Ökonomie und Ideologie des Landlebens

DIE BAUERN


Wen interessieren sie schon, die Bauern, die sich mit Rindern und Schweinen, Feldern und Wiesen, Wind und Wetter herumschlagen und ewig jammern – nicht nur über das Wetter. Die Zeiten, da man sich aufmachte, um auf dem Lande gegen das höhere Vorbild eines gerade verstorbenen Führers, der sich zeitweilig von Teppichen ernährt haben soll, derartige Kostbarkeiten gegen ein paar Eier einzutauschen, und da die Parole „Dem Volke genügend Kartoffeln und genügend Fett geben!“ eine ungesunde Abhängigkeit des Volkes von seinem Nährstand bedeutete, sind längst vorbei. Heute kann sich jeder alles, was der Gaumen begehrt, kaufen, soweit das zahlungsfähige Bedürfnis groß genug ist.

Selbst aus den Schulbüchern ist der einfache Mensch mit den breiten Händen und dem dicken Bauernschädel, der jahraus jahrein die Scholle wendet, sät und erntet, auf das Wetter und auf Gott, der es ja bekanntlich macht, achtet und noch bei seiner eigenen „letzten Ernte“ stur seine trauernden Söhne und Töchter aufs Feld jagt, damit sie ein paar Ähren vor dem Gewitter retten, so gut wie verschwunden. Andere müssen die Moral abgeben, die der Bauer verkörpert hat: die glückverheißenden Tugenden des Fleißes, der Armut und Bescheidenheit und des Vertrauens in den natürlichen und gottgewollten Gang der Dinge, wie ihn die vorsichtige Aneignung der Natur, der man keine Gewalt antun darf, so herrlich zum Ausdruck bringt.

Wenn man aber einmal über die „Grüne Front“ redet, kommt nichts Gutes über sie heraus.

Der Vorwurf des Verbrauchers gegen diese „Randgruppen“ der Volkswirtschaft, die Preise ihrer Produkte – zumal wenn Eier, Rindfleisch und Milch gleichermaßen nach Fisch schmecken – seien ständig zu hoch, ist noch relativ harmlos. Frontaler der Angriff, der mit Regelmäßigkeit dann auftaucht, wenn die Partner der EG ihre festen Agrarpreise aushandeln, daß das

„ »grüne Europa« zu einem ungeheuerlich kostspieligen Interventionssumpf entartet, der über kurz oder lang die Steuerzahler überfordern muß.“ (SZ)

Was da geschieht, sei wider jede „ökonomische Logik“ (SZ). Nicht nur daß Deutschland die heimische Landwirtschaft mit Steuergeldern durchfüttert, selbst die „Krisenstrategie für Sommerbirnen“ in Italien und „die Preisregelung für Puffbohnen“ irgendsoeines Pufferstaates zahlt die BRD – eine Ungeheuerlichkeit in einer Welt des freien Unternehmerrisikos und angesichts der Tatsache, daß „wir“ doch in der EG sind, um selbst etwas davon zu haben. Das letztere stimmt. Aber die Bundesregierung stellt praktisch klar, daß sie nicht wegen, sondern trotz der Landwirtschaft ein Bündnis eingegangen ist. Ein Bündnis, in dem bezüglich der Bauern (der Agrarmarkt gilt als „Motor der EG“) trotz aller Streitigkeiten auf diesem Gebiet Einigkeit darüber besteht, daß die Landwirtschaft „subventioniert, gesteuert, gepreisregelt ...“ also als ökonomischer Sonderfall behandelt werden muß.


Die Natur des Bauern

„Die Landwirtschaft ist die erste aller Künste; ohne sie gäbe es keine Kaufleute, Dichter und Philosophen; nur das ist wahrer Reichtum, was die Erde hervorbringt.“ (Friedrich der Große)

Die Erfinder der ersten aller Künste haben es gut: Auf europäisch wird ihnen ein „Orientierungs- oder Richtpreis“ zugedacht, den für den Fall, daß die agrarischen Produkte ihn nicht erreichen, der „Interventionspreis“, eine Art garantierter Mindestpreis, den die Gemeinschaft zahlt, absichert. Gegen Drittländer außerhalb der EG sorgt der „Schwellenpreis“ dafür, daß die Landwirte auf ihre Kosten kommen. Ja, es gibt sogar für die europäischen Bauern eine „grüne Währung“.

In Deutschland leben die Bauern – wie gerade erst aufgedeckt – in einer „Steueroase“. Dafür, daß der Staat sie mit seinem Grünen Plan subventioniert, zahlen sie lächerlich geringe Steuern für irgendwann einmal taxierten Boden, dem man es nicht ansieht, was inzwischen aus ihm gemacht wurde, wenn weiterhin darauf verzichtet wird, das Einkommen in Büchern festzuhalten, die ein gestandener Bauer eh nicht führen kann und auch gar nicht will. Vor allem hat der deutsche Bauer seinen eigenen Grund und Boden, auf dem er geht und steht wie er will, keine Last mit widerspenstigen Lohnarbeitern, weil er die in eigener Person oder in Gestalt der Ehefrau und ihrer Kinder selbst verkörpert, und fährt obendrein einen Diesel, mit dem für den landwirtschaftlichen Gebrauch subventionierten Sprit. Nicht zuletzt genießt er bei seiner Arbeit Landschaft in Hülle und Fülle und die sprichwörtlich frische Landluft vom Duft trockenen Heus (schon ab dem zweiten Lebensjahr darf sich auf dem Lande niemand einen Heuschnupfen leisten) bis zum prickelnd beißenden Geruch von Schweinemist, dessen Ammoniakgehalt jeden Ansatz von Erkältung gründlich wegätzt ...

Das Reich der bäuerlichen Freiheit kann so frei und ergiebig nicht sein, wenn es derart vieler Hilfeleistungen bedarf, wenn Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik für den freien Bauern ist,

„der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten.“ (Römische Verträge der EWG)

Was heißt denn hier „angemessene Lebenshaltung“?


