Sorge um so mehr der Frage, wo diese stattfinden werden. Und da gibt es auch zwischen den beiden Kämpfern für „Opel“ Unterschiede. Während es für Klaus Franz klar ist, dass die Rettung von Opel vor allem die Rettung von Rüsselsheim einschließt und man ansonsten über das eine oder andere Werk reden könne, will Rainer Einenkel Bochum bei der Sanierung berücksichtigt sehen. So lässt man sich auch auf dieser Ebene gegeneinander ausspielen, wenn und weil man sich selbst auf die eigene Abhängigkeit festnagelt: Als Angehöriger eines Betriebs und abhängig von dessen Wohl und Wehe steht man dann mit diesem in einer Front gegen andere, die es im Ernstfall (Krisen- oder Marktbereinigung muss eben sein) ruhig treffen soll! Wenn in den Planungen Antwerpen oder ein anderer Standort gestrichen werden soll, gibt man sich natürlich fürchterlich betroffen und verspricht Solidarität ...

Es geht schon in Ordnung, wenn Steinmeier Klaus Franz in diesem Jahr als „Manager des Jahres“ vorschlägt!

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Stichwort:

Der Betriebsrat

eines Unternehmens, ob bei Opel oder anderswo, hat eine bemerkenswerte Aufgabe. Er soll die Belange der Arbeitnehmer in einer Firma vertreten und dabei vertrauensvoll mit der Betriebsleitung zusammenarbeiten – so steht es im Betriebsverfassungsgesetz. Nun gibt es zwischen den Beschäftigten und dem Betriebszweck einen harten und sachlich unversöhnlichen Gegensatz: Was die einen als Lohn bekommen, um ihr Leben zu bezahlen, ist für die Firma Abzug von ihrem Gewinn; was das Unternehmen als Arbeitszeit und -leistung fordert, kostet ihre Mannschaft Freizeit und Lebenskraft. Mit diesem Gegensatz haben beide Seiten dauernd zu tun, wenn die Gewerkschaft um Lohn streitet, Überstunden anfallen, Kündigungen ausgesprochen werden oder einfach tagtäglich bei betrieblichen Kleinigkeiten – das ist eine der fundamental schönen Seiten unserer kapitalistischen Wirtschaft. In diesem Dauerstreit soll auch der Betriebsrat mitmischen, und zwar – so sieht seine staatlich definierte Aufgabenstellung aus – anders als die Gewerkschaft, die die Arbeiter in Lohnfragen vertritt, im betrieblichen Alltag.

Ein Betriebsrat vertritt die Interessen seiner Kollegen von vornherein unter einer ganz bestimmten Maßgabe. Nämlich so, dass sie zu den Erfolgsrechnungen der Firma passen. Die gesetzlich vorgeschriebene Bedingung seiner Arbeit heißt Friedenspflicht und besteht darin, vom ersten Augenblick an anzuerkennen, dass das Unternehmen und dessen Kalkulationen mit Einsatz und Entlohnung der Arbeiter die alles entscheidende Größe sind, für die dann alle „vertrauensvoll“ zusammenarbeiten. Diesem Zweck entsprechend sehen seine organisatorischen Befugnisse aus: Über wirtschaftliche Entscheidungen der Firma wird er informiert; bei Kündigungen darf er Stellung nehmen oder widersprechen, ohne dass das die Entscheidung außer Kraft setzt; eine echte Mitbestimmung hat er bei den sog. „sozialen Belangen“ (Überstundenregelung, Beginn der Arbeitszeit, Einführung von Schichtarbeit etc.) Was ist nötig an betrieblichen Maßnahmen, was fällt unter „Schikane“? Was muss man hinnehmen, wo hat man eventuell Rechte auf seiner Seite?  Wo darf sich der Betriebsrat einmischen, wo ist er vielleicht zu Unrecht übergangen worden usw. usf. – das sind die Fragen, die Betriebsräte beschäftigen.

