RCDS

Konservative Politik an den Hochschulen hat seit der Studentenbewegung mit dem Problem zu kämpfen, daß die Einschwörung. der studierenden Jugend auf den Staat angesichts der linken Bemühungen um die Durchsetzung studentischer Interessen gegen die staatlichen Instanzen wenig Attraktivität besitzt. So plagt sich dieser Verein konservativer Jungdemokraten mit der Alternative einer staatstreuen Interessenvertretung und liefert mit den ideologischen Verrenkungen, durch die er die Unterwerfung unter staatliche Zwänge zu einer politischen Aktivität machen will! eine wichtige Unterstützung reaktionärer Politik im Vorfeld der Hochschule und eine Ergänzung der Stilblüten, mit denen Rechte ihre Notwendigkeit legitimieren. Wenn die linken Hochschulgruppen nicht in der Lage sind, auch nur ein einziges Argument dieser Leute richtig zu kritisieren, dann deswegen, weil sie mit ihnen um die beste Interessenvertretung konkurrieren.


An das Gute glauben –

das Machbare machen

„Jeder Mensch neigt dazu, Dinge logisch, kausal und einleuchtend sehen zu wollen. Besonders neigt dazu natürlich der sog. Intellektuelle ... Trotzdem, der Mensch ist nicht nur gezwungen, die Wirklichkeit immer wieder durch die Begrenzungen seines Bewußtseins zu sehen, er hat sogar das Bedürfnis, die Wirklichkeit begrenzt zu sehen ... Wir kommen deshalb zu unserem wichtigsten Grundsatz: Lassen Sie sich nie von der bloßen Logik der Argumente hinreißen ...“ (C. Schnauber[!], Wie diskutiere ich mit Linksideologen?, RCDS-Schriftenreihe Nr. 17, S. 10 f.)

Das Stichwort RCDS erweckt Assoziationen. Denn keineswegs hat man es hier mit einem unbeschriebenen Blatt zu tun. Im Gegenteil: der Name spricht gewissermaßen schon für sich. Man kennt diese Sorte von Studentenbund. So versteht es sich von selbst, daß alle Fortschrittlichen einen gehörigen Zorn in sich aufsteigen spüren, begegnet ihnen der RCDS. „Rechts“, „reaktionär“, „schwarz“ sind diese Vögel, und weil sie eben nicht fortschrittlich sind, kann der Fortschrittliche sie leicht abtun. Diese Linken haben also mit den Rechten abgerechnet, noch bevor sie sich mit ihnen auseinandersetzten.

Lassen sie sich dennoch mal auf eine Kritik ein, dann fällt Ihnen gleich folgendes auf: „Volle Kassen im RCDS!“ (MSB). Aber nicht nur Geld kriegt der RCDS: „Proklamation im Kleinen: In Saarbrücken stellte die CDU-beherrschte Verkehrsgesellschaft dem RCDS einen ganzen (I) Omnibus als Propagandazentrum zur Verfügung, den er mit Genehmigung des Rektors mitten (!) im Universitätsgelände postieren konnte. Auf Dauer!“ Aber letztlich läuft doch alles auf's Geld hinaus: „Zur Intensivierung der Zahlungen werden regelmäßig Briefe an die großen Firmen geschickt “. Klar ist also; der RCDS ist „Sammelbecken für die Finanzspritzen des Großkapitals“.

Ist erstmal die Finanzierung aufgedeckt, so meint man, einen wesentlichen Zug der RCDS-Politik erhellt zu haben: den hintergründigen Zusammenhang mit seinen Gönnern. In Wirklichkeit will nämlich dieser Verein die Studenten in die Arme der Monopole treiben, wofür bekäme er sonst sein Geld?
Und die augenfällige Tatsache, daß der RCDS neuerdings eine moderne, ansprechende „Verpackung“ sich zugelegt hat, ist schnell als Schleichwerbung des schafspelzigen Wolfes entlarvt. Zwar hat der RCDS in letzter Zeit Erfolge aufzuweisen, aber da die Politik die alte ist, werden die Massen sich nicht mehr lange täuschen lassen.

Damit auch der letzte Zweifel ausgeräumt ist, müssen die Aktivitäten des RCDS zu guter Letzt noch als Scheinaktivitäten entlarvt werden. Dies erreicht man dadurch, daß man einfach abstreitet, daß der RCDS tut, was er vorgibt zu tun: er tritt gar nicht für die Interessen der Studenten ein, er ist vielmehr darauf aus, Handeln Im Interesse der Studenten zu verhindern – seine Aktivität ist rein destruktiv er ist also ein „Verräter an den Interessen der Studenten“. Diese Ringdemokraten tun nur so, als ob sie für die Studenten wären, was ein raffinierter Trick und eine üble Verschleierung ist.

 
Standpunktkeilerei

Die Analyse der RCDS-Politik mündet also in eine düstere Apotheose:

x– der RCDS ist rechts und reaktionär. Und gehört zur CDU/CSU.
x– Er wird finanziert vom Großkapital und der CDU/CSU.
x– Er tarnt sich modisch, was seine Erfolge erklärt.
x– Das, was er tut, tut er gar nicht.
x– Es ist alles ein Schein.

Eine wahrhaft erschütternde Analyse.

Da läßt sich der RCDS nicht lumpen und kontert:

x– Die linken sind „links“ und „ideologisch“ – kurz: „Linksideologen “.
x– Sie werden bezahlt von der SED und deren Tarnorganisationen.
x– Ihr besonderer touch liegt in den „rhetorischen Kniffen“, die sie aus Gründen der Irreführung anwenden. xxxxDamit
haben sie auch noch Erfolg.
x– Die Linken tun das, was sie tun, für etwas ganz anderes. Sie sind „gewählter Selbstzweck einer xxxxxxxxx xxxxIdeologie“,
wollen eine antikapitalistische Gegenmacht aufbauen.