Die eigene Scholle

Der freie Bauer hängt so an seinem Grund und Boden, wie der Dreck, den er beackert, an seinen Stiefeln. Mag die Erde, die ihm gehört, auch noch so unfruchtbar sein und der Fleck Eigentum, der ihn und seine Familie ernähren soll, auch noch so klein – jeder Bauer ist stolz darauf, frei und selbständig über sein Land verfügen zu können. So läßt er nicht nur in der Dichtung nach Feierabend (im Sommer gegen 20 Uhr) kaputt aber zufrieden seinen Blick über seine Felder und Wiesen gleiten („Der Roggen steht heuer besonders gut“), kämpft auch einmal bis zum eigenen wirtschaftlichen Ruin um eine Handbreit Erde, die der gierige Nachbar zu sich rübergepflügt hat, und legt Wert darauf, am Ende nirgendwo anders als auf seinem eigenen Grund und Boden ins Gras zu beißen.

„Seitdem seine Frau tot war, war er nicht mehr von seinem Grund und Boden heruntergekommen . ... Er sagte dann immer bloß: »Nee, nee, dazu bin ich nu doch zu alt.« In Wahrheit hatte er Angst, daß er nicht auf seinem eigenen Land sterben könne, und das wollte er.“ (Hermann Löns)

Gründet das bornierte Verwachsensein mit dem eigenen Dreck darin, daß für den selbständigen Bauern die eigene Erde das Subsistenzmittel ist, mit dem er sein Einkommen sichern muß, so ist darin eingeschlossen, daß dieses Einkommen ständig nicht gesichert ist, er sich mit ihm ständig am Rande des Existenzminimums oder darunter bewegt.

Der freie Bauer, der sich von der Abhängigkeit vom Feudalherren gelöst hat, sieht sich in der Welt des Kapitals einer Schranke gegenüber, die ihn an dessen Fortschritt ganz anders teilnehmen läßt, als er sich das vielleicht gedacht hatte. Wenn gegenwärtig in der BRD unter 860 000 landwirtschaftlichen Betrieben fast jeder zweite Bauer überwiegend von einem außerlandwirtschaftlichen Einkommen lebt, also unter die Rubrik „Nebenerwerbsbetriebe“ fällt, so stellt diese Tatsache klar, wieviel die Freiheit, freier Eigentümer zu sein, wert ist, wenn sie sich mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigt. Da es sich bis auf ein paar verrückte Hippies, die den reaktionären Versuch machen, auf makrobiotischen und von (wörtlich) eigener Hand (und mit eigener Scheiße) angelegten Kulturen gegen einen entfremdeten Konsum ihr „neues“ Glück zu entfalten, kein Bauer erlauben kann, unmittelbar für den eigenen und seiner Familie Selbstbedarf zu produzieren, jeder Bauer also seine Produkte auf dem Markt losschlagen muß, um einen Gewinn zu machen, bekommt er die Vorteile, über eigenen Grund und Boden zu verfügen, zu spüren.

Für eine kostengünstige Produktion, um seine Erzeugnisse mit Gewinn oder überhaupt absetzen zu können, muß er rationell produzieren. Dafür benötigt er Maschinen und Mittel, die die Fruchtbarkeit des Bodens erhöhen, was ein Kapital voraussetzt, das er nicht hat. Hätte er es, könnte er es auf seinem mickrigen Eigentum (450 000 westdeutsche Höfchen besitzen Land nicht größer als bis zu 10 ha) gar nicht anwenden, da die geringe Bodenfläche eine Produktion auf großem Maßstab und mit dem entsprechenden Maschinenpark nicht zuläßt. Und gibt er etwa vorhandenes oder geliehenes Kapital aus, um neuen Boden dazuzukaufen, fehlt ihm dasselbe für die rationelle Bewirtschaftung der jetzt größeren Bodenfläche, und es bewahrheitet sich die Bauernregel:

„Ist im März kein Moos im Haus,
Sieht die Ernte mickrig aus.“

Das, worauf der Bauer so stolz ist, freier Eigentümer zu sein, erfährt der kleine Grundeigentümer als „Schranke und Hindernis der Agrikultur“ (Kapital, Band III, S. 821, i.folg.zit. als K III).

„Das Parzelleneigentum schließt seiner Natur nach aus: Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, gesellschaftliche Formen der Arbeit, gesellschaftliche Konzentration der Kapitale, Viehzucht auf großem Maßstab, progressive Anwendung der Wissenschaft.“ (K 111/815)

Daß dies so ist, dem trägt die Agrarpolitik Rechnung. Halten die Politiker auch weiterhin das Eigentum als höchstes Heiligtum hoch und schimpfen auf die unpersönliche Kollektivierung im Osten, die einem jeden den Spaß an der Arbeit verleiden sollen, weil das eigene Risiko fehle, so sehen sie es andererseits aber doch ganz gern, daß die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe mit oder ohne staatliche Hilfe Bankrott gehen und einem größeren ihren Boden durch Verkauf oder als Pacht überlassen. Zugleich werden ganz ohne östliche Beeinflussung den weiter produzierenden kleinen Betrieben „Maschinenringe“, „Erzeugerringe“ ,,Zusammenschlüsse“ angeboten, die den kleinen Grundeigentümern den sofortigen Ruin ersparen, solange Kraft für harte Arbeit vorhanden ist, die das Einkommen erträglich macht.


