Aus der Welt der Wissenschaft (I)

Die Sache mit dem Übergang

Wenn ein Wissenschaftler als Ergebnis seiner Forschungen die Erkenntnis zum Besten geben würde:

Wasser ist zum Waschen da, faleri und falera, auch zum Zähneputzen, kann man es benutzen; Wasser braucht das liebe Vieh, falera und faleri, auch die Feuerwehr, braucht das Wasser sehr ... und Hawai die Südseeinsel, wär ein öder Palmenpinsel.“

würde ihm zwar nicht Originalität, wohl aber die wissenschaftliche Qualifikation abgesprochen, und der größte Prüfungsdruck würde Studenten nicht davon abhalten, solchen Lehrstoff für banal oder für Unsinn zu halten. Nicht so, wenn derselbe Wissenschaftler Entsprechendes über Parteien verlauten läßt:

„Es sind die politischen Parteien, die vor diesem Hintergrund eine Wahlentscheidung mit Alternativen und damit den Kern eines demokratischen Prozesses erst möglich (!) machen. Die Parteien wirken (!) mit ihren politischen Konzepten und Verlautbarungen auf die Meinungsbildung und die Entstehung des Wählerwillens ein; sie benennen Kandidaten für die zahlreichen Ämter ...; sie verdichten die noch ungeordneten Einzelinteressen und Meinungen schon intern zu politischen Handlungskonzepten, die erst allgemeinverbindliche Entscheidungen ermöglichen. (!)“

Solche Erklärungen nach dem Muster:

„Geld ist, wenn man sich was für kaufen kann; Gesellschaft ist, weil sonst ginge alles drunter und drüber; Staat ist, wo jeder will, weil er ihn braucht“

haben Gelächter oder gar Ablehnung nicht zu fürchten, obgleich ihnen gegenüber der Wasserschlager noch eine redliche intellektuelle Leistung ist, insofern er wirklich nützliche Funktionen des Wassers besingt, während Polito-, Sozio-, Psycho- und andere Logen ihren jeweiligen Gegenständen heilsame Funktionen andichten und sie mit nützlichen Wirkungen erklären, die nützlich nicht für die sind, denen dies versprochen wird, sondern nur für den, von dessen Wirken sie behauptet werden.

Die Schwierigkeit (selbst für denjenigen, der über manches – durchaus nicht bloß lustige – dumme Argument lachen kann, wenn es ihm getrennt vorgelegt wird), im bürgerlichen Wissenschaftstreiben diesen lächerlichen Denkschematismus auszumachen, beruht sicher weder darauf, daß im einen Fall gesungen, im anderen argumentiert wird, noch darauf, daß Studenten sich den Schlager zum Vergnügen zu Gemüte führen können, die wissenschaftlichen Schlager aber lernen und wiederkäuen müssen. Es ist die Gewöhnung des alltäglichen, auf Zurechtkommen ausgerichteten Denkens, die Studenten an der Wissenschaft nur finden läßt, daß sie schwer ist, ohne den Grund dafür zu kennen – dem instrumentellen Alltagsverstand bereitet die wissenschaftlich ausgebreitete Vielfalt erdachter (und erwünschter), mit falschen Argumenten begründeter Wirkungen die Mühsal, von seinen durchaus entsprechenden subjektiven Vorstellungen Abstand nehmen zu müssen, um sich die Verwandlung der ganzen Welt in Belege für einen doktrinären Subjektivismus im Dienste des Staates anzugewöhnen.