Damit hat es der RCDS den Linken gegeben. Daß seine Antwort so und nicht anders ausfällt, kann uns angesichts der schlagenden Kritik an ihm nicht wundern; sie prallt sichtbar an ihm ab. Wenn er und seine Kritiker sonst auch nicht viel gemeinsam haben, so zumindest die Art, wie sie sich „kritisieren": der eine wirft dem jeweils anderen Abweichung vom eigenen Standpunkt vor. Damit ist auch die Möglichkeit gegeben, die Auseinandersetzung bis in alle Ewigkeit fortzuführen, denn wo man auch auf den Gegner trifft, hat man jederzeit die vorwurfsvolle Feststellung zur Hand, daß er ja immer noch ein Linker bzw. ein Rechter sei, also immer noch nicht zur (eigenen) Einsicht gekommen.

 

Facts and Figures

Darüber hinaus kann der RCDS aber auch Fakten anführen, hat er doch beweisbar einiges getan und erreicht, was seine Kritiker einfach ableugnen wollen. So hat er allein in München u. a. den „inneren NC“ in der Medizin verhindert, Professoren-Willkür im Fachbereich Jura zurückgeschlagen, in der Frage von Genehmigungen von Räumen für politische Veranstaltungen Erfolge erzielt, wie auch andernorts den weiblichen Kommilitonen kostenlos Antikonzeptiva vermittelt und schließlich sogar ausländischen Kommilitonen Sozialhilfe verschafft.
Schaut man sich an, wie der RCDS sich um die Belange der Studentenschaft kümmert, wie er, statt immer nur zu reden, andauernd handelt, wie er die Lage der Studenten schon jetzt verbessert, wie er Mißstände zu lindern weiß, wie er überall herumwuselt und allem und jedem seine pflegende Hand fürsorglich auflegt, dann ist unschwer zu verstehen, weshalb er hoffnungsfroh und in treuem Glauben Schwarz auf Grün schreiben kann: „Wir vertreten die studentischen Interessen!“ Nicht also nach unedlen Motiven gilt es zu suchen, sondern – wie er es wohl gerne sieht – an seinen Taten muß man den RCDS messen. Und wie man sieht, gar bunt und vielfältig ist das Leben unterm Mikroskop ...

 
Wider die Bockelmannsche Willkür

An der Juristischen Fakultät verweigert ein gewisser Prof. Bockelmann etwa 50 Studenten einen Übungsschein, obwohl sie alle nötigen Leistungsnachweise erbracht hatten. Spinnt er, oder hat er besondere Gründe? Die Studenten seien nicht in allen Stunden anwesend gewesen, sagt der Professor. Muß man denn das, fragt man sich mit den betroffenen Studenten und liest in der offiziellen Übungsordnung: nein, es besteht kein Anwesenheitszwang. Also ist der Fall klar, Bockelmann muß die Scheine herausrücken.
Der RCDS setzt nun für diesen einfachen Fall alle Mittel ein und macht daraus einen Musterprozeß. Es geht ihm nämlich nicht nur um die Bockelmannsche Unkenntnis der Prüfungsordnung, sondern die Lernfreiheit der Studenten soll verteidigt werden: das Ziel geht über den unmittelbaren Anlaß hinaus. Es muß

„dafür gesorgt werden, daß die grundrechtlich geschützte Lernfreiheit nicht weiter ausgehöhlt wird. Denn das ist ein Fakt: der Freiheitsraum der Studenten wird immer (mehr) eingeschränkt. Daher kann man es nicht hinnehmen, daß diese Tendenz noch verstärkt wird ...“

Der RCDS konstatiert eine Tendenz der zunehmenden Einschränkung der Lernfreiheit. Nicht nur, daß diese Tendenz die Studenten beleidigt (sie „degradiert den Studenten zum Mittelstufenschüler"), die Beleidigung ist sogar amtlich, nämlich in den Hochschulgesetzen kodifiziert. Die Gründe dafür – Effektivierung der Ausbildung, Ausrichtung an den Berufen – sind bekannt. Zwar versteht der RCDS diese Gründe sehr gut, denn auch ihm sind Einsparung von Kapazität und Senkung der Zulassungsgrenzen ein brennendes Anliegen. Aber

„Daß diese Effektivierung und Kapazitätsausnutzung durch Verhinderung studentischer Rechte erfolgt, ist ein Unding.“

Die Beleidigung der Studenten ist ja etwas viel Gravierenderes: die Verletzung eines Grundrechts. Und was einen eigentlich zur Verzweiflung bringen sollte: der Staat selbst, der doch wohl die Grundrechte kennt, schränkt das Grundrecht der Lernfreiheit ein. Was soll man da machen?

Der RCDS kann da nur zusehen. Aber seine Toleranzschwelle wird an einem bestimmten Punkt überschritten:

„Völlig unzumutbar wird diese Gängelung der Studenten aber dann, wenn der Besuch Her vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen auch noch durch Anwesenheitspflicht erzwungen wird.“ „Soweit aber die Anwesenheitspflicht nur deshalb eingeführt wird, um dir Anforderungen an die Kapazität zu erhöhen und damit die Zulassungsgrenze zu senken, wehrt sich der RCDS dagegen, daß die Studenten als Manövriermasse kapazitätstaktischer Erwägungen mißbraucht werden.“

Warum wird der „Mißbrauch“ der Studenten ausgerechnet an diesem Punkt unzumutbar? Warum läßt sich der RCDS die Planspiele des Kultusministers noch gefallen Und wehrt sich gegen die Einzelaktion des Herrn Bockelmann? Der Grund ist verblüffend einfach: weil es eine Einzelaktion ist! Gegen ein Gesetz läßt sich nichts machen, wohl aber gegen die Eigenmächtigkeit eines Professors.

Nun hat der RCDS den Prozeß gewonnen. Der Erfolg besteht darin, daß die Studenten ihre Scheine erhalten und er verdankt sich der Willkür und unklugen Eigenbrötelei Bockelmanns.

Die „gefährliche Tendenz“ der Einschränkung der Lernfreiheit treibt allerdings immer noch ungefährdet ihr Wesen. Zwar nimmt der RCDS nicht hin, daß die gefährliche Tendenz verstärkt wird, aber die gefährliche Tendenz selbst nimmt er hin. Er kann da nur auf eine Tendenzwende hoffen.

 
Ein Zettel in der Mensa

In der Mensa erfährt der Student aus einem Anschlag: RCDS organisiert Studienplatztausch! Er besorgt sich die Tauschunterlagen in der RCDS-Geschäftsstelle und findet, mit etwas Glück und Hilfe des Tauschvermittlers, einen Tauschpartner.