Ihre Arbeit besteht also, kurzgefasst, darin, das Interesse der Lohnarbeiter in jedem Punkt als abhängige Variable der betrieblichen Gewinnrechnung zu unterstellen und dann im Bewusstsein dieser ganz und gar einseitigen Abhängigkeit zu vertreten. Damit personifizieren Betriebsräte die Lüge, dass die Interessen an Profit und an Lohn so unverträglich gar nicht sein müssen, wenn nur klar ist, wie es um ihre Rangordnung bestellt ist und darauf geachtet wird, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Diese Tätigkeit hat ihre Sternstunden, wenn es um die ganz große Abhängigkeit geht – die Arbeitsplätze selbst. Wenn die zur Disposition stehen, ist für einen Betriebsrat sofort klar, was zu tun ist. Man muss um sie kämpfen. Ohne dass er darüber überhaupt nachdenken müsste, steht ihm die ganze Kette der Abhängigkeiten vor Augen: Damit überhaupt etwas zu verdienen ist, muss es Arbeitsplätze geben. Und damit gearbeitet werden kann (und ein Betriebsrat aufpassen kann, dass dabei alles seine Ordnung hat), muss es unbedingt eine funktionierende Profitrechnung geben.

Während die Betriebsräte im normalen kapitalistischen Alltag damit beschäftigt sind, die Ohnmacht der Arbeiter gegenüber den Ansprüchen des Betriebs festzuschreiben, indem sie Tag für Tag dafür einstehen, dass die Interessen des Arbeiters dann am besten bedient werden, wenn der Betrieb maximalen Gewinn aus ihm herausschlägt, drehen sie diese Gleichung dann, wenn ein Unternehmen Leute entlassen oder einen Standort ganz dichtmachen will, in eine Forderung um: Sie verlangen vom Kapital, dass es sie gefälligst weiter zu seinem Nutzen ausbeutet und beweisen dafür aller Welt, dass das auch geht. Die Pläne des Unternehmens sind ungerecht und dumm, weil die Arbeitsplätze bis gestern doch noch rentabel waren; die „Nieten in Nadelstreifen“ werden beschuldigt, in ihrem Job versagt zu haben. Die Betriebsräte präsentieren sich als eigentliche Manager, die jederzeit besser imstande wären, die Arbeitsplätze so zu organisieren, dass sie erstens rentabel und zweitens erhalten blieben. So sehr machen sie sich den Standpunkt zu eigen, dass das Wohlergehen des Betriebs die einzige und dann natürlich auch beste Basis für die Arbeiterinteressen ist, dass sie als Fanatiker der eigenen Fabrik ohne weiteres staatliche Hilfe für ihr Werk und gegen andere Standorte – seien es eigene Werksteile, seien es die von Konkurrenten – verlangen.

Arbeiter auf ihre Ohnmacht festnageln, sie in dem falschen Bewusstsein verstärken, dass sie nur dann zu Potte kommen, wenn sie sich alle Ansprüche des globalisierten Kapitals einleuchten lassen und um diese schönen Arbeitsplätze als ihre Existenzgrundlage zu betteln – das ist es also, was Betriebsräte in dieser Republik Tag für Tag leisten – ob bei Opel oder sonst wo.

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Rechtsradikale und ihr Gedankengut

Zuspitzungen des als normal geltenden bürgerlichen Nationalismus

Neonazis werden mehrheitlich abgelehnt, von einigen antifaschistischen Aktivisten sogar leidenschaftlich gehasst und als Hauptfeind betrachtet und behandelt. Nicht so klar ist, warum eigentlich. Die viel beschworene „geistige Auseinandersetzung“ mit ihnen findet nämlich nicht statt. Zu hören bekommt man – als spräche das schon für sich selbst – dass sie undemokratisch, unsolidarisch, ausländerfeindlich sind, ewiggestrige Rassisten, Anhänger einer Blut-und-Boden-Volksgemeinschaft und eines dieser verpflichteten Unrechtsstaates. Man beschuldigt sie also der Abweichung vom Gebotenen – als wäre dieses fraglos in Ordnung und sakrosankt. All die Negativattribute drücken nur eins aus: Die radikal Rechten vertreten lauter Standpunkte, die hier bei uns, in diesem unserem Land, nichts zu suchen haben, nicht hierher passen. So als ob nicht schon die Einordnung ganz rechts außen im demokratischen Spektrum der Positionen („rechtsradikal“) andeuten würde, dass es bei allen Unterschieden durchaus auch Gemeinsamkeiten zu den anderen geben muss. Die geistige Auseinandersetzung mit diesen Leuten reduziert sich darauf, partout nichts mit ihnen zu tun haben zu wollen. Man projiziert diesen Unwillen, sich mit deren Auffassungen auseinandersetzen zu wollen, auf sie und spricht ihnen ab, überhaupt für etwas Befassenswertes zu stehen: „Rechtsradikales Gedankengut ist gar keine diskussionswürdige Meinung, sondern schlicht ein verbrecherischer Unfug!“. Seine Anhänger gehören mit allen Mitteln moralisch geächtet und aus dieser Republik ausgegrenzt.
Das ist ein wenig billig. Wenn man ernstlich was gegen die Rechtsradikalen hat, dann sollte man sie auch gründlich kritisieren. Wer sich darum bemüht, dem wird allerdings auffallen, dass das ohne eine Kritik der demokratisch-marktwirtschaftlichen Staatsraison und des an sie anknüpfenden gewöhnlichen Nationalismus gar nicht zu machen ist.

