RHODESIEN

„Noch ist Rhodesien nicht verloren“
(Schlagzeile der Zeit (vom 6.5. 76)

Auf seiner Afrika-Reise hat sich Henry Kissinger für „einen raschen Wechsel zu einer afrikanischen Mehrheitsregierung in Rhodesien“ ausgesprochen. Daß er dabei als Wortführer der gesamten westlichen Allianz auftrat, bewies nicht zuletzt einige Tage später sein deutscher Kollege Genscher, der anläßlich des Besuchs des tansanischen Präsidenten Nyerere in dasselbe Horn stieß.
Nun zeichnen sich weder diese Beschwörung demokratischer Prinzipien noch die zusätzliche Androhung von Wirtschaftssanktionen gegen das Rassistenregime durch besondere Originalität aus. Seit der Auflösung der alten europäischen Kolonialherrschaft über Afrika, die mit Ausnahme Südafrikas und der portugiesischen Besetzungen Mitte der sechziger Jahre abgeschlossen war, gehört das Bekenntnis zur rechtlichen Gleichstellung der schwarzen Bevölkerung Rhodesiens zum Standardrepertoire demokratischer Politiker, sobald sie mit afrikanischen Staatsoberhäuptern zusammentreffen. Und ein Wirtschaftsboykott gegen die weiße Rassistenclique wurde bereits 1966 von der UNO proklamiert, mit dem Erfolg, daß ihn sämtliche kapitalistischen Staaten offiziell (wie die USA) oder inoffiziell – über den Umweg Südafrika – umgingen.

In Rhodesien blieb so alles beim alten, zur stillen Freude der freiheitlichen Welt, der die Unabhängigkeitserklärung der Regierung Smith die Möglichkeit gab, unbeschränkt durch die britische Hegemonie ihr Kapital dort gewinnbringend einzusetzen.

Nun ist aber plötzlich alles anders geworden, seit in Angola, Mozambique und Guinea-Bissau linke Befreiungsbewegungen ihren gewaltsamen Widerstand gegen das portugiesische Kolonialsystem erfolgreich beendet haben und daher die rhodesischen Unabhängigkeitskämpfer wie auch die in Südafrika und Namibia mit einer wirkungsvolleren Unterstützung von außen rechnen können, die sich nicht mehr auf aufmunternde Worte der Organisation Afrikanischer Staaten (OAS) beschränkt. So scheint es diesmal für die imperialistische Welt nicht mehr bei verbalen Kraftakten bleiben zu dürfen, gilt es doch „eine große Tragödie zu verhindern“ – fragt sich nur, worin diese besteht und wie das Verhindern aussehen soll.

 

AUSBEUTUNG AUF RHODESISCH …

In Rhodesien (afrikanisch Zimbabwe, mittlerweile versuchen auch Kissinger und Genscher, sich mit solchen Namensspielchen bei den Schwarzen einzuschmeicheln) sind die kolonialen Formen der Ausplünderung der afrikanischen Bevölkerung durch das kapitalistische Europa nicht von deren formeller Unabhängigkeit in einem Staat abgelöst worden, in dem ihre weitere Ausbeutung durch das ausländische Kapital nun von einer korrupten Oberschicht regiert wird, wie dies in den meisten afrikanischen Ländern der Fall ist.

Der Vollzug der rhodesischen Autonomie gegenüber Großbritannien geschah durch die herrschende weiße Minderheit, die darin das einzige Mittel sah, sich gegen die von den Briten angestrebte Lockerung der Rassendiskriminierung zur Wehr zu setzen, eine Liberalisierungspolitik, die lediglich für das in Rhodesien investierte Kapital eine längerfristige Perspektive beinhalten sollte. Für die weißen Siedler, Kaufleute, Verwaltungsangestellten und Facharbeiter dagegen bedeutet bereits der kleinste Schritt zur rechtlichen Gleichstellung der Afrikaner nicht eine bloß zeitweilige Einschränkung, sondern eine prinzipielle Gefährdung ihres Wohlstands, der einzig und allein auf der totalen Unterdrückung der Schwarzen beruht:

– Das Land wurde zu je 50 % auf die weiße (300.000) und schwarze (6 Millionen) Bevölkerung aufgeteilt, wobei die fruchtbaren, bewässerten und infrastrukturell erschlossenen Regionen ausschließlich den Weißen vorbehalten sind. Dabei ist den Schwarzen nicht nur die Niederlassung in „European Land“ verwehrt, sondern schon der bloße Aufenthalt unter strengste Bestrafung gestellt. Darüberhinaus gestatten es die weißen Terroristen, zum Zwecke der Isolierung der Stämme voneinander, nur Stammesmitgliedern, sich innerhalb ihrer Stammesgebiete aufzuhalten. (Mittlerweile sind zur besseren Guerillabekämpfung auch ganze Landstriche entvölkert und die Bewohner nach portugiesischem Vorbild in sogenannte Wehrdörfer gepfercht worden.) In jüngster Zeit geht man nach südafrikanischem Muster an die Schaffung von eigenständigen Provinzen, in denen sich die Stämme mit den nach Abzug der hohen Steuern noch verbleibenden minimalen Mitteln selbst verwalten dürfen. Erfüllungsgehilfen für diese Pläne sind die Häuptlinge, an die bereits jetzt das Geschäft der Steuereintreibung abgetreten wurde, und die dafür das Privileg der Verteilung des knappen Grundes und Bodens besitzen. Aus diesen korrupten Kerlen, die – wie politische Demonstrationen gezeigt haben – bei ihren Stämmen keine politische Autorität mehr besitzen, rekrutieren sich auch die jüngst ernannten schwarzen Minister des Smith-Regimes.

– Um den elenden Lebensbedingungen in den übervölkerten Landgebieten, die oft die bloße Ernährung nicht mehr garantieren, zu entfliehen, sind die Afrikaner so gezwungen, bei den Weißen Arbeit zu suchen. Wer innerhalb der auf 3 Wochen befristeten Aufenthaltsgenehmigung Arbeit gefunden hat, findet sich in einem Arbeitslager wieder, in dem die schrankenlose Ausbeutung seiner Arbeitskraft durch die brutalste Verhinderung jeglicher freien Entfaltung außerhalb des Arbeitsplatzes abgesichert ist. In den Städten sind den Schwarzen hermetisch abgeriegelte Stadtteile (die sog. Townships) zugewiesen, die sie nur zur Arbeit verlassen dürfen, in denen sie jeden Besuch, der über Nacht bleibt, bei der Polizei anzumelden haben usw. Ständige Razzien sorgen für die Einhaltung der Terrormaßnahmen. Die gegen Hungerlöhne auf Farmen und Großplantagen sich verdingenden Landarbeiter sind völlig der Willkür ihrer Farmherren ausgeliefert, den Arbeitern in den Minen und der übrigen Industrie wird für die zwangsweise zugeteilten miserablen Unterkünfte, für Arbeitskleidung etc. ein Großteil vom Lohn abgezogen, womit automatisch für die Verrichtung massenweiser Überstunden gesorgt ist. Am besten ergeht es noch den über 100.000 Hausangestellten, die sich das Wohlwollen ihrer Herren mit sklavischer Unterwürfigkeit erkaufen müssen.

– Der sofortige Verlust von Arbeitsplatz und Wohnrecht bei der geringsten Unbotmäßigkeit sowie die faktische Ausschaltung gewerkschaftlicher Organisation (für Hausangestellte, Minen– und Landarbeiter verboten, für die übrigen schwarzen Beschäftigten nur in betrieblichen Einzelgewerkschaften erlaubt) machen jeden Arbeitskampf zur Existenzbedrohung und verhindern somit eine auch nur ansatzweise Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der verzweifelt um ihre Arbeitsplätze konkurrierenden Afrikaner.

Das Fehlen jeglicher Sozialfürsorge, die minimalen Aufwendungen für das Gesundheits-– und Ausbildungswesen (in Rhodesien gab es 1971 300 schwarze Studenten) vervollständigen nur noch die grausame Wirklichkeit eines Polizeistaates, in dem sich eine weiße Herrenrasse eine Herde schwarzen Arbeitsviehs hält.