Nicht die Anstrengung vorurteilslosen Erklärens, sondern die Last, sich zum Nachkäuer bewußt parteilicher Gedankengänge zu bornieren, und der selbstverständliche Wille, dies im Rahmen und als Mittel der Auslese für einen besseren Posten zu bewältigen, erschwert das Leben der durch die Schule schon dem richtigen Denken entwöhnten Studenten. Daß alle Phänomene der Gesellschaft durch ihren Nutzen für den Staat, von dem sie ihren abhängig wissen, erklärt (und damit verklärt) werden müssen, ist ihnen so gewöhnlich, daß ihnen von Haus aus nicht das dafür erforderte falsche Denken, sondern richtiges (also dessen Kritik) als Zumutung erscheint. Und wenn sie sich zur Einsicht entweder in die Dummheit bürgerlicher Argumente oder in das brutale Interesse der gelehrten wissenschaftlichen Gedankengänge durchgerungen haben, bedeutet das noch lange nicht das Wissen darum, daß beides zusammengehört. Im einen Fall sind sie zunächst nicht mehr als von der Wissenschaft Enttäuschte, die sich bessere Argumente wünschen, im anderen Fall über die propagierten Absichten Erschrockene, die bürgerlicher Wissenschaft einen menschenfreundlicheren Ausgangspunkt verordnen möchten, also Freunde wissenschaftlichen „Niveaus“ oder Moralisten. In dieser und folgenden Ausgaben der MSZ führen wir deshalb an ausgewählten Tricks bürgerlichen Denkens vor, daß Dummheit und Brutalität, Fehler und Interesse zusammengehören, daß mit dem einen also nur der fertig ist, der dabei auf das andere stößt.

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In ihrer langen Geschichte hat sich die bürgerliche Wissenschaft zur Verdammung eines einzigen theoretischen Standpunkts durchgearbeitet – allerdings schon recht früh –, während sie doch sonst keiner wissenschaftlichen Meinung ihre Berechtigung absprechen mag. Dementsprechend gibt es auch nur eine einzige Theorie, die unumstößlich richtig ist, weil sie die einzig falsche ersetzt hat: die ,,subjektivistische Wertlehre“ (Grenznutzentheorie) hat die ,,objektivistische“ besiegt und ins Panoptikum historischer Monstrositäten verbannt. Ein bißchen verwundern muß das schon, hackt doch hier die Nationalökonomie tatsächlich den eigenen Rabenvätern die Augen aus: schließlich waren es die klassischen Ökonomen David Ricardo und Adam Smith, die sich die objektivistische Wertlehre im wesentlichen ausdachten, und sie können kaum in den Ruch kommen, Marxisten gewesen zu sein, obwohl ihr Epigone Marx sich auf sie stützte, waren sie doch mit ganzem Herzen für den Kapitalismus, Fanatiker des Profits, somit nach dieser Seite dem modernen Nationalökonomen durchaus unverdächtig.

Welchen Fehler haben sie also gemacht?

„Als ein für alle Güter verwendbares Maß dieses Aufwandes, das zugleich ihren Wert begründete, glaubte man jene Arbeitsmenge benützen zu können, die notwendig war, ein bestimmtes Gut herzustellen. Alle ökonomischen Werte sollten sich danach in Arbeitsquantitäten ausdrücken lassen ... Der Preis der Güter tendiert jeweils zu ihrem Wert.“ (Häusler)


An einem heißen Sommertag: Wert und Wetter

Die Alten haben also nach einem Wert in den Verkaufsobjekten gesucht. Auch der Grenznutzentheoretiker möchte nicht leugnen, daß die Dinger einen Wert haben – aber daß es ,,Arbeitsquantitäten“ sein sollen, weist er entschieden zurück. Was wiederum verwundert, ist dies doch eine harmlose Annahme, der man genauso gut Berechtigung im Wissenschaftspluralismus zusprechen kann, wie anderen zwar absonderlichen aber ganz ernsthaft vertretenen und anerkannten Auffassungen z.B. in der Konjunkturtheorie; wo als Erklärungen für Krisen die Zahnschmerzen eines Schlüsselkapitalisten oder die Periodizität der Sonneneruptionen angegeben werden. Der ganze objektivistische Kram der ,,Arbeitswertlehre“ erledigt sich jedoch mit dem schlagenden Rätsel