„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“

Die Scheidung zwischen In- und Ausländern haben nicht Faschisten erfunden, die ist Sache eines jeden Staates. Selbstverständlich definiert auch die demokratische Herrschaft, wer zu ihrer ureigenen nationalen Ressource, dem Volk, gehört, und bestimmt, welcher Ausländer sich unter welchen Bedingungen auf ihrem Hoheitsgebiet aufhalten darf. Dass der Auswärtige sich für dieses Privileg nützlich zu machen hat und uns keinesfalls auf der Tasche liegen darf, ist nicht nur jedem Demokraten sonnenklar, sondern Gesetzeslage. Im demokratischen Deutschland wird in den Ausländerbehörden heftig sortiert, werden Aufenthaltstitel gewährt oder verweigert, wird im Bedarfsfall ausgewiesen und – wenn nötig mit Hilfe von Polizeigewalt – abgeschoben.

Diese praktisch bewährte Ausländerpolitik demokratischer Staaten radikalisieren die Rechten, wenn sie darauf bestehen, dass Deutschland um seines Erfolgs willen ausschließlich und ohne Ausnahme auf das eigene Volk als seine Basis setzen sollte. Ausländer sollten nach ihrem Geschmack gar nicht erst in brauchbar oder nicht brauchbar sortiert, sondern gleich als fragwürdiges Gesocks, das nie so bedingungslos treu wie das deutsche zum deutschen Staat halten würde, ausgegrenzt werden. Die Fremden sind es in ihren Augen nicht wert, dass deutsche Volksgenossen mit ihnen um Jobs konkurrieren sollten – das sollte sich die Obrigkeit hinter die Ohren schreiben. So machen diese Anhänger des starken deutschen Staats ihren Frust darüber geltend, dass ihr Dienstwille nicht so honoriert wird, wie sie es gerne hätten. Sie bilden sich ein, dass daraus, dass sie das gute brave Volk sind und sein wollen, ein Recht folgt. Sie fordern, dass ihre Loyalität und ihr Angebot, sich nützlich zu machen, auch „belohnt“ wird – mit Arbeitsplätzen vielleicht, aber auch damit, dass das „Undeutsche“ aus den Städten verschwindet, die Fremden so schikaniert werden, dass sie wieder weggehen usw. usf.. Sie schwingen sich als Feinde der Ausländer auf, sofern die Rechte genießen, die angeblich nur ihnen selbst zustehen und wollen nicht wahrhaben, dass Staaten etwas freier mit eigenen oder fremden Untertanen kalkulieren. Der Standpunkt der herrschenden demokratischen Politik, die aktuell an Millionen hier ansässiger Ausländer deren Nützlichkeit vermisst und mit dem Anspruch auf Integration die Alternative von Eindeutschung in unsere Volksgemeinschaft oder Rauswurf eröffnet, ist ihnen nicht insofern längst konsequent genug.

Propagiert wird das „Ausländer raus!“ also als Anspruch des guten Deutschen gegenüber seiner Obrigkeit. Auch das ist keine spezielle Verrücktheit der Rechten: Wer die Herrschaft über sich als seine erste Lebensgrundlage anerkennt, sie als Organisation eines Gemeinwesens interpretiert, in dem letztlich alle ihrem Beitrag zum großen Ganzen entsprechend zu ihrem Vorteil kommen, der nimmt sich auch das Recht heraus, für seine Dienste am Gemeinwesen Ansprüche an es zu stellen. Und die haben – auch im demokratischen Deutschland 2010 – zu allererst zum Inhalt, dass diejenigen, die nicht zu unserer hohen Gemeinschaft gehören, schlechter gestellt oder gleich rausgeschmissen gehören.