Der Segen der Natur

Der Segen, den der Bauer ohne Kapital und ausreichende Bodenfläche der Natur entreißt, kommt nämlich nicht aus ihr und ihrer rationellen Bebauung, was ständige Erhöhung der Qualität und Quantität der Produkte zur Folge haben müßte, sondern er wird mit einer „ ungeheuren Verschwendung von Menschenkraft“ (K III/ 816) geschaffen, die anstelle des Einsatzes von Kapital in Form von Produktionsmitteln weniger den Gewinn als die Existenz leidig sichert. Da die Preise nicht so steigen, wie die Erzeugniskosten sich erhöht haben, muß jede Anschaffung von Maschinen und anderen Produktionsmitteln durch Vergrößerung des Produktionsvolumens – die aber am eigenen Grund und Boden und am hohen Bodenpreis fremder Böden ihre Grenzen hat – und/oder durch die Einsparung von Arbeitskräften halbwegs rationell gestaltet werden. Diese gängige Effektivierungsform der Ausbeutung der Lohnarbeiter zum Zwecke der Gewinnsteigerung ist aber für die kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe schlechthin unmöglich – sie haben in der Regel nämlich keine solchen. Auf 860 000 Höfen in der Bundesrepublik arbeiten ungefähr 100 000 Landarbeiter, die sich trotz niedriger Löhne und überlanger Arbeitszeiten noch nicht zur Landflucht entschlossen haben. Der kleine und mittelgroße Bauer arbeitet die zusätzlichen Kosten für Rationalisierungen oder die Unkosten, die ihm durch Preisschwankungen auf dem Markt entstehen, selbst ein.

„Als absolute Schranke für ihn als kleinen Kapitalisten erscheint nichts als der Arbeitslohn, den er sich selber zahlt, nach Abzug der eigentlichen Kosten. Solange der Preis des Produkts ihm diesen deckt, wird er sein Land bebauen, und dies oft bis herab zu einem physischen Minimum des Arbeitslohns.“ (K III/814)

Der Bauer, der sein eigener Lohnarbeiter ist, und so sein Einkommen erwirtschaftet, was ihn zu der verrückten Vorstellung bringt, nur die finanziellen Unkosten, nicht aber die eigene Arbeit als Kosten zu werten und den Gewinn als Ausfluß seines Grund und Bodens anzusehen, dessen Fruchtbarkeit bei dieser Wirtschaftsweise nicht gerade steigt, kann trotz dieser Vorstellung und trotz der frischen Luft, in der er schafft, nicht 24 statt 12 Stunden arbeiten. Um zu schaffen, was zu schaffen ist, hat er sich Familie zugelegt. Deutschlands Bauern sind Familienbetriebe im wahrsten Sinne des Wortes. Gemäß der unter diesen Umständen recht sinnvollen Bauernregel

„Fehlt das Geld für die Traktoren,
Wird im März ein Kind geboren.“

arbeitet alles mit, was Hände hat. Die Kleinen tun das, wozu sie besonders flinke Hände haben sollen, und auch schon das, was eigentlich über ihre Kräfte geht und ihnen schon früh eine gebeugte Haltung einbringt. Kinderarbeit ist selbstredend in einem Familienbetrieb nicht verboten und fällt nur unangenehm auf, wenn wieder einmal ein Zehnjähriger unter einem Traktor, mit dem er den väterlichen Acker bestellt hatte, zu Tode gekommen ist. Die der Schulzeit entwachsenen Söhne und Töchter, die so blöd waren, sich nicht abzuseilen oder keinen Beruf gefunden haben, schuften auf dem elterlichen Hof für kerniges Essen und ein Taschengeld, soweit weiblich, mit der Zusicherung einer Aussteuer für die von ihrem Standpunkt aus hoffentlich baldige Heirat – nicht unbedingt muß es ein Bauer sein. Die Mutter der Kinder hat selbstverständlich neben dem Kinderkriegen und -aufziehen und der Hausarbeit (für einen bäuerlichen Hof ein Euphemismus) auch im Stall und auf dem Acker mitanzupacken, so daß es kein natürliches Wunder ist, daß Bäuerinnen schon bald nach der Heirat alle gleich ... aussehen (und das liegt nicht unbedingt daran, daß auch heute noch hie und da quer über den Mistfall geheiratet wird, also die sich zur Ehe nehmen, die sich eh jeden Tag begegnen, weil Haus und Besitz beieinander liegen, und so für den Erhalt des „gesunden Bauernstandes“ sorgen, welches Wort im übrigen von Konrad Adenauer stammt). Und die Alten, die erst dann den Hof an den Sohn überschreiben, wenn dieser selbst schon Opa geworden ist, dürfen sich ihren Altenteil in Form von freiem Wohnen und Essen (das landwirtschaftliche Altersruhegeld reicht gerade aus, um zu den feststehenden Gelegenheiten den Kindern und Enkeln das erwartete Geschenk zu machen) dadurch verdienen, daß sie das tun, wofür ihre Glieder überhaupt noch zu bewegen sind – also nicht nur auf die Enkel aufpassen.

Der bäuerliche Familienbetrieb, dem die Bundesregierung seine „Lebensfähigkeit“ sichern will, diese natürliche Verlängerung des landwirtschaftlichen „Einmannbetriebes“, ist die arbeitsreiche Zwischenform einer Agrikultur, in der es überwiegend noch kaum echte Unternehmer in Sachen Landwirtschaft gibt und auf der anderen Seite kaum auch mehr Landarbeiter. Letzteres kann sich natürlich ändern. Man bedenke nur, daß die letzte Lohnerhöhung dieser Lohnarbeiter sage und schreibe 6,8 % betrug (worüber sich keine Öffentlichkeit aufgeregt hat) und daß in der letzten Zeit, da Arbeitslosigkeit herrscht, die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten nur noch geringfügig zurückgegangen ist.

Warum es in der Landwirtschaft so abseitig anders zugeht als in der Industrie, wird jeder als eine dumme Frage abqualifizieren. Ist doch klar, die Bauern, das sind doch die, die vom Wetter abhängen und darauf hoffen, daß die Kartoffeln möglichst dick geraten, so daß das Gewicht den niedrigen Preis aufwiegt, den ihnen die städtischen Feinschmecker für diese aufgeblähten Dinger nur zahlen wollen.


