Kraft durch Freude

Allen wohl und niemand weh, wir kämpfen mit dem MSB!

 

Der Bundesvorstand des MSB Spartakus als Gralshüter der reinen gewerkschaftlichen Orientierung hat nach langen „ideologisch Bemühungen“ und gestützt auf die „Grundlage des Erfahrungsschatzes“, folgend „dem Beschluß des dritten Bundeskongresses und der dritten BV-Tagung“ endlich den „Hauptstoß“ künftiger Spartakus-Politik „konkret“ bestimmen können. Er heißt „Den Masseneinfluß des MSB Spartakus stabilisieren und ausbauen, unsere Organisation weiter festigen!“ und ist als „Dokumentation“ einer erfolgreichen Säuberung („Ausgabe neuer Mitgliedsbücher“) in den „Roten Blättern“ vom Dezember 1974 als Beilage abgedruckt (alle Zitate – soweit nicht anders vermerkt an diesem Ort.) Wir wollen unseren Lesern das Schönste aus diesem Dokument aus „Verantwortung gegenüber der gesamten demokratischen und Arbeiterbewegung im nationalen ebenso wie im internationalen Maßstab“ nicht vorenthalten. Immerhin „gibt es Spartakisten von Flensburg bis Konstanz“. Diese „alle ziehen an einem Strang“. Wessen Hals in dessen Schlinge steckt, wollen wir uns im folgenden näher ansehen.

1. Man dankt

„Ein Quentchen Dank wird, hoch ihn zu vergnügen, die Zentner Undanks völlig überwiegen.“ (Faust II, Felsbuchten)

Trotz, nimmermüder Anstrengungen, die „soziale Misere“ der Studenten landauf landab zu verbessern, haben Spartakisten im letzten Jahr seitens ihrer Schutzbefohlenen, den „700 000 Studenten in unserem Land“, nur Undank geerntet. Das Hohngelächter der Reaktion noch im Ohr, nach dem Wahlfiasko zu Bonn, erfährt der Spartakist wenigstens von einer Seite die gebührende Anerkennung.

„Wir möchten an dieser Stelle allen Genossen und Genossinnen für ihre bisher geleistete Tätigkeit, für ihr hohes Maß an verantwortungsvoller politischer Arbeit herzlich danken.“

Zum Dank sieht sich der Bundesvorstand ob der erstaunlichen Tatsache genötigt, daß „die Mitglieder unseres Verbandes großes Interesse daran haben, an der Fortsetzung des Weges zur weiteren Stärkung des MSB Spartakus mitzuwirken“. O glücklicher MSB, muß man da anmerken: Deine Mitglieder wollen, daß es vorwärts geht mit Dir. Dennoch bleiben Zweifel. Damit es noch weiter vorangeht, „müssen einige besonders wichtige ideologische Fragen behandelt werden“.


2. Die Lage ist bedrohlich

„Die Lage war noch nie so ernst!“ K. Adenauer, vor dem Bundestag.

Es ist gut, daß der MSB gerade jetzt mit „Entschlossenheit, Mut und Disziplin“ darangeht, seine „Position zu festigen und auszubauen“, denn:

„Selten waren die Hochschulen bereits in den ersten Tagen und Wochen eines Semesters so stark von politischen, besonders sozialpolitischen Auseinandersetzungen geprägt, wie mit Beginn dieses Semesters“.

Was, um Gottes Willen, ist nur geschehen? Wir ahnen es bereits, die „herrschende Klasse“ hat zugeschlagen. Sie hält die Studenten im perfiden Zangengriff. Einerseits können „heute die meisten Studenten nicht besser, sondern eher schlechter studieren als noch vor wenigen Jahren“ (dies Ergebnis einer Analyse „der objektiven Lage, mit der wir es zu tun haben“), andererseits „versucht die herrschende Klasse, die Studienzeit durch Reglementierungsmaßnahmen zu verkürzen“. Könnte man angesichts der Misere der Studenten vermuten, die Verkürzung der Studienzeit müßte vom MSB als Abkürzung eines Leideswegs begrüßt werden, müssen wir erkennen, daß wir uns „zu sehr von schwankenden Stimmungen eines Teiles der Studenten beeinflussen lassen“. Es kommt nämlich daran! an, „auf wissenschaftlich hohem Niveau zu studieren“ und daran werden wir durch „die gesellschaftlichen Verhältnisse (gehindert)“ Klar, denkt hier der marxistisch orientierte Leser: die gesellschaftlichen Verhältnisse lassen nur bürgerliche Wissenschaft an den Hochschulen zu und deren „wissenschaftliches Niveau“ kennt man ja, doch hier wird er von den gewerkschaftlich orientierten Spartakisten eines Besseren belehrt: alles ist eine Frage der Zeit oder time is knowledge.

