Wohnungsnot und Mietpreis

Krieg den Hütten, Friede den Palästen!


„Was bleibt den gebeutelten Mietern: Natürlich der Grundsatz, sich nur nichts gefallen zu lassen.“ (DGB München)

In der Bundesrepublik gibt es ,,wieder Wohnungsmangel“. Die Zeitungen berichten von den Schlangen vor den Zeitungsverlagen und dem ,,gnadenlosen Wettbewerb“ unter den Mietern; in München weiß die Süddeutsche Zeitung, daß „der Wohnungsmarkt zum Erliegen gekommen ist“. Gleichzeitig versichern die zuständigen Wohnungsbauexperten, daß es sich dabei nicht um eine Wohnungsnot, sondern um eine ,,qualitative“ handelt. Erstens besteht eine Notlage nur in den Ballungszentren. Und zweitens kommt jeder Wohnungsbauminister, der nachrechnet, wie groß die Stadtflucht im Verhältnis zu den neu gebauten Wohnungen ist, auf einen theoretischen Wohnungsüberschuß.

„Der Wohnungsmangel, heute schon in manchen Ballungsgebieten wieder bitter akut, ist keine existentielle Not, die ging vor Jahren schon zu Ende. Er wird vielmehr hervorgerufen durch die zu geringe Neubautätigkeit einerseits und die steigende Zahl von Wohnungen, die heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen, auf der anderen Seite. (Volker Wörl in der Süddeutschen Zeitung)

Neben der Frechheit des Wirtschaftsredakteurs, die Not der Leute, die als mehrköpfige Familie in einer Zweizimmer-Wohnung ohne Klo und Bad leben, als „nicht existentiell“ zu bezeichnen, wirft der solchermaßen festgestellte Sachverhalt noch einige Fragen auf. Denn zum einen ist uns nicht bekannt, daß besonders viele dieser sanierungsbedürftigen Wohnungen leer stehen würden, weil sie im Zweifelsfall sofort an Gastarbeiter weggehen. Zum anderen ist die Feststellung, die Neubautätigkeit sei „zu gering“, das Angebot an Wohnungen also nur deswegen zu klein, weil die Nachfrage gestiegen ist, keine Erklärung des Wohnungsmangels. Das knappe Angebot hat durchaus seine eigenen Gründe.

Wirtschaftssachverständige und Geldbesitzer klagen darüber, daß die staatliche Wohnungsbaupolitik und Mietgesetzgebung den Wohnungsmarkt zum Erliegen gebracht hätten.

„Traditionelle Großanleger auf dem Wohnungsmarkt wie die Versicherungen haben sich mehr und mehr aus dem Geschäft zurückgezogen. »Insbesondere im Wohnungsbau«, heißt es im jüngsten Geschäftsbericht der Allianz-Versicherungs-AG, »erschweren gesetzgeberische Maßnahmen es zunehmend, die steigenden Erhaltungs- und Verwaltungsaufwendungen zu decken und darüber hinaus noch eine angemessene Rendite zu erwirtschaften«.“ (Spiegel 31/77)

Solche Erklärungen darf man allerdings nicht mißverstehen. Es liegt hier kein Bericht über Wohnungsbauer vor, die wegen der Baukostensteigerungen Pleite gegangen wären. Alle Klagen von Großanlegern, wie wenig man heutzutage im Wohnungsbau verdient, geben lediglich Auskunft, wie gut die Geschäfte auf anderen Wohnungsbau- und sonstigen Gebieten laufen. Wenn den Bauherren „die Preise davonlaufen“,

„Das Prunkstück traditioneller Bauweise, der Ziegel erfuhr seit 1977 eine Verteuerung von immerhin 35-40 Prozent.“ (SZ, 27.1.1979)  

und am Grundstücksmarkt die Preise ,,explodieren“, liegt das nicht an einem noch unbekannten Geldentwertungsfaktor, sondern an der Tätigkeit der Bauherren selber. Die errechnete Unrentabilität von Wohnungen beruht dabei auf einem hypothetischen Vergleich, dem ein florierender Markt zugrunde liegt.


Ein florierender Markt

Geschäftshäuser ...