„warum z.B. an einem heißen Sommertag Bier oder Speiseeis zu wesentlich höheren Preisen verkauft werden kann als bei schlechtem Wetter ...
daß im allgemeinen die Güter umso weniger kosten, je mehr es davon gibt, und daß darum die lebensnotwendigen Güter für die reichen Nationen im Übermaß vorhanden und billig sind, für die armen aber teuer und kostbar ...“ (Häusler)

an welchem die Arbeitswertlehre angeblich scheitert. Halten wir uns nicht mit der Frage auf, wieso die Güter umso weniger kosten, je mehr es davon gibt und wieso sie darum in unseren Breiten im Übermaß vorhanden sind, Eier, Butter, Mehl also umsonst zu kaufen sind (er muß den Butterberg im Kopf haben, der Schlawiner!), sondern wenden wir uns gleich der Lösung dieses Problems durch die subjektivistische Wertlehre zu. Sie ist zu der verblüffenden Einsicht gelangt, daß Speiseeis, mal billiger mal teurer, gar keinen Wert hat – sondern viele:

„Unter dem wirtschaftlichen Wert verstehen wir gewöhnlich die Bedeutung, die ein Gut für seinen Benutzer hat. Wenn wir diese Definition übernehmen“ (keine Angst, jedermann tut es, sofern er Nationalökonom ist), „folgt, daß der Wert eines Gutes nicht eine Eigenschaft sein kann, die den Gütern anhaftet und sich objektiv bestimmen läßt, sondern darauf beruht, daß der Benutzer dem Gut einen bestimmten Wert beimißt. Die Höhe des Werts hängt also von den jeweiligen Wertschätzungen eines Individuums, d.h. von seinem Geschmack, seinen Empfindungen, Vorstellungen, Neigungen ab. Folglich ist der Wert eines Gutes nur subjektiv bestimmbar und wird von Individuum zu Individuum jeweils anders eingeschätzt“ (Häusler)

Diese Einsicht ist darum so verblüffend, weil sie ohne jede Begründung dreist sich als solche gibt, und dafür ungerührt allerlei scheinlogische Wenn-Danns, Folglichs und Alsos von sich gibt. Weil dem Grenznutzentheoretiker die Arbeitswertlehre nicht paßt, ist sie doch eine ungewöhnliche Zumutung, fängt er mit einem „gewöhnlich“ an: dem gewöhnlichen Menschenverstand – so wie ihn dieser Herr begeistert sehen will – sind nämlich manche Dinge aus sentimentalen Gründen lieb und teuer, andere weniger, so z.B. ein Verlobungsring wichtiger, als derselbe Ring, wenn er nicht zur Verlobung geschenkt wurde. Wenn man so dezent übergangen hat, daß dieselben Ringe im Schaufenster alle denselben Preis haben – ein eigenartiges Phänomen, daß der Grenznutzentheoretiker nicht wahrnimmt, weil es ihm jetzt nicht in den Kram paßt – und stattdessen nun verschiedenartige Wertschätzungen sich begehrlichen Blickes auf die wertvollen Objekte heften, ist es auch keine Kunst mehr, die Aussage folgen zu lassen, daß die Ringe also keinen Wert haben, sondern dieser in den Herzen der Heiratswilligen wohnt. Zur Demonstration, daß es keinen Wert gibt, folgt also gleich die Beseitigung dieser lästigen Frage, indem zur Höhe des Werts übergegangen wird. Da nach dem bisherigen diese Höhe nicht bestimmbar ist (unerforschliches Individuum!) ergibt sich der glänzende Beweis des Ausgangspunktes als Rückkehr zu diesem, denn folglich ist der Wert eines Gutes nur subjektiv bestimmbar.

Das hier herrschende Prinzip ist das der Willkür. Der Wissenschaftler denkt sich etwas aus, das nur irgendwie mit landläufigen Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft zusammenpassen muß, um die Erscheinung im eigenen Sinne beliebig hindrehen zu können. Weil die Leute bei Sonnenschein mehr Speiseeis haben wollen, hat Speiseeis nicht einen Wert, sondern der existiert als mannigfacher in den Köpfen der Käufer. Womit die Wissenschaft von der Ökonomie abgedankt und alle Fragerei nach dem Wert sich aufgelöst hätte in das Staunen angesichts der unerforschlichen individuellen Willkür.