Ackerbau und Viehzucht

Daß sich trotz der Tatsache, daß die technischen Errungenschaften der Menschheit es dieser ermöglichen, den ganzen Globus in die Luft zu sprengen, immer noch eine Macht hält, die doch eigentlich als beherrschte gilt, soll an zwei Beispielen belegt werden:

– New-York Daily Tribüne, 10. September 1860 „Da sich das Wetter in dieser Woche nicht gebessert hat, stieg der Wert des in London produzierten Mehls gestern in Mark Lane um 6 sh. pro Sack ...“

– Agrarbericht 1978
„Die wesentliche Ursache des Einkommensrückgangs (der landwirtschaftlichen Familienarbeitskräfte) 1976/77 liegt in den Auswirkungen der Trockenheit. Zum einen wurden die trockenheitsbedingten Rückgänge bei den Erntemengen nur zum Teil durch höhere Erzeugerpreise ausgeglichen. Zum anderen waren zahlreiche Betriebe wegen der starken Ertragseinbußen bei der Rauhfutterernte gezwungen, in ungewöhnlich starkem Umfang Futtermittel zuzukaufen. Neben diesen Einflüssen der Trockenheit wirkten sich gleichzeitig der zyklisch bedingte Preisrückgang bei Schlachtschweinen und die insgesamt geringe Abnahme des Arbeitskräftebesatzes auf das Einkommensergebnis aus. Mit der geringeren Abnahme des Arbeitskräftebesatzes hat sich ein Bestimmungsfaktor abgeschwächt, der noch bis zum Wirtschaftsjahr 1974/75 wesentlich zur Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens in den landwirtschaftlichen Betrieben beigetragen hat.“

Was Marx – er schrieb den Artikel in der Daily Tribüne – dem geneigten Leser in einem Satz klarmacht: daß die Kornpreise steigen, weil das Wetter schlecht ist, aber deswegen noch lange nicht das schlechte Wetter der Grund für das Steigen der Preise ist, verdeutlicht der „Grüne Bericht“ dem ebenso geneigten Leser in mehreren Sätzen – ohne es zu wollen. Wenn nämlich der ,,Bestimmungsfaktor Arbeitskräftebesatz“ nicht geringer – vielleicht sogar stärker – abgenommen hätte (einfach umwerfend die agrarpolitische Strategie, das Einkommen der Familienbauern dadurch zu vergrößern, daß man sie reduziert, so daß die Verbleibenden, die dasselbe Pensum wie vorher schon irgendwie schaffen, notgedrungen mehr Einkommen bekommen); wenn obendrein die Schlachtschweine ihren „zyklisch bedingten Preisrückgang“ (selbst Schweine sollten wissen, daß auf ein Hoch in der Hegel ein Tief folgt und vice versa) einfach hätten ausfallen lassen; wenn schließlich die EG die Erzeugerpreise nach dem Hundertjährigen Kalender, also in weiser, gut-bäuerlicher Voraussicht einer kommenden Trockenheit festgesetzt hätten ...

Wenn alle diese gänzlich unnatürlichen Bestimmungsfaktoren anders gewesen wären, als sie es waren, dann wäre vielleicht die Trockenheit doch nicht „die wesentliche Ursache des Einkommensrückganges“ gewesen. Da es aber anders kam, die Agrarpolitiker nach der Bauernregel

„Wenn der Hahn kräht auf dem Mist,
So ändert sich das Wetter,
Oder es bleibt, wie es ist.“

planten und es so mit Willen und Bewußtsein den Bauern überließen, mit ihrem Einkommen fertigzuwerden, bleibt es für die Politiker dabei, daß die große Trockenheit der Schuldige war, obwohl es natürlich auch hätte sein können, daß trotz fehlender Trockenheit die Schweinepreise sich so verhalten hätten, daß trotzdem die Einkommen gesunken wären und so weiter.


Die Natur ...

Zweifellos hat es die Landwirtschaft und Viehzucht mit der organischen Natur zu tun und auch mit dem Wetter. Ein nasser Sommer reduziert die Ernteerträge oder ihre Qualität – gegenwärtig noch. Denn daß man auch dem Wetter naturwissenschaftlich beikommen kann, zeigt die Entwicklung der Landwirtschaft: Bewässerung; Trockenanlagen für naß eingebrachtes Getreide; Getreidesorten, die Minustemperaturen lässig aushalten – bis hin zur direkten Einwirkung auf die Witterung. Der Witz, der über den im Hochwasser schwimmenden Hut gemacht wird: „Dat is Hein, de mägget (mäht) bi jedem Wedder.“ ist so gesehen so blöd gar nicht. Ein Ackerbauer kann sich auch seinen Roggen nicht an einem Tag schnitzen (obwohl mehrere Ernten im Jahr schon möglich sind). Und der Viehzüchter würde seine blauen Wunder erleben, wollte er versuchen, aus einem Ferkel in Nullkommanichts ein genießbares Schwein zu basteln, obwohl es schon Torpedoschweine mit 1 Kotelett extra gibt! Doch daß aufgrund der natürlichen Vorgänge, die der Bauer sich zu Nutze macht, indem er sie durchschaut, eine Kartoffel plötzlich zwei statt zehn Pfennig kostet und ein Schwein nur noch drei statt fünfhundert Mark aufwiegt, dies liegt doch offensichtlich nicht an der Natur und ihren Witterungsbedingungen, Das Besondere von Ackerbau und Viehzucht (vom Wald gar nicht zu reden) liegt darin, daß dieses Gewerbe, das sich in der organischen Natur betätigt, nicht in die kapitalistische Landschaft paßt und doch notwendig dazu gehört. Vom harten oder papierenen Wert kann sich niemand ernähren, genausowenig wie die Produkte der großen Industrien jemanden sattmachen. Daß auch in dem modernen und hochentwickelten Industriestaat BRD die Landwirtschaft für die nötigen Nahrungsmittel und organischen Rohstoffe sorgen muß, heißt aber nicht, daß alles getan wird, der Natur ihre Früchte zu entreißen, indem man sie sich mit allen Mitteln der Naturwissenschaft und Technik aneignet. Im Gegenteil, sie ist ein Zuschußunternehmen, das den Wechselfällen der Industrie ausgesetzt dahinvegetiert und nur durch die Ruinierung von Menschen, Höfen und Natur fortschreitet. Ewig das gleiche Spiel in Ackerbau und Viehzucht. War die Ernte gut, fallen die Preise und nehmen den Vorteil der Qualität und Quantität des Produkts, so daß auch einmal eine schlechte Ernte durch hohe Preise entschädigt werden kann.