Bekanntlich ist der Bau von Geschäftshäusern nach wie vor eine lohnende Sache, weil Firmen entsprechend ihrer Geschäftskalkulation hohe Preise zu zahlen bereit sind, so daß

„Hunderte von Millionen Mark am Wohnungsbau vorbei in den gewerblichen Bau fließen, in dem noch (!) eine Verzinsung möglich ist.“

Die Bevölkerung hat also zu gehen, wenn gewerbliche Gebäude hingestellt werden sollen.


... Wohneigentum ...

Die Anlage von Geld in Wohnhäuser ist eine langfristige, dafür um so sicherere Investition.

„Wer in der Vergangenheit ein Mietshaus gebaut hat, darf sich heute glücklich schätzen. Natürlich hatte er eine »Durststrecke« von einigen Jahren zu überwinden, aber dann verdiente er ganz hübsch daran und erfuhr und erfährt die Wahrheit, daß ein solider Sachwert, wie ein Haus, allemal das beste Mittel gegen die Inflation ist, da der Besitzer (relativ) gutes, gepumptes Geld mit wertloser werdendem Geld zurückzahlt.“ (Ernst Behrens, SZ, 23.4.79)

Eine realistische Kalkulation heutzutage dagegen sieht anders aus. Wenn der Hausbesitzerverein klagt, daß Hauseigentümer „nicht mehr wie früher die Chance haben, in die Kostendeckung hineinzuwachsen“, so heißt das, daß der Vorteil einer langfristigen Geldanlage in Grund und Boden, deren Sicherheit im garantiert steigenden Bodenpreis liegt, angesichts kurzfristig zu erzielender Gewinne zu einem Nachteil erklärt wird. Einen schnellen Schnitt mit entsprechend höherer Rendite macht man mit dem Hinstellen und Verscherbeln von Eigentumswohnungen und -häusern, bei dem man vor allem die rapide steigenden Bodenpreise gleich wieder zu Geld macht. Der Fortschritt, der hier auf dem Baumarkt erzielt worden ist, besteht darin, daß die Spekulation zur allgemeinen Geschäftsgrundlage geworden ist, die auch in Kauf nimmt, daß trotz allgemeiner Verknappung auf dem Wohnungsmarkt massenhaft unverkäufliche Eigentumswohnungen herumstehen.

Auf Basis gut laufender Geschäfte wird die Verzinsung des Kapitals, das man in Grund und Boden auslegt, entsprechend hoch, nämlich doppelt, drei- und mehrfach berechnet. Neben den Zinsen der Hypothek und der Rückzahlungsquote, in der der Bodenpreis ersetzt wird,('und von da an dem eigenen Kapital zugerechnet wird) wobei die Laufzeiten der Hypotheken mittlerweile auf fünfzehn, teilweise auf zehn Jahre reduziert worden sind, soll für den Unternehmer selbst eine Rendite abspringen und sich nach Möglichkeit noch der steigende Bodenpreis auch ohne Verkauf des Grundstückes in klingender Münze niederschlagen. Das kalkulierende Gejammer über mangelnde Möglichkeiten, ,,kostendeckende“ Mieten zu erzielen, hat dabei seine Realität in dem Vergleich, den das Grundbesitzerhirn anstellt, so daß einerseits auch hier die Gelder am Mietwohnungsbau vorbei in den Eigentumswohnungsbau fließen und dementsprechend auch staatlicherseits für die ,,Konjunkturstütze Eigenheimbau“ die städtischen Bebauungspläne geändert werden; andererseits die Eigenheimkäufer zum Maßstab genommen werden, was sich im Prinzip für Mieten erzielen lassen.


... und Altbausanierung

Eine weitere lukrative Quelle des Erwerbs ist die Sanierung alter Häuser oder ganzer Stadtviertel geworden. Auf Grundlage staatlicher Zuschüsse oder dem Entscheid der Städte, ,,heruntergekommene Stadtviertel“ zu einem ,,attraktiven Wohngebiet aufzupolieren“, wird hier die Qualität des Wohnraums „verbessert“, d.h. die Investition auf die Mieter umgelegt, wenn man sein Haus nicht nach dem Bauherrenmodell oder irgendwie in Eigentumswohnungen verwandeln konnte oder wollte. Allerdings hat der Staat hier für die Vermieter ein paar Härten eingebaut; sie können ihre Ausgaben nämlich „nicht vollständig“ auf die Mieter ab wälzen, sondern jährlich nur 14 %, bei Inanspruchnahme von staatlichen Mitteln sogar nur 11 %.