Die Logik des Optimalpunkts

Daß dies Unsinn, wenngleich mit einem sehr bestimmten Zweck, und nicht Resultat wissenschaftlichen Denkens ist, führt die Nationalökonomie selbst vor, wenn sie – keineswegs an ihre Abdankung denkend – den Leuten nun genaue Vorschriften macht, wie sie mit ihren Wertschätzungen umzugehen haben, sich also nicht damit zufrieden gibt, daß die Käufer/Verkäufer ökonomisch immer recht haben, egal was sie tun. Sie denkt sich nämlich das Indifferenzkurvensystem aus (zur Beruhigung: zum Verständnis der Nationalökonomie braucht man absolut nicht die Kenntnis dieses Systems) und findet darin einen „Optimalpunkt“ für jeden Nutzenerwäger; dieser Optimalpunkt ergibt sich aus etwas der subjektiven Willkür ganz entgegengesetztem: das Individuum vergleicht sein Einkommen mit den Güterpreisen und überlegt sich, welche und wieviele Güter es sich kaufen muß und auf welche es verzichten muß, unterwirft sich also dem Diktat seines beschränkten Einkommens und der Preise. Der erste Lehrsatz der Nationalökonomie befaßt sich also nicht mit der Frage, wo der Reichtum der Nationen herkommt (wie es noch die Alten taten), sondern redet von der „Knappheit“ aller Güter, der jedoch die Unbegrenztheit der Werfschätzungen gegenübersteht, sehr hübsch zusammengefaßt in dem Lehrsatz, daß der höchsten Wertschätzung sich das Gut erfreut, das man nicht haben kann. Den in Einkommen und Preisen steckenden Zwang drückt die Grenznutzentheorie als Logik des Optimalpunktes aus – nach dem es z.B. blödsinnig ist, sein Geld zwischen den Gütern Brot und Zigaretten so aufzuteilen, daß man nur Zigaretten frißt, obwohl das doch andererseits völlig in die Willkür des einzelnen fällt –, unterstellt also das kleine Einkommen, das von den Preisen aufgefressen wird – und tut zugleich so, als ob der Mensch im Kaufakt immer das Himmelreich auf Erden erlangt, deswegen weil er auf jeden Fall in diesem Moment den individuellen Wert des Gutes für sich realisiert. Subjektivistischer Beweis: er täte es ja sonst nicht kaufen/verkaufen:

„Es ist zwar begreiflich, wenn sich eine Hausfrau darüber ereifert, daß sie die nämliche Bluse, die sie gestern erstanden hat, heute in einem anderen Geschäft zu einem wesentlich niedrigeren Preis im Schaufenster sah ... aber“ (die dumme Gans täuscht sich ganz gewaltig über ihre eigene Wertschätzung) „sie hat den Kauf abgeschlossen, weil er ihr im Augenblick des Abschlusses vorteilhaft erschien. Warum sollte sie sonst getauscht haben?“ (Häusler)

Diese Argumentation erfährt bei dem hier zitierten Häusler noch eine groteske Zuspitzung:

„Gewöhnlich wird ein Mensch bei seinem Wunsch, gewisse Güter zu erwerben, vor den beiden Möglichkeiten stehen, diese Güter entweder selbst herzustellen oder aber andere Güter und Dienstleistungen zu erzeugen, um sich damit die Mittel für den Erwerb der erwünschten Güter zu verschaffen. Es gibt also einen direkten und indirekten Weg zu diesem Ziel (chinesisches Sprichwort).“ (Häusler)

Man stelle sich vor: ein autoverliebter Prolet geht morgens nicht in die Fabrik, sondern in die Gartenlaube, wo er sich mit großem Lustgewinn einen Volkswagen baut – um hinterher festzustellen, daß er bei seiner Nutzenerwägung irgendwo nicht aufgepaßt hat.


