Universität München

Konfliktlösungen eines Prellbocks


„Verbieten, verbieten,
wir müssen alles verbieten,
wir verbieten in Zukunft alles.“
(Aus einem unveröffentlichten Weihnachtslied des Fürsten N. Lobkowicz)

Was am 24. November die Presse aus der größten deutschen Universität vermeldete, war die Vertreibung zweier Dichter aus ihren Räumen:

–  dem Stückeschreiber Franz-Xaver Kroetz hatte Präsident Lobkowicz Hausverbot erteilt, weil er im Rahmen einer Veranstaltung des MSB Spartakus aus seinem Stück „Der stramme Max“ vorlesen wollte.

– der österreichische Dramatiker Thomas Bernhard brach eine Dichterlesung in der Großen Aula ab, nachdem Studenten den Fall Kroetz zur Sprache brachten und auf ein Ereignis vom Nachmittag hinwiesen, das über den Lokalteil der „Süddeutschen Zeitung“ nicht hinausgelangt ist.


Hausmeister stören Iran-Teach-in

Einer Veranstaltung des Vereins zur Förderung des studentischen Pressewesens zur Lage im Iran, zu der auch die MARXISTISCHE GRUPPE München aufgerufen hatte, wurde von der Universität unter Verweis auf feuerpolizeiliche Erwägungen der gleiche Raum verweigert, den am Abend das Kulturreferat der Stadt München für ihre Dichterlesung anstandslos eingeräumt bekam. Als 800 Studenten daraufhin die Veranstaltung im Audimax begannen, versuchte der Chefhausmeister das Eingangsreferat durch pöbelhafte Megaphondurchsagen zu stören. Obwohl die Veranstaltung dennoch ordnungsgemäß durchgeführt werden konnte, drohte Präsident Lobkowicz anderntags mit Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. Er berief sich auf einen Erlaß des Kultusministeriums, der ihm seit 1974 verbiete, „linksradikalen Gruppen“ Räume für Veranstaltungen zu überlassen. Abends, bei der Bernhard-Lesung, erschienen dann sowohl verärgerte Studenten der Nachmittagsveranstaltung als auch die frustrierten Besucher der Kroetz-Vorlesung, die um den Genuß des „charmanten, älteren Knaben“ („Abendzeitung“ vom 28.11.) gekommen waren. Während diese von Bernhard ein Votum für die Meinungsfreiheit forderten, wollten jene über Persien diskutieren. Bernhard versagte sich beiden Ansinnen und begann stattdessen aus einem Prosastück vorzulesen, das im Iran spielt. Laut geäußerte Verständnislosigkeit aus dem Publikum veranlaßte ihn zum Abbruch.


Ein dummes Mißverständnis

Während Lobkowicz Veranstaltungen mit der MARXISTISCHEN GRUPPE prinzipiell verständnislos gegenübersteht, hat er im Prinzip nichts gegen Dichter. Neuerdings hält er sogar sehr viel davon, seinen Studenten, denen er tagsüber die Polizei ins Haus schickt, am Abend, gleichsam zur Entspannung, Kultur anzubieten, weshalb er dem Kulturreferat der Stadt München gleich für 5 Abende die Große Aula zur Verfügung stellte. Daß Kroetz Hausverbot erhielt, lag allein an dem Formfehler des Autors, im Rahmen einer Veranstaltung des MSB Spartakus auftreten zu wollen. So erhielt der Poet „im grauen Nadelstreif, gescheiteltem Blondhaar, Krawatte, Zigarre“ (AZ) Hausverbot und versprach seinerseits, die Uni „nie mehr zu betreten“. Nicht ohne jedoch seine Fans zu Wohlverhalten aufzufordern: „Ich habe meinen Leuten ausdrücklich verboten, die Bernhard-Lesung kaputtzumachen.“ (AZ)


Alles verbieten

Vom öffentlichen Echo auf die Vertreibung des Franz-Xaver irritiert, trat Lobkowicz die Woche darauf vor die Presse in Gestalt seines Hofjournalisten R. Reiser von der „Süddeutschen Zeitung“ und übte vorsichtige Kritik am kultusministeriellen Raumradikalerlaß: „Die Anordnung ist unklug, weil sie Konflikte nach sich zieht, die den Durchschnittsstudenten nicht mehr zu erklären sind.“ Im übrigen schob er alles auf die Rechtslage. Sie sei verworren, weil Studentenvertreter als Person Räume kriegten, nicht aber als Organisation. Des „ewigen lästigen Konflikts“ sei er überdrüssig und plädiere für eine radikale Klärung der Situation. Die Universität müsse nur deshalb immer den „Prellbock“ spielen, „weil der Staat sich nicht traut, die Organisation zu verbieten.“ Wahrscheinlich geht der Präsident davon aus, daß ein Verbot der MARXISTISCHEN GRUPPE und des MSB Spartakus dem Durchschnittsstudenten nicht mehr „erklärt“ zu werden braucht, weil der Staat die Mittel hat, es durchzusetzen. Wofür er dann die Universität geöffnet wissen will, muß er dem Rudi Reiser auch gleich gesteckt haben:

„Noch heute (und auch künftig) strömen die Münchner in die Räume der Ludwig-Maximilians-Universität, wenn der Universitätschor sein Weihnachtssingen durchführt.“

 

aus: MSZ 26 – Dezember 1978

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