Für die Mieter, denen eine Sanierung ins Haus steht, ist dies allemal „keine frohe Botschaft“: Bauschutt in der Wohnung, im Winter keine Heizung, weil der Kamin zugemauert wurde etc., um die renovierte Wohnung an solventere Kunden weiter zu vermieten. Und alles mit gesetzlichem Kündigungsschutz, versteht sich. Das macht dem Staat allerdings riesige Sorgen:

„In solchen Fällen besteht die Gefahr, daß Mieten entstehen, die für den Lebensstandard der Mehrzahl der Bevölkerung Haidhausens unerschwinglich werden.“ (Erich Kiesl) (Und wir haben nach dem Lamento der Hausbesitzer immer gedacht, das wäre gar nicht möglich.)


Die Nachfrage

Ein privater Mieter, der mit Firmen konkurrieren muß, für die die zu zahlende Miete von nichts ein Abzug, sondern Geschäftsunkost ist, die also kalkulieren, ob man den von Grundbesitzern in entsprechend guter Lage diktierten Preis für das Florieren des eigenen Geschäfts bezahlen will, gerät also zunehmend in Schwierigkeiten. Deswegen machen sich bei ihnen auch die Unterschiede geltend, daß bei den einen die Miete Schmälerung ihres Reichtums ist, während die anderen sie sich schlicht nicht mehr leisten können, weil die Miete bei ihnen Abzug von dem, was sie zum Leben benötigen, ist.

Während die erste Kategorie für eine günstige Marktlage, Verkehrslage etc. zahlt, die zweite für „mehr Wohnkomfort“, wobei die infolge der Städtesanierung verbesserten Wohnungen wieder eine „Alternative zum althergebrachten Häuschen im Grünen“ werden, muß die dritte Kategorie etwas schärfer rechnen. Die steigenden Mieten stellen sie vor die Alternative, sie entweder zu zahlen, oder in Zukunft längere Fahrten zum Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, so daß die Überlegerei losgeht, wo man überall etwas einsparen kann, ob nicht die Frau mit zum Arbeiten gehen muß oder man es nicht durch Krummlegen schaffen kann, sich von der Miete unabhängig zu machen und sich weit draußen ein eigenes Reihenhaus zu kaufen.

Die Grundbesitzer verdienen also an der gesellschaftlichen Entwicklung, die Geschäftswelt und Arbeitsvolk in den Städten konzentriert, und sorgen erklärtermaßen selbst mit dafür, daß sie davon entsprechend profitieren, indem sie das Angebot knapp halten, also keine Mietwohnungen bauen, wenn sie sich nicht genügend davon versprechen. Ihr Eigentumstitel garantiert ihnen, sich auf der einen Seite an den Geschäften finanziell zu beteiligen, die getätigt werden, auf der anderen Seite, die Not der Leute auszunützen, die ein Dach über dem Kopf brauchen und daher gezwungen sind, die Preise, die verlangt werden, zu zahlen.

„Daß es nur der Titel einer Anzahl von Personen auf das Eigentum am Erdball ist, der sie befähigt, einen Teil der Mehrarbeit der Gesellschaft sich als Tribut anzueignen und mit der Entwicklung der Produktion sich in stets steigendem Maße anzueignen, wird durch den Umstand verdeckt, daß die kapitalisierte Rente, also eben dieser kapitalisierte Tribut als Preis des Bodens erscheint und dieser daher wie jeder andere Handelsartikel verkauft werden kann. Für den Käufer erscheint daher sein Anspruch auf die Rente nicht als umsonst erhalten, sondern als zu seinem Äquivalent bezahlt. Ihm erscheint die Rente nur als Zins des Kapitals, womit er den Boden und damit den Anspruch auf die Rente erkauft hat. Ganz so erscheint einem Sklavenhalter, der einen Neger gekauft hat, sein Eigentum an dem Neger nicht durch die Institution der Sklaverei als solche, sondern durch Kauf und Verkauf von Ware erworben. Aber der Titel wird durch den Verkauf nicht erzeugt, sondern nur übertragen.
Vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem anderen Menschen.“ (Karl Marx, Das Kapital, Bd. III, S. 784)


Die ordnende Hand

Mieterschutz ...

