Sternstunden der Bildungspolitik:

Botschaft von Andromeda


I’m the urban spaceman, baby I've got speed … Bonzo Dog Dooda

Eine phantastisch anmutende Meldung landete auf dem Redaktionstisch des MSZ-Kollektivs. Ein Kommilitone teilte uns mit, er sei von der studentischen Arbeitsvermittlung im Auftrag des Bayerischen Kultusministeriums angeworben worden, Science-fiction-Romane zu lesen. Welches Interesse kann das KuMi haben, die Lektüre von phantastischen Darstellungen der Zukunft zu fördern? – so unsere erstaunte Frage. Nun – so die Erklärung des besagten Kommilitonen – das KuMi möchte aus diesen Romanen wertvolle Hinweise für das Ausbildungssystem der Zukunft gesammelt wissen, Hinweise, die man dann zwecks wissenschaftlicher Überprüfung gewissen Instituten übermitteln würde.

Ungläubig geschüttelten Kopfes verließen die MSZ-Redakteure ihre Schreibtische, um gründliche Recherchen anzustellen. Das Ergebnis ist: die Meldung entspricht eindeutig der Wahrheit.

Bei schärferem Nachdenken verflüchtigt sich jedoch die erste Verwunderung und weicht der Einsicht in Probleme und Weitblick des Hans Maier. Man muß sich das so vorstellen: Juli vorigen Jahres sitzt er in seinem Zimmerchen am Salvatorplatz, als plötzlich laute Rufe durchs Fenster dringen: „Kampf dem BHG! Brecht das Ordnungsrecht!“ Versonnen rückt der Kultusminister seine Schreibutensilien vor sich hin und her, steht auf und schlendert zum Fenster, lauscht den Rufen – dann überzieht ein Leuchten sein vergrämtes Gesicht und entschlossenen Schrittes eilt er zur Bücherwand, greift zielsicher zu „Sammelband Nr. 5; Perry Rhodan – der Erbe des Universums“ steht auf dem Rücken. Nach kurzem Blättern hält KuMi Maier inne und liest:

„Mit etwas müder Hand – sofern man bei den Unsterblichen solche Ausdrücke anwenden kann – strich Perry sich über das Gesicht und sagte zu seinem gegenüber: „Die Jugend des Sonnensystems wächst sich zu einem immer größeren Problem aus. In langwierigen Kriegen haben wir die Grenzen des Universums ausgedehnt und befestigt. Handel und Wandel blühen. Die Kolonien erbringen ihre Tribute. Doch unsere Jugend achtet das gering. Sie kehrt zu archaischen Formen der Willensäußerung zurück, versammelt sich in Raumgleitern an Transmitterknoten und gefährdet die Desubstantialisierung – „Demonstrieren“ nennen sie das –, sie macht unsere Raumflotte verächtlich, schon sind Spottverse, in denen mein Name vorkommt, aufgetaucht.“

Der Mann aus dem Andromeda-Nebel richtet sich in seinem Complast-Sessel auf:

„Vielleicht sollten Sie Ihr Ausbildungssystem überprüfen. In Andromeda kennen wir solche Probleme nicht. Es besteht ein vollkommen durchdachtes Erziehungsprogramm, nach dem die Jugendlichen sich frühzeitig in der Erlernung des geheiligten Wissens üben, ihren Lehrern bedingungslos zu gehorchen lernen, alle Auswüchse fruchtlosen Denkens und Herumnörgelns sofort unterbunden werden, die Schüler nach genau festgelegter Zeit die Stätten der Bildung verlassen und für ihre künftige Funktion vollständig präpariert sind. Oberster Grundsatz ist jedoch: ,Es gibt keine Wahrheit außer der, die dein Lehrer dir sagt!“ (Angriff aus dem All, Perry Rhodan, Nr. 215)

Entschlossen setzt sich KuMi Maier wieder an seinen Schreibtisch, greift zum Diktaphon (Perry würde über dieses altmodische Gerät nur lächeln, denkt er bei sich) und spricht:

„Notiz. Ein Auftrag ist zu vergeben, die gesamte futuristische Literatur nach Hinweisen für das rationale Ausbildungssystem der Zukunft zu untersuchen. Zwischenbericht alle zwei Monate, direkt an mich.“

Ja, so ist das alles gekommen …

 

aus: MüSZ 5 – 1974

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