Grundlage dieser Aktion ist, daß es offensichtlich mehr Bewerber als Studienplätze gibt und deshalb eine ZVS in Dortmund, die die Bewerber nach ihren Kriterien verteilt. Auf persönliche Wünsche kann da kaum Rücksicht genommen werden und Voraussetzung der erfreulichen Tauschaktion ist also die unerfreuliche Realität des NC. Nur wenn man einen Studienplatz zugewiesen bekam, kann man ihn eventuell tauschen. Der Skandal ist nicht die mangelnde Berücksichtigung gewisser Affinitäten für besondere Orte, der Skandal heißt NC.

 
Dagegen sein – aber nicht zu sehr

Gegen diesen NC – und insbesondere gegen den „bedarfssteuernden“ – hat der RCDS etwas. Er akzeptiert zwar, daß die Studienplatzkapazitäten dem jeweiligen Bedarf entsprechen sollen, prangert aber das bestehende Mißverhältnis bzw. die falschen Lösungsversuche an: die Bildungsplanung war „verfehlt"! „Konstruktiv“ fordert er nun „objektivierbare Kapazitätsberechnungen“, die die Regierung doch bitte erstellen möchte – als ob sie das nicht ständig versuchte. Da die Bildungsplanung nicht das Geschäft des RCDS ist, beläßt er es schließlich bei der Hoffnung, daß alles besser werden wird, und macht sich stattdessen an die praktischen Hilfsmaßnahmen. Er handelt dort, wo er handeln kann, und wer sucht, der findet:

„Die Möglichkeit eines Studienplatztausches wird staatlicherseits nicht angeboten. Aus diesem Grund(l) bietet der RCDS bandesweit einen Studienplatztausch an.“

Der Staat hat dem RCDS gottseidank ein Feld übriggelassen, wo er mit seinen Sonderangeboten hausieren gehen kann. Wenn man schon gegen den NC nichts tun kann, so kann man doch gegen bestimmte Wirkungen des NC etwas tun, nämlich einen Studienplatztausch zur allgemeinen Hebung des Glücksniveaus organisieren, Der RCDS erwirbt sich hier ein Verdienst! erfüllt eine Marktlücke. Den eigentlichen Mangel, den er gern behoben sehen will! läßt er damit allerdings unangetastet. Er sagt selbst:

„Ein Studienplatztausch kann und soll deshalb nicht mehr sein als eine wichtige, hoffentlich(l) nur vorübergehend notwendige, Linderung von Härtefällen.“

Linderung auf der einen Seite und Hoffnung auf der anderen. Das Scheitern der Bildungspolitik konstatiert man – als hoffentlich bloß temporäre Erscheinung, als Kunstfehler... um dann zur Tagesordnung überzugehen, das Beste aus dem Schlamassel zu machen.

 
Manchmal hilft nur noch ein Trick

Die soziale Lage der Studenten ist nicht die beste. Wie jeder Mensch spürt auch der Student die Inflation. Das Bafög zieht nicht dynamisch nach, ist zudem selbst schon kärglich bemessen und hängt obendrein vom Einkommen der Eltern ab. Der RCDS steht hier mit seinen Klagen und Forderungen nicht allein: schon bevor der MSB den Sozialkampf entdeckte, wußte der RCDS, was dem studentischen Mohren Pflicht und Schuldigkeit ist und forderte die Erhöhung des Satzes auf 600,-- DM. Der Staat allerdings stellt sich taub, meint er doch, im Moment wichtigeres zu tun zu haben. Während der Spartakus das dem Staat nun verübelt und ihn als Komplicen der Monopole beschimpft, übergeht der RCDS souverän alle überflüssigen Theoriedebatten und sieht sich lieber nach anderen Mitteln um, um zum gewünschten Geld zu kommen. Und die cleveren Juristen vom RCDS finden tatsächlich einen Paragraphen, der es dem Bafögbezieher erlaubt, dem Staat eins auszuwischen und seine Finanzen auf ca. 600,– DM monatlich aufstocken (zu) lassen “. Er braucht nur nach § 31 ff. BSHG zusätzliche Sozialhilfe zu beantragen.

Die Sozialhilfe hat überhaupt gegenüber dem Bafög eine Reihe weiterer Vorzüge und formuliert zudem den Anspruch auf eine „menschenwürdige Lebensführung “. Da fragt man sich allerdings, warum das Bafög das nicht vorhat, geschweige denn ermöglicht, und warum man sich eines Tricks bedienen muß, um das eigentlich Selbstverändliche zu erlangen. Das aber ist schon wieder eine zu tiefsinnige Frage und der RCDS schärft den Studenten stattdessen lieber ein, die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten auch wirklich wahrzunehmen:
Die Anträge müssen unverzüglich abgeschickt werden! Jeder versäumte Tag kostet bares Geld kosten. Man sollte sich nicht lediglich telefonisch „auf Verdacht“ abfertigen lassen, sondern einen Antrag in jedem Fall schriftlich stellen. Es ist unglaublich, wie viele halbausgefüllte Anträge vor sich hinmodern ...

Das Witzige an dieser Hilfsaktion ist, daß der RCDS sich selbst einen Fallstrick legt: das Ausnutzen des Tricks gelingt nur, wenn man sich der Gesetzeslücke heimlich bedient; die RCDS-Politik erfordert hingegen breiteste Propaganda, damit eine abzusehende Beseitigung der Lücke. Das Lavieren in einer „Grauzone“ des Gesetzes erzwingt die Antwort des Staates, denn dieser kann nicht zulassen, daß die Bürger Dinge mit den Gesetzen anstellen, die diese selbst nicht intendierten. Und erstes Ergebnis dessen, daß der RCDS dem Staat diesmal keine Aufgabe abnimmt, sondern ihm ins Handwerk pfuscht, ist, daß den vom RCDS intensiv beratenen Antragstellern in etlichen Bezirken die Sozialhilfe mittlerweile verweigert wurde. Aber die juristischen Mittel sind noch nicht voll ausgeschöpft, und deshalb empfiehlt der RCDS, trotzdem Sozialhilfe zu beantragen und bei Ablehnung Widerspruch einzulegen. Denn „die höchstrichterliche Entscheidung, ob sich Bafög mit BSHG verträgt, steht noch aus“.