Über dem schlechten Witz, über den sich Wohnungsbauminister und Unternehmerwelt einig sind, daß ein ,,Überangebot“ an Wohnungen der „beste Mieterschutz“ sei – als sei nicht bei Wohnungen die Knappheit die bleibende Grundlage des Geschäfts und als ginge es bei den Geschäften im Wohnungsbau um die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum – vergißt ein Minister natürlich nicht, daß bei den Mietwohnungen der Gewinn mit der Armut der Leute gemacht wird.

„Ohne staatliche Hilfe erreichen die leistungsschwachen Gruppen eine menschenwürdige, gruppengerechte (heißt wohl, jedem das Seine) Wohnungsversorgung nicht.“ (Bundeswohnungsbauminister Haack)

Der Staat sieht sich daher veranlaßt, den Wohnungsmarkt, der natürlich als freier Markt anerkannt ist, so zu regeln, daß die leistungsschwachen Gruppen nicht von vornherein aus der Konkurrenz fallen; schließlich soll mit ihnen ja das Geschäft gemacht werden. Von interessierten Kreisen werden diese Regelungen als Beschränkungen angesehen, die besagtes Wohnungsüberangebot verhindern.

„In jenen Jahren, als die Mieten noch eingefroren waren (bis 1976) erlaubte der Gesetzgeber den Hauseignern durchschnittlich etwa alle zwei Jahre zehn Prozent höhere Mieten. Jetzt, da der Wohnungsmarkt frei ist, zementiert der Mietspiegel den Status quo, das heißt, gemessen an der freien Wohnungswirtschaft war die Zwangswirtschaft herrlich frei.“ (Der Spiegel)

Mit der Abschaffung der Wohnraumbewirtschaftung und der Mietpreisbindung nach dem Krieg, überläßt der Staat nun mit dem Urteil, daß genügend Wohnungen vorhanden sind, die Mietpreisfindung dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage auf Basis des Grundbesitzermonopols. Das 2. WRKSchG (Wohnraumkündigungs-schutzgesetz) verhindert dabei natürlich nicht Kündigungen, sondern erschwert lediglich solche zum Zwecke der Mieterhöhung, und verschafft so dem Vermieter steigende Einnahmen, ohne daß sich der Mieter laufend auf die Straße gesetzt sieht. Mit der Vergleichsmietenregelung gibt der Staat sich selbst ein Instrument in die Hand, zu beurteilen, ob es sich in ausgesuchten Fällen um eine ,,ungerechtfertigte“ Ausnützung des Monopols an Grund und Boden, also um sog. Mietwucher handelt, oder ob der Kunde die steigende Miete aufzubringen hat, und sorgt mit der Knüpfung des Mietpreises an bestimmte Leistungen zumindest für die Illusion, daß man sein Geld für den Wohnwert aufwendet, sofern es sich nicht von vorneherein um eine gerechtfertigte Mieterhöhung infolge zusätzlich aufgewandten Kapitals handelt. Im übrigen sorgen inzwischen vereidigte Sachverständige, deren Eid dafür garantiert, daß sie stets auf dem laufenden sind und so auch ganz ohne Bestechung – entsprechend honoriert – den Wert einer Wohnung nach Lage, Einrichtung etc. beurteilen können, für eine Beschleunigung der Mietspirale.


... Wohngeld ...

Um den weniger betuchten Bürgern das Mitbieten auf dem Wohnungsmarkt zu ermöglichen, zahlt der Staat im Bedarfsfälle den Mietern einen Zuschuß zur Miete und subventioniert damit unmittelbar den Grund- und Bodenmarkt. Klar, daß Unternehmer dies für die einzig angemessene Form des Mieterschutzes halten.

Mit der Entscheidung des Staates, „Subjektförderung“ zu betreiben, ist im übrigen auch die Frage der Kosten, die das Grundeigentum Staat und Unternehmern bereitet, erledigt, in deren Gefolge diskutiert wurde, ob nicht das Grundeigentum überhaupt abgeschafft werden solle. Die Entscheidung fürs Eigentum ist dem Staat dabei durch den Umstand erleichtert worden, daß sich der Grundbesitz ohnehin in den Händen des Kapitalisten befindet. Den wenigsten Jusos ist dabei aufgefallen, daß die Enteignungsdebatte just in dem Moment geführt wurde, als es darum ging, bei Grund und Boden mehr Markt durchzusetzen, während die anderen immer noch darauf beharren, daß der Mieter mit dem staatlichen Schutz nicht schlecht dasteht.