Wem die Inbeschlagnahme der Menschen als Volk, die verkehrte und schädliche Stellung der Leute zu ihrer Unterwerfung und die staatliche Aus- und Einsortierung der Ausländer nicht passt, kommt nicht umhin, das staatliche Gewaltmonopol als solches zum Gegenstand seiner Kritik zu machen. Liegt es denn nicht näher, an der aktuellen bundesdeutschen Ausländerpolitik Kritik zu üben? An einer Politik, die schon jetzt ganz real und machtvoll – und ohne jede faschistoide Verirrung – in Sachen Sortierung und schäbiger Behandlung von Ausländern alles im Programm hat? An einer Politik, die ihr Ziel, alle Ausländer für ihre Ökonomie und ihr Staatsprogramm nützlich zu machen, mit Ersaufenlassen im Mittelmeer, Einknasten in Asylantenheimen, Dulden, Abschieben bis hin zur praktizierten Forderung nach Integration mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgt. Soll man da ausgerechnet die rechtsradikalen Verlängerungen dieses gültigen Standpunkts gegenüber den Ausländern, die nicht Gesetzeskraft erlangen, als unerträgliches Verbrechen zum Skandal zu machen? Und so die regierungsamtliche Ausländerpolitik verharmlosen?

„Ich bin stolz ein Deutscher zu sein!“

Ein Volk ist nicht nur von der Staatsgewalt zum Zwecke seiner Indienstnahme unterworfen; es will Volk sein und es begreift sich als solches – in der verwandelten Form der Volksgemeinschaft. Daran ist schon auf den ersten Blick zweierlei bemerkenswert. Erstens kennzeichnet es diese Gemeinschaft, dass es von Gegensätzen aller Art unter ihren Mitgliedern nur so wimmelt: Unternehmer – Angestellter, Mieter – Vermieter, Käufer – Verkäufer, Finanzamt – Steuerbürger, Lehrer – Schüler usw. Schon daraus wird deutlich, dass es sich zweitens bei dieser Gemeinschaft um eine Zwangsgemeinschaft handelt, die nicht auf der Grundlage freier Beschlüsse ihrer Mitglieder zustande kommt. Ein Volk ist kein etwas größer ausgefallener Fußballverein. Ein Volk ist die Menge von Leuten, die sich einer herrschaftlichen Gewalt zurechnen bzw. zurechnen lassen und sich gerade mit all den zwischen ihnen existierenden Gegensätzen von dieser als Basis und Ressource für die Notwendigkeiten des nationalen Erfolgs in die Pflicht nehmen lassen.

Von alledem ist abgesehen, wenn man das nationale „Wir“, zu dem die Gewalt des Staates die Leute zusammenfasst, zu einem großen Miteinander idealisiert. In Gestalt dieser Gemeinschaft definiert sich das Volk als ein eigenes, besonderes, grenzt sich ab von anderen Völkern, sucht und findet unter tatkräftiger Anleitung von oben seine Wurzeln, seine Geschichte, seine Kultur usw. Weil all seine besonderen Eigenschaften ganz speziell sein Volkstum kennzeichnen und ehren, kann das Volk stolz auf sich sein. Das ist zwar alles nur eingebildeter Unsinn: Menschen haben eh keine Wurzeln wie ein Johannisbeerstrauch, und schon gar nicht in einer Geschichte, die andere gemacht haben und von deren wenig erbaulichen Begebnissen man eigentlich gar nichts weiß. Und auch nicht in irgendwelcher Kultur, für die man nur drei Namen nennen kann (Goethe, Schiller und ?), die man aber ganz heftig als die eigene beschwört. Dennoch oder gerade deswegen ist jeder Hinz und Kunz, der sich als Teil eines solchen Volks eine zweite Identität imaginiert, gleich zwei Köpfe größer als ohne diesen Quark. Man ist dann auch nicht Untertan irgendeiner Herrschaft, sondern Mitglied genau dieser einen ehrbaren Nation, gehört letztendlich mit all seinen Volksgenossen zu diesem einen national bestimmten besonderen Menschenschlag. Gelegenheit zum Ausleben dieses Stolzes gibt es immerfort: Von der Verachtung des Ausländers im Alltag über die Anerkennung der Durchsetzungskraft unserer Kanzlerin auf dem internationalen Parkett bis zum Mitfiebern mit den nationalen Sportgrößen.