 
Unverdrossen weitermachen

Der RCDS läßt also nicht locker. Um die soziale Lage und die Ausbildungsbedingungen der Studenten zu verbessern, nimmt er noch jedes gesetzliche Mittel wahr. Erst wenn die letzte richterliche Entscheidung' ihm das Mittel aus der Hand windet, verzichtet er und sucht nach einem neuen. Und er muß ständig suchen, denn die Lage der Studenten bleibt schlecht. Alle Mittel lindern oder überdecken – trotz der erfolgreichen Politik des RCDS – nur. die Mängel, die eigentlich zu beheben wären:

x– der Studienplatztausch läßt den NC unberührt
x– die Sozialhilfe ändert nichts am niedrigen Einkommen
x– trotz des in seine Schranken gewiesenen Bockelmanns bleibt die Lernfreiheit gefährdet.

Die Aktionen des RCDS sind Aktionen und haben Erfolg; hier werden die Interessen der Studenten aktiv vertreten. Er lügt nicht, wenn er sich als Garanten der „sachlichen Vertretung studentischer Interessen“ anpreist. Aber: die Sachpolitik ändert nichts an den Mängeln, die die Politik selbst hervorriefen. In der Art und Weise, in der der RCDS die konstatierten Probleme angeht, steckt der Verzicht auf die Lösung. Sämtliche Maßnahmen dienen nur dazu, sich unter gegebenen Umständen bestmöglich einzurichten, wobei die Zustände bestehen bleiben. Man kann dies auch Pragmatismus nennen, der dem RCDS ja lieb und teuer ist. Überhaupt mit den Dingen zurechtzukommen, ohne sich besonders um sie selbst zu kümmern, wird zu einer Tugend, wie folgendes Zitat in schönen Worten zu erkennen gibt:

„Sobald Sie erkennen, daß Sie selbst in Einseitigkeiten oder ständig sich wiederholenden Schwerpunkten erstarren, bleiben Sie nicht hartnäckig (dem Linksideologen gegenüber, der „Sie“ auf etwas festnageln will – d. Verf.). Kommen Sie zu neuen Fakten, zu neuen Schlußfolgerungen und zu neuen Motivationen. Andernfalls werden Sie der Unterlegene sein (und das wäre schlecht – d. Verf.) und sich selbst verkrampfen. Verkrampfung wirkt (!) aber letzten Endes wie Unsicherheit oder wie eine Niederlage.“ (Wie diskutiere ich..., S. 10)

Also schön locker, flexibel und sicher wirken – die Prinzipienlosigkeit zum Prinzip machen.
Was hier als Lebensweisheit verkauft wird, ist die Verhaltensregel für Leute, die ihr eigenes zweifelhaftes Tun und ihre Stellung dazu als Selbstverständlichkeit empfinden sollen. Sie sind handwerkliche Genies im unendlichen Fortspinnen des Bandes von Scheitern und Erfolg: jede Aktion bewirkt etwas und rüttelt doch nicht an dem grundsätzlichen Mangel, an dem, was sie selbst notwendig gemacht hat; ja, sie braucht sogar diesen Mangel, um Aktion sein zu können. Automatisch ist der Grund gegeben für's Weitermachen, die Politik stößt sich selbst an, wie ein Perpetuum mobile.

Da also jede Handlung sich notwendig aus mangelhaften Umständen ergibt und im Selbstzeugungsakt ihre Fortsetzung hervorbringt, braucht der RCDS keine Begründung dafür, sondern kann sich mit dem Machen allein beschäftigen und dies als selbstverständliche Notwendigkeit darstellen. Völlig verfehlt ist es, ihm seinen Aktionswillen und seine Aktionen sowie seine, Erfolge abstreiten und das ganze als Verschleierung ausgeben zu wollen: seine Handlungen selbst sind die Verschleierung – im erfolglos-erfolgreichen Weitermachen hebt sich die Kritik an den Ursachen dieser Aktionen beständig auf, verbietet sich jede theoretische Abschweifung zum Grund dieses Tuns als Zeitverschwendung und handlungslähmend.

 
Die Gesellschaft ist gut, aber so gut ist sie auch wieder nicht ...

Dem scheint nun zu widersprechen, daß der RCDS doch Aussagen zu seiner Politik macht, sozusagen neben sich tritt und sich rechtfertigt. Er bastelt nachträglich eine Theorie oder Ideologie für das, was er eh schon tut. Der Grund dafür ist nicht nur, daß es Zweifler und Spötter gibt, sondern die Konkurrenz macht ihm hauptsächlich zu schaffen: da gibt es viele, die behaupten, genau dasselbe wie er zu tun und es auch tun, hängen daran aber noch einen Schwanz von Erklärungen, die dem RCDS zuwider, sein müssen. Also muß die für sich selbst sprechende Interessenvertretung, in ihrer unverfälschten, eigentlich selbstverständlichen Art, nochmals betont und gerechtfertigt werden. Da sie aber so selbstverständlich ist, genügen dem RCDS hier einige Binsenweisheiten. Sie wollen wir ein Stückchen weiterdenken.

Die Politik des RCDS soll nach eigenem Zeugnis folgendes bewirken:

x– sie soll dem Einzelnen und seinen Interessen dienen und aus diesem Grund
x– Mißbrauchen entgegentreten, Entartungen beseitigen und schließlich
x– die bestehenden Zustände verbessern, nicht aber sie beseitigen.

Der RCDS spricht damit einerseits aus, daß das Gute an der Gesellschaft zu bewahren und zu sichern ist, andererseits will er aber auch alles verbessern. Damit ist eine Kritik geleistet: die Gesellschaft ist eben noch nicht gut, könnte es nur sein. Beidesmal wird an einem Ideal festgehalten: einmal am schon festgestellten, bestehenden, zum anderen am vorgestellten, zu erreichenden. Dies schlägt sich nieder in den beliebten Biedenkopf-schen Sprechblasen, in denen immer wieder neben dem Willen zur Systembewahrung natürlich auch die ausdrückliche Versicherung auftritt, man wolle das System auch verbessern. Abgrenzung gegenüber Jusos und anderen .Systemveränderern“ gelingt über da» Hochhalten des zu Bewahrenden, das zwar grundsätzlich gut, aber ...
Ein vernünftiger Mensch bekommt natürlich schon bei so einfachen Worten Schwierigkeiten: will man etwas bewahren, ist man damit zunächst mal zufrieden – der RCDS will aber auch so ziemlich alles verbessern, drückt also auch seine Unzufriedenheit an dem zu Bewahrenden aus.

