Arbeitspolitik und Familienmarkt


Fast wäre die Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes gescheitert. Ein paar SPDler wollten angesichts der guten Konjunkturlage wieder einmal beweisen, daß sie sich aus den Maßnahmen, die sie beschließen, ein Gewissen machen. Gerade noch rechtzeitig hat dann auch ihnen eingeleuchtet, daß man so belanglose Fragen wie den Zwang für arbeitslose Angestellte, sich auch als Arbeiter vermitteln zu lassen, die Zu- mutbarkeit des Wochenendpendelns oder den Zwang zur Aufnahme von Schichtarbeit am besten „ohne den Druck der öffentlichen Meinung“ durchsetzt, wie es von Anfang an geplant war. Den Zumutbarkeitsbestimmungen war bei der „Novellierungsarbeit“ ohnehin schon „ein ungerechtfertigt hohes Gewicht gegeben“ worden. Das Gesetz ist also gerettet.


Erste Schritte zum Mutterschaftsanreiz

Allerdings mit einer wesentlichen Änderung. Die Woche fern von Frau und Freunden und eigener Wohnung soll einem Arbeitssuchenden nur noch dann zugemutet werden, wenn er daheim keine Blagen hat, um die er sich kümmern muß. Die Gesetzgebung beweist hier einmal mehr, daß sie wie aus einem Guß ist, denn eine Woche vorher hatte das Parlament die elterliche Erziehungsgewalt in „elterliches Sorgerecht“ umgewandelt, und damit klargestellt, daß die Erziehung der Kinder eine staatliche Pflicht ist. Wenn also die elterliche Gewalt nicht ausreicht, muß auch die staatliche noch dazukommen.

Endlich hat die Regierung auch etwas gegen das Aussterben der Deutschen unternommen. Da man nicht bereit war, einfach ein paar überschüssige Ausländer zu adoptieren, weil die es nur auf unseren Wohlstand abgesehen haben, was für einen Staat eine sehr schlechte Grundlage abgibt, sah man sich gezwungen, andere Wege zu gehen. Allerdings fielen die Maßnahmen noch eher halbherzig aus; der einzig revolutionäre Vorschlag, der aus bayerischen Regierungskreisen kommen soll, unter die Pille einfach ein paar Blindgänger zu mischen, scheint sich noch nicht bis nach Bonn herumgesprochen zu haben. So orientierte man sich zunächst an der DDR, der man neidvoll zugestehen muß, daß sie eine deutlich höhere Geburtenrate aufweist, was nur an den materiellen Anreizen liegen kann. So hoch wie drüben wollte man hier indes nicht gehen, denn das ist Diktatur.

Umgekehrt hielt der Bundestag fest,

„daß der Mutterschaftsurlaub nur ein erster Schritt zu dem Ziel sein soll, daß sich alle Eltern ohne wirtschaftlichen Zwang zur Erwerbstätigkeit der Kindererziehung widmen können, sobald das finanziell zu verwirklichen ist“.

Da die jetzige Maßnahme zur Sicherung der zukünftigen Renten schon ein Loch von 900 Mio. in den Staatssäckel reißen wird, muß man erst einmal abwarten, wieviele ökonomische Hindernisse noch aus dem Weg geräumt werden müssen, damit deutsche Mütter wieder mehr gebären. In seinem Bericht zur Lage der Nation hat der Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß sich vor allem auf ideologischem Gebiet noch einiges machen läßt. Die Nation muß insgesamt wieder kinderfreundlicher werden. Gewagt war in diesem Zusammenhang sein Vergleich von Laden- oder Fahrraddiebstahl mit dem früheren Äpfelklauen; dem Oppositionsführer waren schon die Äpfel zu groß; er wollte sich nur auf Kirschen einlassen.


Ein konjunkturgerechtes Mutterbild

Unüberwindbar die Kluft zwischen Regierung und Opposition auch in der Einschätzung der Familie. Die „programmierte Bevorzugung“ der berufstätigen Frau, die allein durch das neue Gesetz in den Vorzug des verlängerten Mutterschaftsurlaubs und einen Lohnausgleich bis zu DM 750 kommt, werde dazu führen,

„daß noch mehr Mütter nach dem ersten Kind zur Arbeit zurückdrängen, um sich die Vorteile des Mutterschutzes für das zweite Kind zu sichern.“

Die Opposition dagegen wollte mit dem Vorschlag eines allgemeinen Mutterschaftsgeldes über 18 Monate einen nahtlosen Übergang vom ersten zum zweiten Kind, obwohl sie wiederum nicht sagen konnte, wie das finanziert werden sollte. Die Opposition setzt also mehr auf das Bild einer intakten Familie, während die Regierung die praktizierte Doppelbelastung der Frau für nicht unpraktisch hält.

Emanzipation steht also weiter auf der Tagesordnung, so daß eine FDP-Politikerin einen Vorstoß gegen überholte Arbeitsschutzbestimmungen unternommen hat, die die Nachtarbeit der Frau einschränken,während daneben die Diskussion wieder aufblüht, daß die Frau in die Küche und zu ihrer Familie gehört. Gemeint sind dabei natürlich nicht die Fabrikarbeiterinnen, denn auf die Kröten kommt es weniger an als darauf, daß man für die Kinder wieder Opfer bringen muß. Ein Studienrat a.D. meldet sich zu Wort:

„Die Mütter müssen mitverdienen, weil der Verdienst der Väter nicht ausreicht, weil (das zweite „weil“ ist gut) nämlich das Maß am Lebensstandard der kinderlosen Verheirateten und unverheiratet Zusammenlebenden, die beide arbeiten und verdienen, genommen wird. ... Die richtige Möglichkeit wäre, die Kinderlosen so hoch zu besteuern, daß sie keinen finanziellen Vorteil mehr haben. Dieses Geld soll man dann den Familien mit Kindern gestaffelt nach der Kinderzahl geben, so daß sie finanziell mit den Kinderlosen gleichgestellt sind. Es miißte dann als unehrenhaft gelten, wenn eine Mutter arbeitet, anstatt sich um ihre sorgebedürftigen Kinder zu kümmern!“ (Leserbrief an die „Süddeutsche Zeitung“ vom. 2. Mai)

Also Deutsche, achtet darauf, ob eure Nachbarn nicht mindestens drei Kinder werfen!

 

aus: MSZ 29 – Mai 1979

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