Was wäre wenn

Das hier zutage tretende Prinzip, die objektiven Notwendigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft einfach zu leugnen und in harmonisch aus dem Willen der Menschen sich ergebende Zweckmäßigkeiten zu verwandeln (bei Häusler kommt der Prolet natürlich darauf, daß es für ihn viel befriedigender ist, morgens in die Werkhalle zu gehen, weil er sich dann mehr Autos kaufen kann), verrät, daß diese Notwendigkeiten keine angenehme Angelegenheit sind, weswegen sie der Nationalökonom einerseits als unbedingte hochhält, andererseits stets ihren glücksbringenden und menschenfreundlichen Charakter betont.

Zu diesem Zweck denkt er sich immergleiche Argumentationen aus nach dem Muster

– was wäre, wenn es dieses oder jenes nicht gäbe

– wie großartig eine Sache ist, sieht man daran, daß sie funktioniert.

Das geht z.B. so, daß man nach dem Wesen des Geldes fragt, und sich dafür das Geld wegdenkt: die schrecklichen Schwierigkeiten des Naturaltausches bewegen einen, sofort in die Geldwirtschaft zurückzukehren, womit bewiesen ist, daß man mit Geld leichter tauschen kann (was schon klar war, als man sich in die Naturalwirtschaft zurückversetzte), also die Geldwirtschaft prima ist. Noch gelungener, wenn es um die Preise geht: einerseits ergeben sie sich aus den subjektiven Wertschätzungen, anderseits regeln sie diese, welche schöne Tautologie (Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise, die Preise regulieren Angebot und Nachfrage) darum überhaupt kein wissenschaftliches Problem, im Gegenteil: Höhepunkt wissenschaftlichen Fortschritts ist, weil die Konkurrenz ein so ausgezeichnet funktionierender Mechanismus ist:

„Die Lösung des Konflikts und der Ausgleich der Interessen erfolgt über die Preise. Sie ergeben sich aus dem Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage ...“ (Häusler)

„Die Wettbewerbsordnung ist ein kunstvoller Mechanismus, der mit Hilfe eines Gefüges von Märkten und Preisen unbeabsichtigt kombiniert und das Wissen und die Handlungen von Millionen verschiedener Wirtschaftssubjekte koordiniert. Ohne ein denkendes und lenkendes Zentralgehirn löst diese Wirtschaftsordnung eines der schwierigsten Rechenexempel: Ein System, das mehrere Tausende unbekannter Variablen und Gleichungen umfaßt. Niemand hat sie ersonnen, sie hat sich eben entwickelt. Und ebenso wie die menschliche Natur unterliegt sie von Zeit zu Zeit Veränderungen und Schwankungen; trotzdem besteht sie den Grundtest jeder sozialen Ordnung: sie ist lebensfähig.“ (Samuelson)

Warum es dringend notwendig ist, unser Wirtschaftssystem zu beglückwünschen, drückt die Nationalökonomie in ihrem Streben selbst aus:

„Obwohl Käufe und Verkäufe notwendige und selbstverständliche Attribute einer Verkehrswirtschaft sein müssen“ (merk dir das, Mensch!) „verbinden noch viele Menschen mit den Begriffen »Kauf« und »Verkauf« die Vorstellung von Bereicherung oder Übervorteilung. Wahrscheinlich haben sie als Marktteilnehmer gelegentlich schlechte Erfahrungen gemacht ... Wiederum müssen wir uns darauf besinnen, daß bei unseren theoretischen Überlegungen im allgemeinen eine rationale Handlungsweise unterstellt wird ... Im allgemeinen geht deshalb die volkswirtschaftliche Theorie davon aus, daß auf freiwilliger Basis nur deshalb getauscht, gekauft und verkauft wird, weil beide Tauschpartner sich durch den Tausch reicher fühlen.“ (Die gelegentlichen schlechten Erfahrungen verdanken sich also einer Magenverstimmung …) „Sie bewerten jene Güter, die sie empfangen, höher als das, was sie dafür geben.“ (Häusler)

Die offenkundige Tatsache, daß die ganze Tauscherei eben nicht dazu führt, daß alle ständig gewinnen, gesteht die subjektive Wertlehre selbst darin ein, daß sie zwar die objektiven Bedingungen des Tauschs (Einkommen, Preise, Wert) aufnimmt, aber nur, um sie in Psychologie zu verwandeln – die jedoch wiederum nur nach diesen objektiven Bedingungen sich zu richten hat.