Speziell mit Faschismus hat all dies nichts zu tun. Die eingeborenen Insassen unserer zivilisierten bundesdeutschen Demokratie lassen keinen Zweifel daran, dass sie verdammt deutsch sind und es sein wollen. Sie werden dazu angehalten, diese ihre zweite Natur als Nationalstolz zu pflegen, und tun dies bei jeder nur denkbaren Gelegenheit: Sie drücken unseren Balltretern die Daumen und feiern Lena, die für unser „sympathisches“ Deutschland gewonnen hat! Seit Jahren läuft  in eben diesem sympathischen Deutschland die Debatte, ob und mit welchen Anstrengungen „Menschen mit Migrationshintergrund“ es schaffen können, ununterscheidbarer Bestandteil der famosen Volksgemeinschaft zu werden, auf die sie im Erfolgsfall nicht stolz zu sein hätten, sondern es einfach wären! Also einerseits ganz klar: Wer meint, Nationalstolz erst bei Faschisten entdecken zu können, der hat ganz offenbar Entscheidendes verpasst! Andererseits reicht den Rechten dieser weiß Gott schon genügend nationversessene Haufen eben immer noch nicht. Sie finden Deutschland und seine Deutschen darin blamabel, dass die eigene nationale Begeisterung immer noch thematisiert und damit immer auch ein bisschen problematisiert wird. Auch wenn sich dabei alle einig sind, dass es das normalste von Welt ist, die eigene Nation zu lieben und zu feiern und sich freudig überrascht geben, wie locker die deutsche Jugend dieses gestern noch etwas anrüchige Verhalten heute rüberbringt – all das ist für die Rechten ein einziger Beweis dafür, dass das deutsche Volk noch längst kein freies und „natürliches“ Verhältnis zu sich einnimmt, sondern insgeheim immer noch die Reflexe des verlorenen Kriegs in ihm nachwirken.

„Die globale Krise zerstört unsere Wirtschaft - kauft deutsche Produkte!“ -  „Volksgemeinschaft statt Globalisierung!“

Dass die Wirtschaft unsere ist, das gemeinsame Sorgeobjekt von allen guten Deutschen, ob nun Arbeitgeber oder -nehmer, diese Interpretation der deutschen Klassengesellschaft beherrscht offenbar nicht nur der DGB, nein, auch die NPD. Als ob der Inbegriff dieser unserer Wirtschaft nicht darin bestünde, dass die Eigentümer der Produktionsmittel durch die möglichst ausgiebige und kostengünstige Anwendung der Eigentumslosen und deshalb Lohnabhängigen den Profit erwirtschaften, auf den alles ankommt!

Sogar um die Binnenkonjunktur sorgen sich die Rechten auf ihre Art – zusammen mit allen Profis und Amateuren des volkswirtschaftlichen Sachverstands – und wissen, dass „der Konsum“ diese anzukurbeln hat. Bei Lichte betrachtet ein vernichtender Befund über diese Wirtschaftsweise: Dass die Versorgung der Leute nicht Zweck der Ökonomie ist, ist eine Selbstverständlichkeit; was die Leute zum Leben haben, zählt einzig und alle als Funktion für gelungene Geldvermehrung.

Auch die strammen Rechten setzen also auf einen erfolgreichen Kapitalismus als Quelle des nationalen Reichtums. Nur soll doch bitte deutsche Lohnarbeit deutsches Kapital vermehren, das auf deutschen Märkten seine Gewinne einfährt; nicht, dass am Ende noch das Ausland an uns verdient oder uns in seine Krisen hineinzieht! Und sogleich werden sie von den demokratischen Führern des deutschen Kapitalismus blamiert: Wir sind der zweitgrößte Exporteur der Welt, unsere Wirtschaft bedient sich des gesamten Globus' als Anlagesphäre! Sprich: Wir nutzen die ganze Welt als Reichtumsquelle! Dafür, dass das so bleibt, und dafür, dass globale Krisen so abgewickelt werden, dass wir stärker als die Konkurrenz aus ihnen hervorgehen, sorgt deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik! So befördert man deutsches Wachstum!

Ein schöner Streit unter nationalen Führern an der Macht und in der Opposition – noch dazu mit eindeutigem Ergebnis! Da ist es schon ganz schön hart (im Sinne einer modernen imperialistischen Benutzung des gesamten Globus), dem Standpunkt der Rechten, die nationalen Potenzen der Ökonomie hätten sich in der Nation zu entfalten, verbrecherischen Irrsinn zu attestieren und damit den praktizierten Außenhandel der deutschen Wirtschaft zum Normalsten von der Welt zu erklären.