„Die herrschende Klasse will die Studenten zwingen, kurz zu studieren. Unter den Verhältnissen, wie sie momentan in der BRD herrschen, bedeutet das: das wissenschaftliche Niveau wird weiter gesenkt.“


3. Die Konzernbosse werden dennoch dicker

„In dieser Armut welche Fülle!“ Faust I, Abend

Während  der Qualifikationsverfall des Studiums mit dem weiteren mono-polaren Anschlag einhergeht, daß „sich die soziale Situation der Studenten von Woche zu Woche verschlechtert“ (wöchentliche Verkleinerung der Essensportionen in der Mensa?) werden „die Bankkonten der Konzernbosse immer dicker.“ Nach wie vor „regiert in der BRD der Profit“. Dieser wird dadurch erzielt, daß „die Arbeiter und Angestellten die Gürtel enger schnallen.“ Die Monopolherrn müssen also einen Trick erfunden haben, der die eingesparten Kalorien der Werkstätigen direkt in ihre Bäuche überführt. An dieser Stelle angelangt, scheint die Lage der Studenten aussichtslos. Doch halt: „Gibt es nun für die Studenten einen Ausweg aus dieser Lage?“


4. Die Lage ist doch nicht so schlecht

„Meine Herrn, ich habe gesagt, die Lage ist ernst, aber, meine Herrn von der Opposition, so ernst ist die Lage auch wieder nicht.“ Konrad Adenauer, vor dem Bundestag.

Die „herrschende Klasse“ macht bei ihrem Würgegriff einen entscheidenden taktischen Fehler. Druck erzeugt Gegendruck! Denn im Schwitzkasten der „Konzernherrn“ sehen „breitere Schichten der Studenten, auch sog. unpolitische Kommilitonen heute …, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann“.


5. Die Lage ist sogar ausgezeichnet!

„Und wenn das Elend alles mir gerauht. So preis ich's doch: die Wahrheit lehrt es mich.“ Tasso, Sz. 5

So wie Not beten lehrt, so auch „revolutionäre Politik“ und wie wir „den Stoß des Kampfes unmißverständlich gegen das Großkapital zu richten“ haben. „Wenn wir nicht unnötig zaudern, sondern die großen Möglichkeiten beim Schopf packen , . . dann folgen uns die Studenten“. An Beispielen fehlt es nicht: „Das zeigen auch die ersten SP-Wahlergebnisse in diesem Semester.“ (Den Bonner Kommilitonen scheint es noch zu gut zu gehen). Doch nur nicht übermütig werden: „ … dürfen wir nicht versuchen, die Tatsache wegzudiskutieren, daß die herrschende Klasse gegenwärtig eine Politik betreibt, die uns das Erzielen von Erfolgen systematisch erschwert.“ (In Bonn muß wohl Pfanni mitgemischt haben?) Zu welchen tragischen Folgen z. B. die „äußerst harte Spaltungspolitik“ der Monopole führt, hat man erst jüngst in Marburg gesehen, aber auch, wie man Niederlagen in Siege verwandeln kann: so haben wir erkannt, „daß die Gebührenverweigerung zwar keinen unmittelbaren Erfolg gebracht hat, aber einen wichtigen Beitrag zur Veränderung des politischen Kräfteverhältnisses“. (Näheres darüber in MSZ Nr. 2/1974).


6. Nicht nachlassen

„Was auch passiert: ich bleibe am Ball!“ Udo Lattek, im ZDF

So dürfen wir keinesfalls durch Rückschläge entmutigt werden. In Zeiten der subjektiven Schwäche, kommt uns die „objektive Lage“ zu Hilfe. Diese „ist, daß auch an den Hochschulen die Probleme nach einer Lösung schreien“, Doch es genügt nicht, nur die Ohren offenzuhalten. Mehr noch:

„Rechtzeitiges Anpacken der wichtigsten Probleme der Studenten und ein kontinuierliches Am-Ball-Bleiben: das ist die Aufgabe, die wir zu lösen haben.“


7. Den Anker in die Massen!

„Wird vieles vor den Augen abgesponnen, So daß die Menge staunend gaffen kann, Da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen, Ihr seid ein vielgeliebter Mann.“ Faust I, Vorspiel

Wir wollen unseren Lesern aber auch den Wermutstropfen in der Botschaft des MSB-Bundessekretariats nicht vorenthalten. Unter den vielen von Flensburg bis Konstanz an einem Strang ziehenden Spartakisten gibt es auch ein paar „Mitglieder“, denen es „schwerfällt, sich Rechenschaft abzulegen über den Stand ihrer persönlichen Massenverankerung“. Dabei wurden in den Gesprächen anläßlich des Umtauschs der Mitgliedsbücher ausschließlich in „konkretester, direktester, schonungslosester Weise“ Fragen gestellt, die keineswegs „formal oder aufgepfropft sind“, wie z. B.:

„Mit wieviel Studenten sprichst du regelmäßig? Wie hoch ist dein persönliches Ziel für die Werbung neuer Mitglieder?“