So erfährt man z. B., daß die „Soziale Marktwirtschaft“ eine ganz prima Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sei, um dann an anderer Stelle zu lesen, daß der wesentliche Vorzug dieser Ordnung darin besteht, daß sie grundsätzlich verbessert werden kann. (Flugblatt des RCDS-Bundesvorstands zur Soz. Marktwirtschaft)

Aus dem Dilemma, eine Gesellschaft dadurch verteidigen zu wollen, daß man sie unentwegt bejammert, findet der RCDS einen verschlungenen Ausweg: er huldigt der Gesellschaft, indem er ihre Mangelhaftigkeit preist und doch als solche bezeichnet, indem er eingesteht, daß es Kritik gibt und doch als unerlaubt zurückweist – er nennt sie eine akzeptable, eine relativ gute, die bestmögliche.

 
Zurück zur Natur

In solchen Umschreibungen ist zunächst das Positive festgehalten und dies besteht darin, daß – so der RCDS – diese Gesellschaft der Natur des Menschen adäquat ist. Sie ist so wie sie ist, weil sie eine menschliche Gesellschaft ist, und weil die Menschen von Natur aus so sind, wie sie sind.

„Da der Mensch von Natur aus disparat(?) ist, d. h. beschränktes und brüchiges, oft auch widersprüchliches Wesen, ist es auch nicht möglich, einen endgültigen idealen Zustand unter den Menschen zu realisieren“ (Funktion und Auftrag des „C“, RCDS-Schriftreihe Nr. 7, S. 26).
„Der Glaube an Gott, der sich in Christus offenbart, verbietet dem Christen perfektionistischen Gesellschafts- und Weltmodellen nachzujagen.“ (Ebda., S. 25)

Als Positivum festgehalten ist also die Übereinstimmung von Menschennatur und Gesellschaft. Der RCDS faßt hier den Menschen ganz „wertneutral“ und streicht seinen politischen Realismus heraus, der darin bestehen soll, sich den Bedingungen einer menschlichen Gesellschaft zu unterwerfen.

Schon in der Existenz des RCDS dam 20.2.2012 drückt sich aber aus, daß ein solcher Gedanke so nicht bestehen bleiben kann, würde er sich doch damit selbst überflüssig erklären, und seine Mitglieder müßten sich darauf verlegen, Ärzte, Psychiater, Genetiker oder Pfaffen zu werden, um die „Mißbräuche und Entartungen“ zu heilen.
So ist demnach dem RCDS die Tatsache, daß es sich eben nur um eine relativ gute Gesellschaft handelt, ein Dorn im Auge und er will eine „sachbezogene“ (!) Politik machen, die auf Verbesserung der Zustände dringt. Und in den vorigen Beispielen haben wir etliche Phänomene gesehen, die der RCDS für durchaus abschaffenswert hält, denen er einen anderen, besseren Zustand entgegenhält.

 
Menschliches, allzu Menschliches

Damit hat der RCDS den großen Sprung nach vorn gemacht und die Bande der Natur abgestreift. Die Übereinstimmung von Mensch und Gesellschaft und auch die Naturnotwendigkeit der Gesellschaft ist keine mehr. War zuvor von der Gesellschaft als Resultat der menschlichen Natur die Rede – und „Realismus“ bestand in der Fügung darein – so hat die Gesellschaft nun Eigenständigkeit und fordert selbständige Hinwendung, eben „sachbezogene“ Politik.

Aber dieser Sprung landet doch wieder auf altvertrautem Terrain: zwar war im Verbesserungswunsch ausgedrückt, daß die Bindung an die Menschennatur nun doch nicht so schwergewichtig sein sollte, aber bei der Frage, warum die Gesellschaft zu verbessern ist, bleibt schließlich doch nur wieder der liebe Mensch übrig – für ihn soll alles geschehen, seiner Natur will die RCDS-Politik die Gesellschaft adäquat machen.
Das verrückte Ergebnis, das in diesem harmlos klingenden Satz enthalten ist, spricht Bände hinsichtlich der theoretischen Mühsale solcher Politik:

In der Übereinstimmung von Mensch und Gesellschaft – vom RCDS positiv vermerkt – ist das So-Sein der Gesellschaft unabänderlich. Im Verbesserungswunsch ist die Übereinstimmung aufgekündigt und ein Mangel konstatiert. Hält man an der ersten Aussage fest, so kann der Mangel nur in der Menschennatur liegen und die Verbesserung dieser Gesellschaft ist Beseitigung dieses Mangels, sprich: Kritik dieser Natur, die Erklärung ihrer Zweitrangigkeit gegenüber den Umständen. Daß an dieser Aussage festgehalten wird, zeigt sich darin, daß diese insgeheim „menschenkritische“ Politik sich ihrem Anspruch nach nun doch wieder dem zuvor kritisierten unterwirft und alle gesellschaftliche Veränderung sich erneut am So-Sein des Menschen mißt.
Natürlich ist all das ein monströser Zirkel und für die tatsächliche Politik des RCDS (jenseits allen Geschwätzes) ganz uninteressant. Nicht zufällig ist aber, daß der RCDS mit der Menschennatur nun seltsame Dinge anstellt, nicht zufällig ist auch, daß er – entgegen allen Fährnissen – am „Christlichen“ (dem „C“) festhält. Mit der Menschennatur nämlich nicht mehr ganz d'accord zu sein und doch sie anzuhimmeln, löst der RCDS dadurch auf, daß er nun einem Ideal der Menschennatur nachjagt und dieses zu verwirklichen trachtet – er hält also die Menschennatur weiterhin fest im Schatzkästlein seiner schönen Gedanken und will zugleich ihre reale Existenz praktisch aufheben. Verschwunden ist der vielbeschworene Realismus, der die Menschen noch so nahm, wie sie kamen: der RCDS hat sich zu einem handfesten Idealismus bekannt.