„Arbeitsplätze zuerst für Deutsche – sozial geht nur national“

Da machen die Rechten zur Parole, was in den Gesetzen zur Arbeitsvermittlung schon längst als gültige Richtlinie verankert ist. Dass die Massenarbeitslosigkeit mit Blick auf die Millionen unnützer wie in Lohn und Brot stehender Ausländer im Land mehr eine nationale als ein soziale Frage ist, behaupten demokratische Politiker nicht nur, sie gestalten ihre Regierungstätigkeit nach diesem Befund und schärfen ihren Blick auf die Zugereisten. Dass das Kapital mit der Steigerung der Produktivität der Arbeit zwecks Steigerung ihrer Rentabilität Lohnarbeiter jeder Nationalität immerfort massenhaft überflüssig macht, braucht sie nicht zu interessieren. Ihr Job ist es, die zu ihrem Kapitalismus notwendig dazugehörigen sozialen Verwerfungen im nationalen Sinne zu verwalten. Den nationalen Blickwinkel nehmen im übrigen auch andere Beteiligte ein: Hat nicht jeder Unternehmer hierzulande die Macht, einen Ausländer deshalb nicht einzustellen, weil er nicht zur Volksgemeinschaft gehört, oder nur dann, wenn der sich in der Lohnfrage nochmal extra bescheidet? Führen nicht deutsche Betriebsräte ganze Belegschaften in den Lohnkampf, nicht gegen ihre Arbeitgeber, sondern gegen die Belegschaften auswärtiger Standorte, damit deutsche Arbeiter und nicht die außerhalb in den Genuss von Arbeitsplätzen kommen, damit unser und nicht deren Standort gestärkt wird? Geht da nicht auch sozial nur national?

Wieder ist das speziell Rechtsradikale an dieser Stelle nur die Übertreibung: Der nationale Gesichtspunkt wird für den Geschmack dieser Burschen viel zu wenig gewürdigt, obwohl sich ihm doch alles vollständig unterzuordnen hätte. Das wollen die ändern.
 
„Raus aus Afghanistan – kein Blut für die USA!“

Der Standpunkt kommt einem doch bekannt vor! Hat nicht ein Kanzler namens Schröder die Beteiligung am Irakkrieg deshalb verweigert, weil er in diesem Waffengang einfach keinen nationalen Nutzen mehr erkennen konnte? Gibt es gleichartige Stimmen in deutscher Politik und Öffentlichkeit nicht auch in Bezug auf unseren Einsatz in Afghanistan? Sind hier nicht überhaupt die Drangsale des aufstrebenden deutschen Imperialismus nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes wiederzuerkennen? Eines Imperialismus, der aus eigener Kraft die Welt nicht ordnen kann, als Mitordner neben den USA aber Gefahr läuft, als deren Hilfstruppe missbraucht zu werden! Hören wir da von den extremen Rechten nicht genau die in der deutschen Öffentlichkeit hin und her gewälzten verkehrtesten, weil affirmativsten Gründe gegen Krieg? Den man nicht führen soll, weil er sich nicht wirklich fürs Vaterland lohnt?
Sollte man da nicht lieber den amtierenden Befehlshabern unserer Wehrmacht und und ihrem Fußvolk entgegentreten, die offenbar imperialistische Erfolge kennen, für die sie sofort über Leichen gehen? Wenn's denn nur der eigenen Nation nutzt! Wäre diese Parole nicht Anlass genug, die Leute dazu aufzuhetzen, mal nicht mehr Volk sein zu wollen, weil das nämlich unter dem Kommando von Faschisten wie Demokraten für die nationale Sache auch noch in den Krieg ziehen darf? Anstatt aus ihr zu folgern, dass eine in Deutschland ansässige Minderheit von Neonazis verboten gehört, von einer Staatsgewalt, die gerade Krieg führt?

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Also: Lauter Beiträge zu anerkannten nationalen Problemlagen, zu den zweifelhaften Kriegen Deutschlands, zum „Ausländerproblem“, zum „Arbeitslosenproblem“, zur Frage des inneren Zusammenhalts der Nation usw. usf. haben die Rechten im Programm. Von wegen „die Ewiggestrigen“! Alle nationalen Herausforderungen der Merkel-Republik wollen sie radikal und abschließend meistern; sie sind zugleich die kritischsten wie die fanatischsten  Anhänger des heutigen Deutschland.