Vielleicht!

Stellt ein Bauer seine ganze Produktion auf Mastschweine ein, weil diese Viecher im Augenblick einen hohen Preis erbringen, sieht er sich nach der Aufzucht – selbst mit Fischmehl und ohne störende Eber und überflüssige Bewegung dauert die Aufzucht ihre Zeit – mit einem deutlich gesunkenen Preis konfrontiert, zumal auch andere Bauern auf seine Idee verfallen sind. Rafft eine Krankheit die Tiere dahin, ist alles für die Katz. Andererseits kann er die Schweine nicht zurückhalten und im Keller abstellen, wenn sie zum Verkauf fett genug sind. So gerät der Segen der Natur zur „Überschußproduktion“, die im Verband der EG als ,,Butterberg“ oder „Rindfleischhügel“ gestapelt wird, während das Volk Margarine fressen muß und sich weiterhin nur an Festtagen einen gescheiten Rindsbraten leisten kann. Oder eine Unterschußproduktion führt dazu, daß plötzlich Kartoffeln das Dreifache des Vorjahres kosten, ohne daß dadurch die Einkommen der Bauern merklich stiegen, da sie ja zu wenig (wofür?) produziert haben. So sind die Bauern gezwungen, sich in Genossenschaften zusammenzuschließen, um sich gegen die Marktschwankungen, die von den Händlern rücksichtslos ausgenutzt werden können, einen halbwegs geregelten Absatz zu einem dementsprechend niedrigen Preis zu sichern, der den Abgang der Kleinbauern bestenfalls hinauszögert, indem er ihn genossenschaftlich schützt.


... des Kapitals

Was Begutachter der Landwirtschaft noch immer vorbringen, wenn sie deren schlechte Lage entschuldigen, die Abhängigkeit von der Natur, ist in Wirklichkeit die Abhängigkeit landwirtschaftlicher Produktion von der wechselvollen Nachfrage der Industrie, die vom Geldbeutel der Lohnarbeiter (genauer: „Die industriellen Arbeitgeber hoffen, durch Niedrighalten der Agrarpreise Lohnforderungen vorbeugen zu können.“ (Dr. C. Puvogel im Agrarbericht 1956) und der Gewinnkalkulation der organischen Rohstoffe verarbeitenden Unternehmer bestimmt wird. Weil es nicht um rationelle Agrikultur geht – der Zweck nicht die möglichst intensive und produktive Ausnutzung der Natur ist, also auch nicht die Produktion höchster Qualität und die Erhaltung und Beförderung der Bodenfruchtbarkeit als Grundlage –

„Die Modernisierung und Intensivierung der Betriebe hat aber ihre Grenze, denn nicht die möglichst hohe Produktion, sondern der höchste Gewinn ist Zweck der Landwirtschaft und muß es sein, auch im Hinblick auf das allgemein Beste.“ (Thaer, Grundsätze der rationellen Landwirtschaft), –

sondern sich alles um den Gewinn dreht, der aber von den Bedürfnissen der Industrie abhängt, zudem in häuslichen Kleinbetrieben von Unternehmern erwirtschaftet wird, die weder Kapitalist noch Lohnarbeiter sind – ist die Natur eine Schranke, die längst überwunden.

So dreht sich alles um. Obwohl die Produktivität der Landwirtschaft „der natürlichen Grundlage nach“ (K III/793) die Voraussetzung nicht nur von Künstlern und Philosophen, sondern jeder Industrie ist, der Überschuß der Landwirtschaft erst alle Formen kapitalistischer Überschüsse in Form von Gewinnen ermöglicht, ist das ländliche Gewerbe das Stiefkind der Volkswirtschaft, in der die Arbeit und nicht die Natur die Quelle eines Reichtums ist, von dem diejenigen, die ihn erarbeiten, wenig sehen. Als „wahrer Reichtum“ gilt etwas anderes als die optimale Ausnutzung der Natur. Der Bauer verkörpert in der bürgerlichen Gesellschaft, solange es ihn noch gibt, nicht das Reich der Freiheit, sondern das der Notwendigkeit und des Nicht-Überflusses. Sein Stand muß nach den Richtlinien der Agrarpolitik „lebensfähig“ erhalten werden, was alles über den Zustand des Bauernstandes aussagt. Er ist in der Welt des Kapitals ein noch notwendiges Übel, weshalb einerseits der Staat die Landwirtschaft subventioniert, andererseits aber zugleich deutlich macht, daß er dies nicht um der Bauern willen tut:

„Trotz großer Fortschritte wird die Landwirtschaft sicherlich weiterhin im Schatten der Industrie stehen ... Der Lebensstandard unserer bäuerlichen Bevölkerung steht und fällt mit der Gesamtkonjunktur.“ (ehemaliger Minister Niermann/CDU)


Dorfkultur

„Alle Kultur hat ihre Grundlagen im Bauerntum.“ (Hermann Löns)

Was unter diesen Umständen von dem Lob des Bauernstandes, wie es noch vor gar nicht langer Zeit in Schulbüchern stand, von Attributen wie ,,kräftige Naturburschen“, „Unschuld vom Land“, „glückliche Bäuerin“ (von einem Kultusminister aktualisiert), „Bauern sind schlau“ ... zu halten ist, kann man sich vorstellen, ohne einen Bauern zum Verwandten zu haben. Außer der Tatsache, daß dieser Menschenschlag ein recht erfrischendes Verhältnis zu Tieren entwickelt hat, also selbst Hunde und Katzen vor die Tür setzt oder abschießt, wenn sie ihm nicht mehr passen (die Sache mit dem Zigeuner, den ein niederbayerischer Bauer abschoß, war dagegen eine nicht zu billigende Verwechslung), gibt es nichts Positives über ihn zu berichten. Seine sprichwörtliche „Natürlichkeit“ ist gar nichts Feines, und die Ansätze von „Zivilisierung“ sind für sich auch kein Gut, wie man ja aus der Stadt weiß. Die Mischung aber aus beidem, das eine nicht mehr, das andere noch nicht zu sein, ergibt eine Figur, deren Schöpfung dem Kapital alle Ehre macht.

