Jungsozialisten in der SPD:

Kaum gedacht, kaum gedacht, ward der Lust ein End gemacht

Offenbar in der Meinung, daß die in der Krise geübte Vorsicht und Unterstützung der SPD-Maßnahmen zur Sanierung des Kapitals mit den ersten Erfolgsanzeichen des Aufschwungs eingestellt und stattdessen die Mutterpartei wieder einmal offensiv an ihre Perspektive, an die höheren Werte des »Demokratischen Sozialismus« erinnert werden könne, animiert auch durch die diversen Wahlniederlagen, die einem Juso zur Bestätigung dienen, daß die SPD ihre Linie während ihrer Staatsführung nicht exemplarisch vorexerziert, sondern zu sehr verwischt habe, wählten sich die Jusos mit einem Vertreter des Stamokapflügels einen Vorstand, mit dem sie in der SPD wieder einmal gegen die SPD auftreten wollten, und gefielen sich mit dem Beschluß, in dem u.a. auch von der DKP unterstützten Komitee für Frieden, Abrüstung, Zusammenarbeit und sonstwas mitzuarbeiten, und mit dessen Zurücknahme in ihrer Funktion als kritisch-parteitreuer Nachwuchs. Sie haben sich sogar dazu verstiegen, an den imperialistischen Auftritten des parteieigenen Kanzlers Kritik zu üben, und sich vorgenommen, ihrer Parteiführung die Fast-Volksfrontstaaten als Fortschritt auf dem Weg zu einem europäischen demokratischen Sozialismus nahezubringen.


Die Jusos bleiben ihrer Linie treu

Die daraufhin gegenüber dem Juso-Spektakel erhobenen Vorwürfe sind ebenso albern wie unvermeidlich, weil für die Absichten der Kritiker zweckmäßig. Wer im Unterwerfungsakt der Jusos die raffinierte Unterwanderung entdeckt (als ob das Unterwandern etwas anderes als das Einwandern wäre) wie CDU, Löwenthal und Konsorten, übersieht zielstrebig die Tatsache, daß die Jusos gerade damit unter Beweis stellen, wie sehr ihnen daran gelegen ist, sich diese SPD zu halten. Wenn der neue Vorstand Benneter die Entscheidung erklärt: „Für mich hat die Arbeitsfähigkeit des Verbandes Vorrang“ – als ob die Arbeitsfähigkeit eines Vereins einen Pfifferling wert wäre, wenn sie in der Unterwerfung unter andere besteht –, gibt er damit zu erkennen, daß den Jusos ihre Beschlüsse zur Abrüstung nur dann etwas wert sind, wenn es ihnen erlaubt bleibt, sie weiterhin als Anhängsel der SPD äußern zu können. Solange die Jusos ihre Arbeitsfähigkeit darin sehen, daß sie durch das Gewicht der SPD Jusos sein können, anstatt wie andere kritische Liebhaber des Staates hoffnungslos unter der 1 % - Grenze herumzulaborieren, solange ist auch klar, daß die SPD es ist, die sich die Jusos hält und nicht die Jusos, die sie unterwandern. Der SPD ausgerechnet mit zurückgezogenen Juso-Beschlüssen an den Karren zu fahren, verdankt sich dem Interesse, einer Partei, die man aus dem Sattel heben will und die im Umgang mit der Krise in kaum mehr zu überbietender Weise ihre staatserhaltende Linie gezeigt hat, staatsschädigende Neigungen anzuhängen. Umgekehrt beruht der Vorwurf des Umfallens auf der Enttäuschung, die aus guten Gründen nicht einsehen will, daß die Reformisten und besonders ihr Nachwuchs zum Bündnispartner für die Durchsetzung eines massenfreundlichen Staats nicht taugen. Daß das Umfallen kein Umfallen, sondern die klare konsequente Juso-Linie ist, die sich mit den Idealen der Reformpartei dieser gegenüber profiliert, ohne dabei jedoch die eigene Bedeutung als Zubehör einer Regierungspartei aufs Spiel setzen zu wollen, daß diese Charakterlosigkeit eben der Charakter der Juso-Politik ist, wollen diejenigen nicht begreifen, die dem Reformismus in Begeisterung für dessen „Werte“ ihre eigenen Ziele, den perfekten Sozialstaat unterschieben, um sich dann über die mangelnde Konsequenz der SPD samt Jusos zu erregen. Womit sie im übrigen auch die Trostlosigkeit ihres eigenen Kampfes beleuchten, wenn sie ausgerechnet in der konstruktiven Kritik der Partei eine »mit Konsequenz« zu betreibende Aufgabe sehen wollen, die sich mit ihrem Macher an der Spitze bei der Effektivierung jedes Unterpunkts im Programm eines Klassenstaats bisher so vorzüglich bewährt hat. Die Jusos sind in jeder Hinsicht schlechter als ihr Ruf: mit einer Veränderung des Kurses der SPD-Regierung haben sie deshalb nichts im Sinn, weil sie sich der SPD anschließen statt dafür zu sorgen, daß sie unter Druck gerät; es gibt also nichts, worin sie umzufallen hätten. Ebensowenig gebührt ihnen die Ehre des Vorwurfs, sie seien aufs Unterwanderns aus – und zwar aus denselben Gründen.

Die Juso-Variante des Wegs zum demokratischen Sozialismus haben wir in MSZ Nr. 6/75 ausführlich gewürdigt.

 

aus: MSZ 16 – April 1977

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