Dass das nicht deutsch genug regiert wird, ist ihr Drangsal. Ihr Idealismus von Nation lautet: Wenn die Herrschaft nach innen und außen nur bedingungslos den Standpunkt der Nation hochhält und durchsetzt, wenn der Staat stark ist, das Volk einig und Oben und Unten zu einer Einheit verschmolzen sind, dann ist der nationale Erfolg garantiert! Die herrschende Politik bezichtigen die Rechten des Hochverrats, weil sie das Recht der Nation auf Entfaltung ihrer Macht im Gemeinwesen und nach außen mit Füßen tritt! Von wegen, solche Kritik passe nicht zu dieser Republik! Sie ist in ihrer ganzen Radikalität die adäquate Sumpfblüte des Erfolgs der deutschen Demokratie.

Ausgerechnet diesen nicht regierungsamtlichen, extrem konsequenten Exzess von Verantwortung für Deutschland zum exklusiven Gegenstand seiner Kritik zu machen und nicht dessen solide Basis, die real existierende deutsche Herrschaft und Staatsraison, ist ein Fehler.

Dass die Antifa in ihrem Kampf gegen rechts ausschließlich auf Ächtung und nie auf Kritik verfällt, hat seinen schlechten Grund: All die hehren nationalen Güter, die die Nazis bei den demokratischen Parteien so schlecht aufgehoben sehen, sind der Antifa selbst hoch und heilig – in ihrer idealisierten Fassung! Sie ist für die Nation als wahrhaft freie Gesellschaft, für nationale Identität, wenn diese andere Nationalitäten achtet oder gar bereichert, für das deutsche Wesen in der Welt, wenn es Frieden und nicht Krieg bringt, für Marktwirtschaft, wenn sie solidarisch gestaltet ist usw. Für eine Kritik der Rechten müsste sie glatt ihren eigenen Einbildungen über die eigentliche, wahre Demokratie fahren lassen.

Solange sie das nicht tut, streitet ihr nationaler Idealismus mit dem der Rechten, während diese Republik Land und Leute für die Größe Deutschlands in der Welt herannimmt, dass es nur so scheppert.

Lesetipp:
Das aktuelle Stichwort: Nation

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Die Regulierung der Finanzmärkte

Auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh beschließen die führenden kapitalistischen Staaten einige neue Regeln für Finanzmärkte. Bei aller Konkurrenz, die auf dem Gipfel zutage tritt, ist man sich in einem Punkt so einig, dass er normalerweise unerwähnt bleibt, weil er allen Beteiligten so selbstverständlich ist:

Von dem erfolgreichen Geschäft mit Krediten, Anleihen, Aktien oder Verbriefungen hängt das gesamte Wirtschaftsleben der Nationen ab und das soll auf jeden Fall so bleiben. Also müssen die Finanzgeschäfte unbedingt wieder funktionieren – und zwar möglichst störungsfrei, bitte schön!

Die Wirtschaftspresse schwankt zwischen Skepsis:

„Die große Umverteilung soll offenbar so weitergehen wie bisher.“ (SZ, 24.09.) und verhaltener Begeisterung: „Pittsburgh macht es möglich: Der Kapitalismus wird künftig ein bisschen stabiler.“ (FaS, 27.09.)

Einige grundsätzliche Anmerkungen:

1. Von wegen, jetzt erst werde der Finanzsektor reguliert: Ohne Regeln ging das Geschäft auch bisher nicht ab. Jeder potente kapitalistische Staat, der auf Kredit- und Börsengeschäfte aller Art setzt, um sein Wirtschaftswachstum anzukurbeln, hat immer schon diverse Regularien in seinem Rechtssystem verankert. Damit das Überlassen von Geld und Kapital an andere überhaupt zustande kommt, damit das vertrauensvolle Spekulieren auf die Teilhabe an fremden Gewinnen überhaupt zustande kommt, sind jede Menge staatliche Rechtsverfügungen vonnöten. In einem solchen Geschäftszweig wird nicht nur Geldreichtum vermehrt (oder vermindert), es werden auch Interessenskollisionen aller Art erzeugt, so dass der Staat einiges zu regeln hat. Natürlich haben Staaten auch „dereguliert“: Die Freiheit des Finanzgewerbes und deren segensreiche Wirkungen auf die Wirtschaft des Kapitals sollten ja nicht erstickt werden.