Was nicht sein darf

Die Grenznutzentheorie reduziert sich selbst auf ihren Kern in solchen Bemerkungen:

„Marx suchte den Ausweg“ (aus den Fehlern der Arbeitswertlehre) „in der Ausbeutung.“

Um die Leugnung des Mehrwerts geht es nämlich zuallerletzt bzw. zuallererst und dafür findet die ganze Veranstaltung statt. Die Tatsache, daß die Waren einen Wert haben, und daß im Tauschen dieser Waren immer nur diejenigen, die sie produzieren ließen, einen Gewinn haben, während diejenigen, die sie produzierten, immer gleich arm bleiben, daß also in der Produktion der Waren ein Mehrwert entsteht, der nicht denen gehört, die ihn herstellen – diese Tatsache darf nicht wahr sein.

In ihrer ganz und gar intoleranten Widerlegung der Arbeitswertlehre muß die Nationalökonomie also zum einen radikal sein gegen ihre eigenen Klassiker, die sehr wohl Wert und Mehrwert erkannt hatten und sich nicht auf unsinnige Vorstellungen einließen, wie: der Mehrwert würde daraus entstehen, daß sich alle Käufer und Verkäufer gegenseitig betrügen und dabei alle reicher werden. Sie hatten diese Einsicht, weil sie an der Durchsetzung des Kapitalismus und darum an Erkenntnis seiner Gesetzmäßigkeiten einschließlich der Ausbeutung interessiert waren und sie fielen hinter ihre Einsichten zurück und mauserten sich zu Apologeten, eben weil es ihnen um die Durchsetzung des Kapitalismus ging, sie also nicht zu dessen Kritik fortschreiten wollten. Sie wurden zu Apologeten, obwohl und gerade weil sie spürten, daß dieses System kein harmonisches, sondern ein krisenhaftes ist, daß die kapitalistische Reichtumsvermehrung beständige Zerstörung des Reichtums einschließt, daß Produktivitätsfortschritt nur unter dem Diktat des Profits und der gesteigerten Auspressung von Mehrarbeit, also nur bedingt stattfindet. Ein anderer dachte da weiter.


Der Übergang zum Abgang

Zum anderen ist die Nationalökonomie – auf dem Standpunkt des durchgesetzten Kapitalismus – radikal gegen Wissenschaft, Negation von Wissenschaft, und darin, direkt am Herzen der bürgerlichen Gesellschaft sitzend, die erste bürgerliche Wissenschaft. Sie stellt deren Grundprinzip rein dar, nämlich nicht daß die Bestimmungen einer Sache sich aus ihr, d.h. aus ihrer Erforschung sich ergeben – und die systematische Ableitung einer Bestimmung aus einer anderen nennt man einen Übergang –, sondern daß der Gedanke sich leiten zu lassen hat von einem Interesse äußerlich dieser Sache, von dem Interesse an Erhaltung und Verherrlichung dieser Gesellschaft. Darum ist es auch ganz gleichgültig, daß die Widerlegung der Arbeitswertlehre vorn und hinten nicht stimmt und nie stimmen kann, wichtig ist nur, daß sich die Wissenschaft ganz und gar in ihrer apologetischen Funktion bewährt. Dafür kann sie auf so etwas wie einen Übergang vollständigst verzichten, hat sie ihn doch als Abkehr von Wissenschaft schon längst vollzogen.

 

aus: MSZ 22 – April 1978

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