„Wenn das kleine Grundeigentum eine halb außerhalb der Gesellschaft stehende Klasse von Barbaren schafft, die alle Roheit primitiver Gesellschaftsform eh mit allen Qualen und aller Misere zivilisierter Länder verbindet“ (K III/821),

so sind damit die Bauern auf den Begriff gebracht. Ihr Gewerbe in Ackerbau und Viehzucht, das ihnen trotz aller Anstrengungen und der Notwendigkeit, quasi wie ein kapitalistischer Unternehmer zu kalkulieren, immer nichts einbringt, erzeugt einen Materialismus, der nur gemein genannt werden kann. Er enthält den Idealismus der Entbehrung und des Verzichts, der jedem Nachbarn eine Neuanschaffung mißgönnt für das Ziel, auf dem kleinen Hof Maschinen anzuschaffen, sich selbst, Frau und Kindern jede erdenkliche Arbeit und alle möglichen Beschränkungen abverlangt bis hin zu der Absurdität, statt Butter Margarine zu essen, damit für die Kühe das Kraftfutter gekauft werden kann. Da der Bauer glaubt, Arbeit koste nichts, wird sie dazu verwandt, aus dem letzten Dreck seines Eigentums an Grund und Boden ein wenig Frucht rauszuholen und die letzten Kartoffeln, die bei der Lese liegengeblieben sind, aus dem Acker zu wühlen. Jeder Arbeitserleichterung und Produktivitätssteigerung steht der Bauer skeptisch gegenüber. Sie kostet Geld – dann schon lieber die Kinder nicht zur Realschule schicken –, und zu diesem hat er das kapitalistisch widersinnige Verhältnis es zwar zusammenraffen, aber nicht vorschießen zu wollen.

Seine sogenannte Einfachheit und Natürlichkeit ist die Roheit, und seine Menschenkenntnis erschöpft sich in der Brutalität gegen die individuelle Besonderheit, an der ihm Kraft, Schläue und die Größe des Hofes imponiert. Liebe und Ehe (letztere wird im Mai eingegangen, wenn die Bäume ausschlagen, die Saatbestellung vorbei, die Heuernte noch nicht begonnen hat) bewitzelt er durch Vergleichen mit der Rinder- und Schweineaufzucht und gibt so zum besten, wofür ihm die Familie gut ist. Seine „Ruhe“ demonstriert er am handgreiflichsten vor der zivilisatorischen Errungenschaft Fernseher, vor dem er regelmäßig nach dem Wetterbericht einschläft. Seine „gesunde Art“ kennt keinerlei Psychologie:

„Im Krankheitsverzeichnis des Bauern kommen die Nerven nicht vor.“ (Balzac)

Wenn der Bäuerin das Geschrei der Kinder auf den Wecker geht und sie durchdreht, kommt der Vorwurf:

„Dir fehlt doch nichts! Stell dich nicht so an!“

Die „Bauernschläue“ dient dazu, in der Kargheit des bäuerlichen Lebens sich hin und wieder einen Vorteil zu ergaunern. Sie verträgt sich sehr gut mit dem Idiotismus, sei er nun angeheiratet oder in der Schulzeit erworben, die man mit Feldarbeit verbrachte, oder die Folge der Schwerstarbeit der Bäuerin, die schwanger Heu aufsticht und sich nach der Niederkunft nicht um die Blagen kümmern kann, oder die Folge der eigenen Arbeit:

„Wenn die Arbeit den Körper aufreibt, raubt sie dem Denken dessen reinigende Wirkung.“ (Balzac)

Das „Bauerntum als Gegenpol gegenüber der intellektuellen Verstädterung“ (Hitler) lebt in Haufen- oder Streudörfern. Mitten darinnen die Kirche, die zum gemeinen Materialismus dazugehört, egal ob die Bauern sie noch wirklich besuchen oder nur kurz hineinschauen auf dem sonntäglichen Gang ins Wirtshaus, das daneben liegt. Handgreifliche Diskussionen kommen auf allen Dorffesten zustande –

„Trinken, sich streiten, sich prügeln, essen und betrunken und krank heimgehen, das heißt für sie »feiern«.“ (Balzac) –

und drehen sich ansonsten um die Abweichungen von der Moral, der in der Enge und Geborgenheit des Dorfes niemand entfliehen kann. Die schlimmsten Sünden sind immer noch Beischlaf ohne Kindsfolge, Beischlaf mit Folgen aber ohne Ehe (bei geplanter Ehe dem Gaul auf Fruchtbarkeit hin ins Maul zu schauen, ist erlaubt) und „Undankbarkeit“ gegen Eltern und Verwandtschaft, wenn man sich um diese nicht mehr kümmert.