 
Politik als Schule des Charakters

Aus einem kleinen Satz, der hier für viele andere steht, läßt sich das alles ersehen:

„Der RCDS fordert daher im Interesse der gemeinsamen(!) akademischen Freiheit die Professoren zum Umdenken auf!“ (Hochschulmagazin, 1, 1975, S. 3)

Eine schlechte Tendenz an der Hochschule wird zurückverlagert in die schlechten Charaktereigenschaften der Professoren, demgegenüber am „Allgemeinen“ festgehalten, das allen nützen soll, und schließlich die Hoffnung ausgesprochen, daß die Professoren ihren Charakter veredeln, wenn man sie nur genug dazu auffordert, daß sie „umdenken“ können. Was so oft als Konstatieren des angeborenen menschlichen Egoismus in den Schriften des RCDS zu lesen ist, wird nun zum Eingeständnis, daß ihm dieser Egoismus nicht paßt, und zum sehnlichen Wunsch, der Mensch selbst möge doch diesen seinen angeborenen Charakterzug aufgeben.

 
Das hohe „C“ kommt jetzt

Dieser Mischmasch macht nun auch endlich erklärlich, warum sich der RCDS ständig mit der unsinnigen Frage des „Christlichen“ in seinem Programm herumschlägt: er beharrt darauf und will doch zugleich immer was ganz anderes, das „C“ soll nur als Symbol stehen. Die schwülstigen Sprüche, die anläßlich dieses Dilemmas immer wieder hervorquellen, stehen genau zwischen dem christlichen Weltverbesserertum, das alles mögliche von den Menschen verlangt, und der realistischen Einsicht, daß die harten Fakten dieser Welt nun mal was ganz anderes sind; das „C“ wird konsequent zum alles verdeckenden Wortbrei, in dem nach Belieben der Wunsch nach Veränderung, der Wunsch nach Bewahrung, die Kritik und die Verherrlichung des Menschen, die Kritik und Affirmation der Gesellschaft zusammengemischt werden, um jedem die Möglichkeit zu geben, sich das gerade Passende herauszusuchen:

„Gerade aus dem ,C‘ heraus läßt sich der Zwang zu einer progressiven, dynamischen und offensiven Politik entwickeln ... Gerade für den Christen sollte klar sein: Glaube kann nie mit dem Status quo zufrieden sein; darum bedeutet er heilsame Unruhe, darum muß er radikale Fragen stellen. Inwieweit eine derartige Haltung (!) nicht auch die Möglichkeit (möglich ist Jetzt natürlich alles – d. Verf.) revolutionärer Veränderung impliziert, sei dahingestellt (1). „C“ heißt, zwischen dem Weg des totalen Pragmatismus und des totalen Ideologismus einen (na was wohl? natürlich einen:) konsequenten Mittelweg einzuschlagen.“ (Funktion und Auftrag des „C“, RCDS-Schriftenreiche Nr. 7, S. 6 f.)

 
Die RCDS-Ideologie: ein Gedankenwurmfortsatz der RCDS-Praxis

Wir erhalten ein widersprüchliches Resultat: die Begründung für seine positive Stellung zu der Gesellschaft ist dem RCDS deren Identität mit der Menschennatur – die Grundlage seiner Politik ist ihm die Trennung beider, die Kritik an der Menschennatur, die eigenständige Zuwendung zu den „Sachen “. Der RCDS fordert den Primat der Gesellschaft über die Menschen – aber im Namen eben dieser Menschen. Will man vor solchem Wust nicht einfach nur kapitulieren und der sich aufdrängenden Schlußfolgerung, daß es sich beim RCDS um einen Verein von Spinnern handelt, sofort nachgeben, so bleibt nur eins: dieses ganze Menschheitsgefasel ist ein für die Politik des RCDS völlig unnötiger Gedankenwurmfortsatz – und dennoch die notwendige gedankliche Konsequenz.

Daß die Ringdemokraten solche Gedankenfragmente im Kopf haben und zugleich mehr als dieses nicht entwickeln können, ist nur logisch. Spätestens an dem Punkt, wo sich die Kritik an den Menschen eingeschlichen hat, ist klar, daß der Glaube an die Natur und Naturnotwendigkeit bloß ideologisches Moment ist, daß im Schwanken zwischen Unterwerfung unter diese Natur und idealistischen Appellen an sie sich nur mehr der vorab bestehende Wille ausdrückt, sich in der bestehenden Gesellschaft irgendwie zurechtzufinden, ohne fragen zu müssen, woher die Schwierigkeiten mit ihr kommen. Gesellschaft und Natur sind immer beides: gut und schlecht – und dies gilt als unabänderlich!

 

Sozialismus als Charakterfehler

Die Ausrede dafür, warum die eigene Politik sich immer wieder als mangelhaft herausstellt, ist damit natürlich auch gegeben: sie muß immer wieder an die Schranke der Menschennatur stoßen – und soll darüber hinausgehen. Politik ist ewiges Ringen des bescheidenen Menschen in einer „offenen Gesellschaft“ zum Wohle aller usw. usw.
Umgekehrt ist auch klar, daß diejenigen, die diese Bescheidenheit nicht herzeigen und sich nicht auf RCDS-Manier ins Unabänderliche fügen, der kritischen Haltung des RCDS gegenüber den Menschen nur Nahrung geben. Ohne Schwierigkeiten kann er sie als im wörtlichen Sinne Mißgeburten bezeichnen, die wahnhafte Ideen in ihren Köpfen entwickeln und deren Verhalten nur als Resultat schwerer Charakterdeformationen zu begreifen ist. Ein RCDS-ler ist damit auch vor solchen Ideen gefeit und kann nicht mehr in die Versuchung kommen, sich mit solchen Vorstellungen überhaupt auseinandersetzen zu müssen.