Doch ist Rhodesien keine Sklavengesellschaft; die Weißen haben sich hier etwas Effektiveres ausgedacht. Zwar sorgen Rassengesetze für den kategorischen Ausschluß der Schwarzen von den Reichtümern Rhodesiens und verweigern ihnen alle bürgerlichen Freiheiten, doch haben sie die Freiheit, für Lohn arbeiten zu dürfen, was ihren Herren den Vorteil einbringt, über eine Spezies von Sklaven zu verfügen, die für ihre Existenz selbst sorgen muß. Ein systematischer Polizeiterror, hohe Gefängnisstrafen, Folterungen und Todesurteile verhindern, daß diese Freiheit ausufert. Der rhodesische Staat ist nichts anderes als ein planvoll eingesetzter Gewaltapparat zur Sicherung des Wohlstands der Weißen auf Kosten schwarzer Lohnsklaven.

 

... GEFÄHRDET DIE AUSBEUTUNG

Die optimale Ausbeutung zu Niedrigstlöhnen gewährleistet auch dem Imperialismus optimalen Nutzen und ist ihm deshalb sicher kein Anlaß, auf Veränderung zu dringen. Sehr wohl aber ist es den imperialistischen Mächten eine Überlegung (und eine Reise) wert, ob dieses ökonomische und politische Gewaltsystem – der weißen Minderheit einziger Garant ihres Wohlstands – denn auch langfristig ihre Profite sichert. Könnten doch die mit offener Gewalt Niedergehaltenen auch einmal gewaltsam zurückschlagen, und dies erscheint bei einer Zahlenrelation von 20:1 sehr riskant. Die demokratische Entrüstung über die Herrschaft des 1 über die 20 drückt also nur die Furcht aus, daß die 6 Millionen die 300.000 eines Tages zum Teufel jagen und sich das angelegte Vermögen zu eigen machen.

Wenn diese längerfristigen Erwägungen bis heute noch nicht in die Tat umgesetzt wurden, so liegt das jedoch nur bedingt am Widerstand der rhodesischen Rassisten, die man sehr wohl unter Druck setzen könnte, sondern wesentlich daran, daß alle Liberalisierungsmaßnahmen zuerst einmal eine Beschränkung der Kapitalprofite nach sich ziehen. Und solange durch die extreme Ausbeutung der Schwarzen hohe Extraprofite zu erzielen sind und dieser Zweck nicht unmittelbar gefährdet ist, rücken andere Überlegungen in den Hintergrund, wie das laue Vorgehen gegen das Smith-Regime bislang bewies.

Nun aber steht das Langzeit-Programm wieder auf der Tagesordnung. Daß sich in Rhodesien die gleiche „Tragödie“ abspielen könnte wie in den portugiesischen Kolonien, linke Befreiungsbewegungen an die Macht kommen, die einen Großteil der Kapitalanlagen verstaatlichen und darüberhinaus den freien Kapitaltransfer und den Rückfluß der Profite in die Metropolen erheblich beeinträchtigen, da sie Handel und Investitionen den Interessen des Nationalstaats unterzuordnen versuchen, hat angesichts des zunehmenden militärischen Widerstands und dessen Unterstützung vor allem durch Mozambique und Tansania drohende Konturen angenommen. Und da man mit dem übrigen Afrika glänzende Geschäfte macht, die Ausplünderung der staatlich souveränen Völker flott vorangeht, und es auch mit deren politischer Selbständigkeit aufgrund der ökonomischen Abhängigkeit nicht weit her ist, sucht man sich auch in Rhodesien einige dicke Schwarze, die angesichts des Rassistenterrors nichts besseres zu tun haben, als mit dem Smith-Regime zu verhandeln und sich von Henry Kissinger schöne, Worte über die Freiheit erzählen zu lassen, die man auf friedlichem Wege erhalten soll, wenn man nur geduldig ist. Die bisher hauptsächlich von Mozambique aus operierenden Freiheitskämpfer haben dagegen zumindest begriffen, daß selbst die staatliche Autonomie gewaltsam erkämpft werden muß.

(aus „Hochschulpolitik der Roten Zellen und Marxistischen Gruppen 1976/77. Ein Auswahl“)

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