Wahlaufruf der MARXISTISCHEN GRUPPE Bremen

In der Hansestadt Bremen verläuft die vorderste Front zwischen der vom Staat durchgesetzten kapitalistischen Hochschulreform und ihren Opfern nicht zwischen den Agenten der staatlichen Ausbildung, Universitätsleitung und Lehrkörper einerseits, den Studenten andererseits, sondern irgendwo südlich von Sebaldsbrück und nördlich von Bremerhaven, also an den Grenzen des Stadtstaats, weil der seit Gründung der Reformuniversität bestehende Konsens zwischen Lehrenden und Lernenden im Zuge des „ersten nationalen Studentenstreiks“ durch den sozialdemokratischen Bildungssenator Franke seine längst fällige Arrondierung erfuhr. Ihm, der sein Bremisches Hochschulgesetz (BHG) als „Verteidigung der Reform“ propagiert hat, leisten alle linken Hochschulgruppen mit einer Ausnahme Schützenhilfe, offen und versteckt: die AStA-Koalition, weil sie im Ideal einer ,,Ausbildung im Interesse der arbeitenden Bevölkerung“ bislang die eigene revisionistische Liebe zum Arbeiter als Arbeiter nicht nur erfolgreich unterbringen, sondern ihr auch zur institutionellen Absicherung von Positionen verhelfen konnte. Das motiviert auch die Antirevisionisten von KSB, KSV und KB, die als „unverschämtes Täuschungsmanöver der Bourgeoisie“ verketzerte Reform mit Zähnen und Klauen gegen ihre Urheber zu verteidigen, weil innerhalb des Bremer Modells z.B. Jens Scheer Hochschullehrer werden konnte. Dabei ist der Umstand, daß er es nicht mehr ist, lediglich ein weiterer Grund, im Namen der arbeiterfreundlichen Wissenschaft zu fordern, daß er es bleibe. Und die Basisgruppen, bei den letzten Wahlen stärkste Fraktion, denen sowohl die „an den Bedürfnissen der Lohnabhängigen“ orientierte Wissenschaft gleichgültig ist, als auch die von Jens Scheer vertretene KPD-Politik ein rotes Tuch, begeistern sich für die „emanzipatorischen Ansätze“ die im Bremer Modell vorhanden seien und ziehen aus dem Sachverhalt, daß sowohl Revisionisten als auch Sozialdemokraten sich auf diese Ansätze berufen, den Schluß, für die Möglichkeit zu kämpfen, in den zwischen Franke und den Revis offen gebliebenen Freiräumen sich zu tummeln. Die Gegnerschaft zum BHG, die die Parteien des Bremer Konsens vorexerzieren –  und auch diese eint sie alle, inklusive Franke, der öffentlich neckisch einräumt, sein Gesetz sei sicher nicht das Gelbe vom Ei, aber in der hochschulpolitischen Landschaft das einzig realisierbare – ist somit eine, die um Nuancen feilscht. Die AStA-Koalition aus MSB, SHB und Jusos gibt dies unverhüllt zu, wenn sie sich nur noch für eine Novellierung stark macht und die „Antirevisionisten“ die lauthals „Weg mit dem BHG!“ tönen, stehen nicht an, dies als langfristige Strategie zu deklarieren, auf deren Grundlage man sich längst eingerichtet hat, taktisch mit dem BHG zu leben, so nur Jens Scheer Hochschullehrer bleibt und man selber weiterhin im Recht gegen den „volksfeindlichen“ Charakter der Reform.

Die MG Bremen, die nie ein Hehl daraus gemacht hat, daß sie die Bremer Wissenschaft für eine nicht einmal besonders raffinierte Variante der theoretischen Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung im Dienste der Wissenschaft hält (vgl. „Bremer Uni: Von der Reformuniversität zur Universitätsreform“, in: MSZ-Nachdruck aus dem 1. Jahrgang), fällt so nicht nur aus dem Bremer Konsens heraus, sondern führt ihren Wahlkampf im Rahmen der Liste BRECHT DAS BHG! explizit gegen ihn, weil die Kritik von Wissenschaft und Ausbildung auch in Bremen Grundlage des Kampfes gegen die bürgerliche Ausbildung ist.

Wählt die Liste BRECHT DAS BHG!

 

aus: MSZ 21 – Januar 1978

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