Im Gegenteil: er weiß, daß er den Feind zu schlagen hat, wo er ihn trifft, daß er der Laune der Natur hier etwas korrigierend nachhelfen muß wenn sie schon selbst nicht so verquere Köpfe ausmerzt. Was sich im Erscheinungsbild darin kundtut, daß RCDS-ler hin und wieder als tatkräftig unterstützende Handlanger der Polizei auftreten und dies den gewöhnlichen Kritikern schlagender Beweis für die abgefeimte Raffiniertheit dieses Studentenrings ist, stellt sich nun als konsequente Fortsetzung wirrköpfiger Politik, die doch nur das normale verkörpert, heraus: wenn man mit seinen Gedanken nicht mehr weiterkommt, dann muß die „Klärung“, die Scheidung zwischen Gut und Böse, eben handgreiflich-praktisch vollzogen werden. Seine Überzeugung sagt dem RCDS, daß er nun im Dienst der guten Sache alles mögliche machen kann – und kein Zweifel kann daran bestehen bleiben. Hier einmal angelangt, müssen einem auch folgende Überlegungen eines C. Schnauber als durchaus vernünftig und abgewogen erscheinen:

„Als im sog. Weihnachtskrieg gegen Militäranlagen in Nordvietnam auch die Zivilbevölkerung getötet wurde … ging mit Recht eine Empörung durch die Welt ... Die Linksideologen nutzten ihre Gelegenheit und sprachen vom größten Massenmord in der Geschichte und zählten bereits Millionen von Toten. Der Präsident ... aber schwieg. Hätte er nur ein einziges Mal verkündet ... daß selbst die Nordvietnamesen von nur 1600 getöteten Menschen sprachen (für uns allerdings sind 1600 Menschen zu viel) ... so hätte er so manche Empörung mildern können.“ (C. Schnauber, a. a. o.. S. 17)

An seinem praktischen, von wenig Skrupeln geplagten Handeln, zeigt sich denn auch: Zum einen kommt es dem RCDS auf seine wenigen ideologischen Versatzstücke gar nicht an, zum anderen kehrt sich diese „Ideologie“ – auf den Begriff gebracht – gegen ihn:

x– es kommt ihm nicht darauf an, weil er für seine Politik keine Begründung, höchstens eine Rechtfertigung gegen xxxxxxKritiker braucht, weil ihm sein praktisches Handeln selbst genug ist und er zurecht mit Stolz von sich sagen xxxxxxkann: „Die Taten und Erfolge des RCDS sprechen für sich“;

x– sie kehrt sich gegen ihn, weil nun seine ursprüngliche Behauptung „Politik für die Menschen“ machen zu xxxxxxxxxxxxxwollen, auch ihr grades Gegenteil zeigt, nämlich Politik ganz unabhängig von irgendwelchen xxxxxxxxxxxxxVorstellungen über die Menschen zu machen, weil aus der Betrachtung dieser „Ideologie“ folgt, xxxxxxxxxxxxxdaß ihm die bestellende Gesellschaft über alles geht und er sich dann noch alle möglichen Sachen xx xx xxxxxxxxxüber die Menschen ausdenkt.

Tatsächlich macht er sich zum blinden, pragmatischen Handlanger der Umstände, in denen herumzuwerkeln seine ganze Identität ausmacht. Zwar muß einer, der sich so den Umständen, dem praktischen Sich-Zurechtfinden anheim gegeben hat, wohl notwendig auf solche Gedanken kommen, die alles ins Ewig-Menschliche, in die Naturnotwendigkeit hineinlegen wollen, aber für die Begründung seines Handelns springt dabei nichts heraus.

 
Realistische Politik fordert nur das, was es schon gibt

Solche Politik ist also blinde Unterwerfung unter die Umstände – nicht umsonst führt sie ständig den „Sachzwang“ im Munde –, sie ist tatsächlich „Politik ohne Dogma“, Politik, deren Leitlinie ausschließlich darin besteht, daß sie so, Wie sie ist, fortgeführt wird. Und ihr Credo ist – sofern man so etwas Bewußtseinsmäßiges überhaupt noch unterstellen mag:

x– der gesunde Menschenverstand, die vorgegebenen Anhaltspunkte, Hindernisse, Daten und Umstände des xxxxxxxxxxalltäglichen Handelns, ihr Credo ist die Soziale Marktwirtschaft und die Demokratie. Man muß daran xxxxxxxxxxxglauben, weil es sie gibt und eine realistische Politik nun mal mit den Realitäten umzugehen hat.

„Den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und historischen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland entspricht am ehesten das Ordnungskonzept der Sozialen Marktwirtschaft.“ (Beschlüsse des RCDS zur Gesellschaftspolitik, RCDS-Schriftenreihe Nr. 12, S. 7)

Wer möchte denn ernsthaft bezweifeln, daß der Sozialen Marktwirtschaft am ehesten die Soziale Marktwirtschaft entspricht?

 
Der Staat als Weihnachtsmann und Prügelknabe

Daß im Umgang mit den Realitäten schließlich der Staat für das Handeln des RCDS die dominierende Stellung erhält, war schon aus unseren drei anfänglichen Beispielen ersichtlich: bei der Einschränkung der Lernfreiheit bleibt dem RCDS nichts anderes übrig, als sie hinzunehmen und sich aufs Kritisieren zu beschränken, denn der Staat tritt hier übermächtig und qua Gesetz auf; beim NC sind die Möglichkeiten schon größer, denn der RCDS kann nun ein Feld übernehmen, das der Staat ihm offengelassen hat, er kann einen staatlichen Mangel kompensieren; beim Bafög schließlich pfuscht der RCDS dem Staat ganz eindeutig ins Handwerk, läßt seine Kritik an ihm zu einem Handeln gegen den Staat werden, jedoch nur solange, wie der es erlaubt.

Wie für jeden vernünftigen Staatsbürger, ist auch dem RCDS-ler selbstverständlich, daß der Staat die Instanz ist, an die alle Wünsche und Kritik zu richten sind. In ihm findet die eigene Politik ein Spiegelbild, und zwar indem sie sowohl ihre eigenen Mängel und Beschränkungen auf ihn projizieren kann, als auch in ihm eine artverwandte Institution sieht, die mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Und da es an der Gesellschaft als vorab akzeptierter nichts auszusetzen gibt, trotzdem aber alles schlecht und ständig Grund für politisches Handeln vorhanden ist, muß schließlich die Instanz, die als Zusammenschluß der diversen politischen Willensäußerungen sich darstellt und souverän in die Gesellschaft eingreifen kann, als Prügelknabe herhalten, für den Nicht-Erfolg der Politik geradestehen. Gerade aus diesem Argument folgt aber auch das genaue Gegenteil: da der Staat nur Ausdruck des politischen Willens ist und dieser notwendig zum Scheitern und ewigen Weitermachen verurteilt, ist der Staat in seiner Mangelhaftigkeit richtig so, wie er ist, und mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Der demokratisch-vernünftige Staatsbürger zeichnet sich also dadurch aus, daß er über die Gesellschaft, in der er lebt, sich keine Gedanken mehr macht, an seinen Staat aber ständig herumnörgelt, ohne ihn jedoch ein einziges Mal damit in Frage stellen zu wollen.