2. Mit all diesen Regeln ist die Megakrise zustande gekommen; nicht in irgendwelchen Schlupfwinkeln oder Steueroasen, sondern mitten im Zentrum der weltweiten staatlich kontrollierten Finanzindustrie. Das Gerede vom Fehlverhalten schwarzer Schafe oder von Fehlentwicklungen einzelner Märkte führt da nicht sehr weit: Alle Finanzinstitute dieser Welt haben mit ihren Geschäften den Break-down herbeigeführt. Da wurde zwar ein bisschen von Systemkrise gefaselt und davon, dass einiges „auf den Prüfstand“ gehört; aber ein ernsthafter Gedanke, dass Kapitalismus und Krisenexzesse zusammengehören, war das natürlich nie – genausowenig wie irgendwas „geprüft“ worden ist. Kapitalistische Staaten setzen auf das Prinzip ihres Finanzüberbaus; und auch besonders kritische Journalisten versteigen sich höchstens bis zu der Nachfrage, ob da nicht Fehlentwicklungen passiert seien. Und die größte Fehlentwicklung wird gleich gemeinsam ins Visier genommen: „Zu wenig regulierte Finanzmärkte!“

3. Also entwickeln tausend offizielle Kommissionen und noch mehr inoffizielle Klugscheißer in irgendwelchen Redaktionen eine Idee nach der anderen, wie man zukünftige Krisen durch mehr und bessere Regeln von Staats wegen verhindern oder eindämmen kann, von denen nun einige beschlossen wurden: Strengere Verschuldungsgrenzen für Finanzinstitute, Schaffung eines eigenen Insolvenzrechts für Banken, Beschränkung der Manager-Boni. D. h. Zwänge und vor allem Anreize zur Risikobegrenzung sollen installiert werden, so dass alle Finanzgeschäfte weiterlaufen können, aber auf soliderer Basis, ohne Crash-Potenz. Alle so denkenden Weltverbesserer knabbern dann an der Abgrenzung, wo das „solide Geschäft“ aufhört und das „riskante Zocken“ anfängt. Es war eben immer schon und bleibt ein anspruchsvolles Unterfangen, ausgerechnet Spekulation sicher(er) machen zu wollen ...

4. Zumal sich für die Reformierer der Finanzmärkte sofort eine weitere Frage stellt: Was, wenn man voll guter politischer Absicht, das böse Geschäft zu unterbinden, stattdessen auch das gute Geschäft abwürgt? Oder wieder, wie schon in der Vergangenheit, Banken und andere auf Gewinne geeichte Institute zur Umgehung von Regeln verleitet und somit erst recht „Intransparenz“ und „unkontrollierbare Risiken“ fördert?

5. Solche Nachdenklichkeit wird weiter angespitzt durch die Frage nach den möglichen Folgen. Wenn „wir“ unseren Markt stärker an die Kandare nehmen, unsere Banken kujonieren, wo gehen die Geschäfte und deren Betreiber dann hin? Anderswohin, wo die Regeln weniger behindern. Daher wird unisono beteuert, dass ein nationaler Alleingang in die „Falle“ führe. Also kommt die Forderung auf: Weltweit müssen alle Staaten mit einer Stimme sprechen, wir brauchen internationale, für alle gleichermaßen gültige Regeln.

6. Diese aus Eigeninteresse herrührende Mahnung an andere (oder sogar an sich selbst), hier die Konkurrenz der Nationen und ihrer Finanzplätze mal hintan zu stellen für ein gutes Werk, das allen zugutekommt, ist nicht misszuverstehen. Hinter ihr steht gleich die Absicht, die anstehenden allgemeinen Regeln im eigenen Sinne zu beeinflussen. Jeder Staat fragt sich (neben seinen Zweifeln, ob Regulierung nicht sowieso geschäftsschädlich ist), welche Variante der eigenen Nation in Relation zu anderen Vorteile oder Nachteile einspielt. Die Regulierungs-Debatte wird, vor allem in Deutschland, als Gelegenheit gesehen, die Dominanz der angelsächsischen Finanzplätze anzukratzen. Die Nationen setzen darauf: Wer die Regeln des Weltfinanzmarktes bestimmt, dem gebührt der Respekt und das zukünftige Vertrauen der Akteure, die sich auf diesem tummeln; sie hoffen, damit die Krise bei sich zuerst, zu ihrem Vorteil und auf Kosten der anderen beenden zu können.

Dass die nun beschlossene Neuregelung der internationalen Finanzmärkte keine Krisenverhinderung ist, weiß schon jeder brave Journalist. Und genauso sagt er es auch, entweder  mit gespielter Enttäuschung oder mit voll abgebrühtem Durchblick.

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