Die Welt unter ein Prozent

Die Landtagswahlen aus der Sicht der unters Rad gekommenen ...

„Doch wir können um die Gemütsverfassung unserer Freunde beruhigt sein: sicherlich haben sie die »Analyse« des Ergebnisses schon im Druck: es war Betrug im Spiel! Wieder einmal sind die Volksmassen auf die Demagogie der Dregger und Strauß hereingefallen.“ (MSZ 1/1974)

„Die Erfolge für Strauß und Dregger sind besorgniserregend, weil sie zeigen, daß viele Millionen Menschen in unserem Volk durch die Demagogie der Rechtskreise Irregeführt werden.“ (UZ, 8. 11. 1974)

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Bayern und Hessen aus der Sicht der Opfer ist ein anderes als das wirkliche Ergebnis: heißt der Sieger in diesem eindeutig CDU/CSU, so strahlt in jenem z. B. die „KPD“, hat sie doch „mit ihrer Beteiligung an den Landtagswahlen in Bayern und Hessen einen großen politischen Sieg errungen.“ (DVD(1) Nr. 23) Den vertrauensseligen Leser der Tageszeitung, mehr noch den Bewunderer von Rudolf Rolinger mag dies verunsichern, tauchte die „KPD“ doch im Wahlergebnis von Bayern mit 0,0 % auf, jedoch die Jungs von der „Roten Fahne“ haben statt Hochrechnungen ihren Freundeskreis eingesetzt und enthüllen das wirkliche Ergebnis im Freistaat: „KPD: 0,1 %“ (Rote Fahne Nr. 44) und das ist nicht gemogelt, sondern parteilich gerechnet: die „KPD“ nahm in Bayern in 3 Regierungsbezirken nicht an den Wahlen teil, die werden also abgezogen und man nimmt das Ergebnis von Restbayern für dasjenige von ganz Bayern und kommt auf 0,1 %. Wenn das kein Beweis für die schöpferische Kraft der proletarischen Weltanschauung ist?

Nun könnte der nicht klassenbewußte Beobachter auf den Gedanken verfallen, es sei letztlich gleichgültig, ob 0,0 oder 0,1 Prozent. Dies jedoch hieße sich versperren gegen die Sprache der Zahlen, die auch unter 1 Prozent eine ganze Welt umfaßt. Unter 0,5 Prozent kann nämlich sogar der Revisionismus(2) nicht nur geschlagen, sondern auch überrundet werden! „... haben wir die DKP überrundet in Erlangen Stadt (Bayern)“ Das sieht in Zahlen so aus: „KPD: 334 Stimmen = 0,4 Prozent, DKP: 325 Stimmen = 0,3 Prozent. Noch krasser in Michelstadt (Hessen): „KPD: 91 Stimmen, DKP: 38 Stimmen.“ Das Wahlergebnis, ein Sieg! Voll auszukosten wußte ihn der KSV: „11000 Stimmen für die Revolution!“ (DVD).

Kleinlich wäre es, hier vorzurechnen, daß in Bayern die Erst- und Zweitstimmen zusammengerechnet werden, wo doch „der Erfolg der KPD bei den Landtagswahlen zeigt, daß die Arbeiterbewegung durch das Eingreifen der Kommunisten in der nächsten Zeit einen starken Aufschwung nehmen wird ...“ (DVD) In Bayern wurden halt gleich 2 Stimmen pro Kopf für die Revolution abgegeben.

Etwas griesgrämiger gibt sich der KBW. Um die Lage dennoch ein wenig besser erscheinen zu lassen, entdeckt er plötzlich in der „KPD“, von der er sich bisweilen restlos entsolidarisiert („verrücktgewordene Kleinbürger“) wieder eine kongeniale Kraft: „Dabei haben die GRF (KPD) und der KBW in 17 Wahlkreisen gleichzeitig kandidiert. Ihre Stimmen sind eindeutig als Stimmen für die proletarische Revolution zu werten.“ (KVZ, Nr. 22)

Die DKP ließ sich auf Zahlen gar nicht erst ein. Gelassen, d. h. kommentarlos registrierte sie die Halbierung ihrer Stimmenanteile. Die UZ hob als Ergebnis nur das Marburger Ergebnis hervor (9,1 Prozent). Einen entscheidenden Sieg hingegen haben alle unter 1 Prozent errungen:

„Arbeiter stimmten gegen SPD-Politik!“ (Rote Fahne)
„Die SPD beschönigt die Lage, die CDU nicht.“ (KVZ)
„Weil rechte Führer der SPD keine Politik gegen die Monopole betreiben ... weil sie den Antikommunismus anheizen ... erleichtern sie es der CDU/CSU, die Wähler darüber zu täuschen, daß diese Parteien die Interessen den arbeitenden Menschen nicht weniger mit Füßen treten.“ (UZ)

Aha! Endlich haben die Wähler dem Antikommunismus und der Kapitalfreundlichkeit der SPD die gerechte Abfuhr erteilt. Davon weiß sicher in Bayern H. J. Vogel ein Lied zu singen, den sein spektakuläres Vorgehen gegen die SPD-Linke zum stimmenmäßig erfolgreichsten Landtagskandidaten der bayerischen Nachkriegsgeschichte gemacht hat.

Fazit: Wir können beruhigt sein. Die Welt unter 1 Prozent zumindest ist in Ordnung, hier siegt jeder und die Haupttendenz ist Revolution. Die Volksmassen wenden sich endlich von der SPD ab. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann sie der kleine Umweg über Strauß und Dregger unweigerlich in die Reihen von DKP, „KPD“ und KBW führen wird …

„Als sich am Himmel finstre Wolken zeigten, stellten wir fest: Das ist nur eine vorübergehende Erscheinung, die Finsternis wird bald weichen, der Morgen naht.“ (Mao Tse-tung, Worte, p. 98)

und für die Freunde von der DKP das Gleiche, jedoch vom zuständigen großen Freund:

„Den Kommunisten sind die schwersten Prüfungen zuteil geworden ... aber ... die Saat der Ideen der Kommunisten ist ... großartig aufgegangen.“ (L. Breshnew, Bericht des ZK, Moskau 1971, S. 40)

 

Gegendarstellung zu dem Artikel „Wählt KPD! oder KPD wählen! Hintergründe einer Spaltung in der Gruppe Rote Fahne (KPD)“ (MSZ, 1/1974, p. 12)

„Die letzte MSZ bringt den Wortlaut eines Protokolls einer Sitzung der Ortsgruppenleitung der KPD München. Dieses Protokoll ist eine Fälschung des MSZ-Kollektivs. Dies geht eindeutig daraus hervor, daß an der OGL-Sitzung auch Genossen des KSV, des KOV und der Liga teilgenommen haben sollen, was gegen das Prinzip der organisatorischen Selbständigkeit unserer Massenorganisationen verstoßen würde.“ (KPD-OGL München, gez. J.)

(Gemäß dem Bayer. Pressegesetz sind wir zum Abdruck von Gegendarstellungen, soweit sie die formalen Bedingungen erfüllen, verpflichtet, ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt. MSZ-Kollektiv)

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(1) „Dem Volke dienen“ – Zeitschrift des KSV von 1970 bis 1978.

 

aus: MSZ 2 – Dezember 1974

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