Der RCDS und der Staat, das sind zwei, die zusammenpassen – und beide zusammen passen sie zu dieser Gesellschaft.

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RCDS und Wissenschaft

Mutig stürzt sich der RCDS in das Abenteuer Wissenschaft:

„Wissenschaft ... ist ... zu begreifen als ständiges Bemühen um gültige Erkenntnisse (selbstverständlich in aller Offenheit für Prämissen und Methoden) in der Einsicht der Notwendigkeit, Ergebnisse und Methoden immerfort einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.“

Und er sagt gleich dazu, wie Wissenschaft beschaffen sein soll:

„Wissenschaft muß so beschaffen sein, daß ihre Ergebnisse stets verändert werden können.“

Dies scheint ein Widerspruch, denn gültige Erkenntnisse, die immerfort revidiert werden, sind nun mal keine, was der RCDS denn auch gleich programmatisch ausdrückt:

„Ob aber die wirkliche Wirklichkeit (?) immer unseren logischen Vorstellungen entspricht, muß entschieden verneint werden.“

Und warum ist die „wirkliche Wirklichkeit“ so etwas undurchschautes und undurchschaubares? Nun, die Antwort ist klar:

„Wir glauben uns zu dieser Aussage deshalb berechtigt, weil uns ursächliche (?) Erfahrung (?) und unmittelbare Einsicht (?) darauf hinweisen, daß Menschen nicht alles letztlich erkennen und begreifen können.“

Freilich handelt es sich hier nur um einen scheinbaren Widerspruch, wenn man „gültige Erkenntnisse“ immerfort revidieren muß: zwar gibt es „Gesetze der Logik“, die einem erlauben,

„neue, richtigere Aussagen zu suchen“, aber dies sind Gesetze, die nur im Kopf des Menschen existieren, während die „Wirklichkeit“ ja was ganz anderes ist:

„Logik ... Kausalitäten, Schlußfolgerungen usw. (sind) eine Sache (lediglich) des Menschen, speziell (1) seines Bewußtseins, nicht aber der Wirklichkeit.“

Und diese Gesetze, da ja Eigenschaften der mangelhaften Menschennatur, sind zwar für diese gültig und richtig, aber eben auch – gemessen an der „Wirklichkeit“ – mangelhaft, ganz unpassend.
So denkt sich der Mensch also eins und ist sich auch sicher, wie er zu denken hat, zugleich ist das jedoch alles für die Katz und er könnte es auch bleiben lassen.

Dem unangenehmen Gedanken, daß er sich nun eine Menge bombastischer Gedanken über etwas absolut Nichtiges hat einfallen lassen, begegnet der RCDS durch die schlichte gegenteilige Behauptung:

„Wenn auch offene Wissenschaft keine absoluten Wahrheiten erkennen kann (andere Wissenschaft vielleicht doch?, d. Verf.) so sind Ihre Ergebnisse nicht wertlos.“

Wie kommts, daß eine Wissenschaft, die mit der „Wirklichkeit“ nichts anfangen kann, immer wieder fassungslos vor deren unendlichen Vielfalt steht, nun doch einen gewissen Wert hat?

Der RCDS sagt es uns: diese Wissenschaft ist gut so, weil sie der Gesellschaft entspricht – beide sind sie „offen":

„Nach unserem Wissenschaftsverständnis kann es nämlich nicht Aufgabe wissenschaftlicher Aussagen sein, die Handlungsmöglichkeiten einzuschränken auf eine einzige, sondern es muB Aufgabe der Wissenschaft sein, zu zeigen, welche Lösungen mit welchen Folgen sich anbieten. Nur wenn Wissenschaft Handlungsalternativen anzubieten vermag, erweist sie sich als offen.“

In dieser Gesellschaft soll jeder nach seinem Gusto handeln können dürfen müssen und eine Wissenschaft, die da beliebig „Handlungsalternativen“ bereitstellt, macht es jedem recht, ist also eine wahrhaft freiheitlich-demokratische Wissenschaft. Umgekehrt: Wissenschaft, die zu einer bestimmten Alternative führt, ist schlechte Wissenschaft, Un-Wissenschaft:

„Aussagen und Erklärungen, die sich nicht (an der offenen Wissenschaft und Gesellschaft orientieren, können für sich Wissenschaftlichkeit nicht beanspruchen Wissenschaft muß daher zwangsläufig pluralistisch gestaltet sein.“

Aus der Bedeutung fürs Handeln ist also endgültig geklärt, wie das Dilemma, ob es überhaupt richtige Wissenschaft gibt, zu lösen ist: man muß der Wissenschaft einfach vorschreiben, wie sie zu sein hat – dadurch wird sie dann richtig. Sie muß demokratisch sein, d. h. sie muß selbst erklären, daß sie was Gewisses nicht weiß und daß sie jedermann offensteht für seine Zwecke, wovon es ja viele gibt. Und darum wird die „offene Wissenschaft“ ganz schön zugeknöpft, wenn sie auf einen Menschen trifft, der anderen seine Alternative als allein gültige aufschwätzen will. Zwar weiß man nicht, was die „Tatsachen“ sind, aber daß eine unpluralistische Wissenschaft die „Tatsachen verdreht“, das weiß man. Zwar weiß man nichts über die „Wirklichkeit“, aber wenn die verkannt wird, merkt man das sofort. Was auf dem Feld der Wissenschaft nicht entschieden werden kann, das weiß die „Wirklichkeit“ schon lang: daß sie nämlich so ist, wie sie ist, und auch gar nicht anders sein kann und der Wissenschaft, die was anders behauptet, wird sie eins auf's Haupt geben – „offen“ wie sie ist.

(Alle Zitate aus „RCDS-Hochschulmagazin, Bayern“)

 

aus: MSZ 4 – 1975

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