Ansätze von Fortschritt schleichen sich natürlich ein. Z.B. gilt die brutale materialistische Bauernregel nicht mehr

„Ein totes Pferd bringt größre Not, Als drin im Haus die Frau ist tot.“,

da heutzutage auf dem Lande Pferde kaum noch angewandt werden. Fortschritt ist auch nicht zu übersehen in der Mode, die sich häufig, da von derselben Stange gekauft, gleicht und an den Folgen jahrhundertelanger Praxis, das Blut der Bauern rein zu erhalten, recht adrett aussieht. Fortschritt auch bei der Jugend, die sich in größeren Dörfern einen Beatschuppen leistet, um sich von den Geräuschen auf dem bäuerlichen Hof zu erholen. Fortschritt auch, was die dörfliche Isoliertheit anbetrifft: Werbung um Stadtmenschen für „Ferien auf dem Dorfe“. Einer der letzten Versuche, den Hof zu retten, bevor man dazu übergeht, der Frau und den Kindern die landwirtschaftliche Arbeit zu überlassen und in der Stadt auf Arbeit geht, so daß man bei BMW die Kombination eines Bauern und eines Arbeiters beobachten kann. Und die ist wahrlich alles andere als das Produkt von natürlicher Kraft und handwerklicher Geschicklichkeit, sondern ein billiges und williges Arbeitstier.


Vom Bauer zum Landwirt

„Ziel der bayerischen Agrarpolitik ist es, eine bäuerlich betriebene Landwirtschaft zu erhalten.“ (Bayerische Staatskanzlei 1976)

Daß es die Bauern noch eine Zeitlang geben wird, ist keine Frage. Doch bedeutet dies noch lange nicht, daß die „Erhaltung eines lebensfähigen deutschen Bauerntums“ die Bauern und Höfe erhält, so wie es sie jetzt noch gibt. Das Landwirtschaftsgesetz von 1955 läßt keinen Zweifel daran, was der Staat von den Bauern will, wenn er ihnen helfend unter die Arme zu greifen verspricht. Es bricht radikal mit der Weisheit: „Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln.“

„Um der Landwirtschaft die Teilnahme an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft und um der Bevölkerung die bestmögliche Versorgung mit Ernährungsgütern zu sichern, ist die Landwirtschaft mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik – insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik – in den Stand zu setzen, die für sie bestehenden naturbedingten und (?) wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen und ihre Produktivität zu steigern. Damit sollen zugleich die Einkommen der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden.“ (§ 1)

Das Schöne an dieser staatlichen Subventionspolitik ist, daß sie bewirkt, daß einmal die Landwirtschaft produktiver produziert, daß aber zum anderen dieser Fortschritt, ohne daß die anvisierte Angleichung erreicht würde, eine Gesundschrumpfung bedeutet, die deshalb den Lebensstandard auf dem Land anhebt, weil die in dieser Wirtschaft Tätigen gezwungenermaßen nicht mehr als Bauern, sondern als Lohnarbeiter ihren Unterhalt verdienen müssen. Dieses Ziel hat der Staat zuerst einmal dadurch erreicht, daß er nichts getan hat. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit auf dem Lande, weil sich die Bauern nicht einmal Billigstlohnarbeiter leisten konnten, bzw. die Niedrigstlöhne, die den Landarbeiter zwangen, in die Industrie zu gehen und die Bauern, die von ihrem Grund nicht mehr leben konnten, alle diese Faktoren, „Landflucht“ genannt, reduzierten die in der Landwirtschaft Beschäftigten von ungefähr 5 Millionen nach dem Kriege auf ungefähr 1,5 Millionen heute. Gleichzeitig verringerte sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von knapp 2 Millionen 1949 auf 860.000 1977.

Und die staatlichen Hilfen für die Landwirtschaft taten und tun ihr übriges. Unrentable Betriebe erhalten nämlich keine Kredithilfe, so daß sie trotz der Stützpreise in der Konkurrenz unterliegen müssen. Wer direkte Kapitalhilfen will, muß schon einiges an Eigentum vorweisen, damit die Rationalisierung lohnend erscheint, und wird zugleich gezwungen, sich in die Bücher schauen zu lassen, also exakte Buchführung zu treiben. Einkommenseinbrüche (1976/77 um 13,6 %) lassen einer Vielzahl von Bauern keine andere Möglichkeit als die, den Hof aufzugeben oder als Doppelarbeiter (Hof und Arbeitsplatz in der Fabrik) die Vorstufe des Verkaufs oder der Verpachtung seiner Ländereien durchzustehen. Bei dem Vorhaben die unrentablen Betriebe“ auszuschalten, sind selbst die Nachteile, die die deutsche. Landwirtschaft um der Vorteile der sonstigen Wirtschaft willen in der EG in Kauf nehmen muß, doch wieder nicht so schlecht. Sie zwingen die Kleinen raus und die Großen zur Ausweitung ihrer Bodenflächen als Grundlage für eine kostenkalkulatorisch optimalere Produktion.

Wenn also ein Ertl davon redet, daß „auch agrarpolitische Fragen in größeren Zusammenhängen gesehen werden“ müßten, und der Bauernverband, der sich ständig als die Interessenvertretung aller Bauern aufführt, verspricht,

„Die Landwirtschaft ist bereit, weiterhin einen angemessenen Beitrag zur Sicherung von Wachstum, Stabilität und Beschäftigung zu leisten“,

dann geht es allemal darum, in der deutschen Landwirtschaft kapitalistische Zustände einzuführen, also aus den Bauern Landwirte zu machen, die über genügend Grund und Boden verfügen, um ihr Kapital darauf kostengünstig anwenden zu können. So fügen sich und sollen sich die Bauern in den „großen Zusammenhang“ einfügen, als Unternehmer in Sachen Landwirtschaft, die ihre Kollegen, die als Lohnarbeiter auf der Strecke geblieben sind, nur noch für zweierlei gebrauchen können: Sie sollen ihnen ihren Boden zur Verfügung stellen (das tun sie dann auch), wenn sie schon nicht als Landarbeiter beim Landwirt ihr Leben fristen wollen, soweit sie sich das noch aussuchen können.


Die Grundlagen der freien Landwirtschaft

Für das Ziel, Kapitalisierung der Landwirtschaft, das sich auch „Strukturpolitik“ nennt, gibt es doch tatsächlich selbst in der CDU Leute, die sich (heimlich) die Analyse des kapitalistischen Grundeigentums von Karl Marx zu Nutze gemacht haben. Sie haben eingesehen, daß kapitalistische Landwirtschaft mit Kapital betrieben werden muß und es dafür nicht auf das Eigentum an Grund und Boden ankommt, sondern auf eine entsprechende „Flächenaufstockung“. Freilich bleibt das Dumme, daß die Flächen immer jemandem gehören.