... und sozialer Wohnungsbau

Weil der freie Unternehmergeist nicht dazu führt, den Leuten mehr Wohnungen zur Verfügung zu stellen, wenn sie benötigt werden, hilft der Staat der Kalkulation nach. In seiner Objektförderung vergibt der Staat Mittel der Steuererleichterungen an die Bauträger mit der Auflage, über einen gewissen Zeitraum nur kostendeckende Mieten zu verlangen und sorgt andererseits mit Zinszuschüssen zu den Hypothekarzinsen dafür, daß der soziale Wohnungsbau auch für die Bauträger sozial ist.

So verfallen auch die städtischen Wohnungsbau-Gesellschaften, die selbst den Sozialwohnungsbau in die Hand nehmen, ebenso wie die gewerkschaftseigene Neue Heimat kaum dem Sozialismusverdacht, wenn sie sich marktkonform geben, diese Unternehmen wirtschaften natürlich auch und haben sich erst unlängst Kostenmieten von 12,–  bis 14,–  DM pro qm in den beliebten Trabantenstädten ausgerechnet.


Staatliche Wohnungsplanung

Der Vorwurf an den Staat, der freie Markt würde durch den Staat beschränkt und führe deswegen zu unliebsamen Auswirkungen, ist natürlich saublöd, weil schließlich er auf einem Gebiet für einen freien Wohnungsmarkt sorgt, wo es sich die Leute eigentlich gar nicht leisten können und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Ebensowenig ist die mangelnde Ausweisung von Bauland der Grund für den Wohnungsmangel in den Städten; der Staat war sich hier nämlich mit den Unternehmern einig, daß die Halden von unerschwinglichen Eigentumswohnungen ein Zeichen für die Sättigung des Marktes sind und man keinen zusätzlichen Wohnraum mehr braucht. Es ist eben stets die Entscheidung des Staates, wieviel Wohnraum der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden muß, die mit ihrer Bereitstellung von Geldern, Neuzuweisung von Bauland die privaten Aktivitäten in Schwung bringt und Gegenstand der unternehmerischen Spekulation wird. Und da hier alles darauf ankommt, rechtzeitig zu wissen, wo neues Bauerwartungsland, Bauland oder ein Sanierungsgebiet ausgewiesen wird, blüht die Korruption.

Umgekehrt denkt der Staat nicht daran, die Ausnutzung seiner gemeinnützigen Veranstaltungen für die Bereicherung der Grundbesitzer zu unterbinden, sondern beteiligt sich an ihr. Angesichts dieser schönen Ordnung kommen nur Leute, die ausgerechnet den Markt für ein Mittel der Bedürfnisbefriedigung halten, auf die Idee, dem Wohnungsmarkt vorzuwerfen, er sei eigentlich gar keiner.

Die Anklage von Baulöwen und Miethaien tut so, als sei der Wohnungsmarkt ein Idylle, bei der es nur ein paar Auswüchse zu beseitigen gibt. Die DKP mit ihrer Forderung nach 15 % des Lohnes für eine gerechte Miete bleibt dabei sogar noch über der statistischen Frechheit des Inflationswarenkorbes, in dem durchschnittlich 13 % des Einkommens für die Wohnung aufgewandt werden. Den Mieterbund dagegen stört, daß es noch Leute gibt, die weniger als der Durchschnitt zahlen müssen:

„Der pure Zufall, eine billige Altbauwohnung zu haben oder zu erwischen, beschert (!) den Nutznießern schon heute Einkommensvorteile von einigen Hundert Markt im Monat.“

Der gleiche Spruch staatlicherseits über die Fehlbelegung von Sozialwohnungen durch Mieter, die der Förderungswürdigkeit entwachsen sind, zusammen mit der Ankündigung, daß der Wohnungsbau zugunsten breiter Schichten des Volkes in den achtziger Jahren nicht weiter aufrechterhalten werden soll, gibt eine Ahnung davon, was der Staat als tragbare Miete durchzusetzen gedenkt. In der Sicherheit, daß die Leute es sich nicht leisten können, daß sie eine teure Wohnung gar keiner vor ziehen, geht der Staat davon aus, daß sie sich noch allerhand leisten werden.

 

aus: MSZ 33 – Januar 1980

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