„Die Flächenerweiterung durch Bodenerwerb erfordert bei dem knappen Bodenerwerb und den hohen Bodenpreisen“ (auch Erde hat ihren Preis) „sehr hohe Kapitalsummen, um das Einkommen zu verbessern“ (dafür ausgegeben, erhöht es das Einkommen wohl kaum). „Die Zupacht stellt daher die betriebswirtschaftlich wirksamste Maßnahme dar, um die Einkommenskapazität zu kleiner Betriebe zu erweitern, Tatsächlich wurden in der Vergangenheit die durch Verkleinerung (?) oder Auflösung von Betrieben freigewordenen Flächen weniger durch Eigentumswechsel, als vielmehr auf dem Wege der Pacht zugeführt. Dementsprechend hat die Zahl der Betriebe mit Pachtland in mittel- und großbäuerlichen Wirtschaften kräftig zugenommen. Die Pacht verdient daher verstärkte Förderung.“ (Professor Dr. Dr. h.c. E. Woermann auf dem Bauernkongreß der CDU in Oldenburg 1965)

Dieser Professor hat begriffen, daß es im Kapitalismus aufs Kapital ankommt, welches man auch in der „naturbedingten“ Landwirtschaft anzuwenden habe. Da man aber auch Kapital erst einmal haben muß, also Eigentum der letzte Schlüssel für jeglichen Gewinn ist, hätte er sich bei seiner im kapitalistischen Sinne völlig richtigen Lösung des Bauernproblems an eine Bauernregel erinnern müssen, die darauf hinweist, daß sich das Kapital mit seinem Eigentumsfanatismus einen unangenehmen Gegner geschaffen hat:

„Egal, wie's Kapital ausschlägt,
Der Boden jährlich Rente trägt.“

Und dies aus dem vom Wert aus gesehen völlig absurden Grund, daß das maßlose Kapital trotz seiner Grenzenlosigkeit auf Grund und Boden und die Früchte der Erde irgendwie angewiesen ist. So muß der Landwirt, der sein Kapital in Landwirtschaft und Viehzucht vermehren will, dem Grundeigentümer Pacht zahlen, bloß weil diesem der Boden gehört. Diesem Tribut der Landwirte an die Grundeigentümer tragen die hohen Preise oder die staatlichen Subventionen, die in einer kapitalistisch betriebenen Landwirtschaft nicht überflüssig werden, Rechnung. Und der freie deutsche Großbauer mit großem Grundbesitz, der sein Eigentum ist, der also keine Rente zu zahlen hat, steht zwar besser da als der Pächter, aber doch nicht ohne den Widerspruch des Privateigentums. Was nämlich sein Grund und Boden Wert ist, kann er nicht als produktives Kapital, das sich vermehrt, anwenden (so daß es auch immer wieder große Bauern gibt, die ihr Eigentum verpachten und sich als Rentiers zur Ruhe setzen, um nicht mehr den Widrigkeiten des Auf und Ab der Preise ausgesetzt zu sein, die auch für die kapitalistische Landwirtschaft die Schranke ihrer Rationalität bleibt).

So verfällt auch in der Landwirtschaft der Kapitalist im Ringen mit dem Grundeigentum und den Wechselfällen des industriellen Zyklus, der sich nicht nach seiner in der organischen Natur angesiedelten Produktion richtet, auf den Trick, dem das Kapital seine Existenz verdankt: die Natur auszubeuten statt auszunutzen mittels der Ausbeutung von Menschenmaterial in Form von Lohnarbeitern:

„Wenn das kleine Grundeigentum eine außerhalb der Gesellschaft stehende Klasse von Barbaren schafft, die alle Roheit primitiver Gesellschaftsformen mit allen Qualen und aller Misere zivilisierter Länder verbindet, so untergräbt das große Grundeigentum die Arbeitskraft in der letzten Region, wohin sich ihre naturwüchsige Energie flüchtet, und wo sie als Reservefonds für die Erneuerung der Lebenskraft der Nationen sich aufspeichert, auf dem Lande selbst. Große Industrie und industriell betriebene große Agrikultur wirken zusammen. Wenn sie sich ursprünglich dadurch scheiden, daß die erste mehr die Arbeitskraft und daher die Naturkraft des Menschen, die letztere mehr direkt die Naturkraft des Bodens verwüstet und ruiniert, so reichen sich später im Fortgang beide die Hand, indem das industrielle System auf dem Land auch die Arbeiter entkräftet und Industrie und Handel ihrerseits der Agrikultur die Mittel zur Erschöpfung des Bodens verschaffen.“ (K III/821)

Wo die Industrie bekanntlich am größten ist, in den USA, ist diese kühne Prophezeiung von Karl Marx (zwar Ökonom aber kein Landwirt!) inzwischen bis ins Detail verwirklicht worden. Der Übergang vom Bauern zum kapitalistischen Landwirt befördert zwar die technische Entwicklung der Landwirtschaft, doch eine rationelle Agrikultur beginnt deshalb noch lange nicht. Sie ist „unverträglich mit dem kapitalistischen System“ (K III/131). Um so erfreulicher ist es, daß – wie uns zu Ohren gekommen – ein Jungbauer aus dem Münsterland (er fiel schon immer durch tiefes Grübeln auf, wenn er den Blick über seine gut im Wuchs stehende Gerste gleiten ließ), nachdem er gerade 70 Ferkel in die Wallachei gejagt hatte, deren Preis so sehr gefallen war, daß ihm die Übergabe an die freie Natur den Gewinn der Transportkosten einbrachte, folgende bahnbrechende Bauernregel einfiel:

„Wenn wir's Kapital brachlegen,
Ist endlich die Natur ein Segen.“

 

aus: MSZ 23 – Mai 1978

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