Ferner wurde eruiert: der „persönliche Bekanntheitsgrad als Spartakist am Fachbereich, im Wohnheim usw.“ Jene Mängel können aber behoben werden, denn: „Die Spartakisten kennen die Veränderbarkeit des Alltags. (Blumen in die Wohnheime?) Nicht nur politisch darf der Spartakist den Kommilitonen kommen, das wird auf die Dauer fad, nein, es geht darum,

„daß jeder Spartakist durch seinen .. . fachlichen Beitrag im Studium, aber such in der Freizeit als Student und als Spartakist bekannt wird.“

Und wenn schon die „herrschende Klasse“ den Studenten das Studium vermiest, so nicht die Spartakisten:

„Deshalb ist es gut und wichtig, daß in vielen Gruppen damit begonnen wird, auf ein regelmäßiges Studium der Genossen zu dringen.“


8. Die Lust, Spartakist zu sein

„Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein.“ Faust I, Vor dem Tor

Als „marxistische Massenorganisation der Studenten“ muß der MSB natürlich auch „möglichst nah an den Studenten“ wirken. Gleich mehrmals betont der Bundesvorstand die Tatsache, daß es sich beim Spartakus um „eine offene und diskussionsfreudige Organisation“ handelt. So lange die Studenten Fragen haben, „die sie noch vom Eintritt in den Spartakus abhalten“, haben sie natürlich „Gelegenheit“, diese zu stellen. Jedoch einmal drin im MSB wirds noch schöner. Es ist dafür gesorgt, „daß sich jeder unserer Genossen in der Gruppe und Sektion wohlfühlt“.

Wie geht das?

Recht einfach: der MSB weiß genau, was des deutschen Studenten Gemüt erquickt, z. B. ein „aktuell und attraktiv aufgezogener Bildungsabend“ oder gar ein „gemeinsamer Theaterbesuch“ (sicher mit Damen!). Damit es aber nie langweilig wird, ist die „politische Vorbereitung des Rote-BIätter-Verkaufs ebenfalls fester Bestandteil des Gruppenlebens.“ (Da sag noch einer, Spartakisten seien Spießer mit rotem Halstuch!)

9. Ein Herz für die Jugend

„Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte vor Eurem Spiel und lauscht der Offenbarung.“ Faust I, Vorspiel

Ein besonderes Augenmerk gilt den jungen Genossen. Getreu der DKP-Leitlinie, derzufolge die Jugend „in vorderster Front gegen das Großkapital“ steht, verfolgt auch der MSB diese Linie und weist seine „Gruppenvorstände“ wegweisend an: „Besonderes Augenmerk muß ... auf die jungen, neu eingetretenen Genossen gerichtet werden.“ Frühzeitig werden sie zu wichtigen politischen Aufgaben herangezogen, z. B. der „Vorbereitung eines Bildungsabends“. Fortlaufend wird mit ihnen „auch privat … intensiv politisch diskutiert.“ Kurzum:

„Die persönliche Anleitung ... muß mehr und mehr zu einem festen Bestandteil der Leitungstätigkeit unserer Vorstände werden.“


10. Die Zeit nutzen

„Es muß Spaß machen, Spartakist zu sein!“ Klaus Görke, in „Rote Blätter“

Wer würde nach alledem noch zögern? Weiterhin auf die „attraktiven. Bildungsabende“ verzichten wollen? Auf die „persönliche Anleitung“ der Gruppenvorstände? Die zahlreichen „Erfolgserlebnisse?“ Ja „nicht nur Erfolge, sondern auch Mißerfolge … können der Anstoß zum Beitritt in den Spartakus sein.“ Der MSB weiß, daß die Zeit der Studenten knapp bemessen ist. Von Klausur zu Klausur hetzend, bei immer kürzer werdenden Studienzeiten, da heißt es einteilen. Aber: „Es liegt auf der Hand: im Spartakus mitzuarbeiten ist keine verlorene Zeit.“ Wer in den MSB eintreten will, muß Zeit haben, denn wie oft muß man „mehrmals gegen die Festung des Gegners anrennen.“ Deshalb braucht man auch „Zähigkeit und Ausdauer …, für den nächsten Anlauf.“

Unsere anfangs aufgeworfene Frage läßt sich nun beantworten: „ … obwohl unser Verband erst dreieinhalb Jahre existiert“, hat er es geschafft, „mit Entschlossenheit, Mut und Disziplin“ eine Form „marxistischer“ Politik zu entwickeln, die wirklich zeitgemäß ist: die Organisationsform verdankt sich modernsten gruppendynamischen Erkenntnissen, die Politik nach Außen, vor allem die „Mitgliederwerbung“, führt die besten Traditionen deutscher Studentenverbindungen fort. (Bier gibt's sicherlich auch in den Sektionen, obwohl nicht ausdrücklich erwähnt. Wohl eine Selbstverständlichkeit!) In Sachen Jugendbetreuung leistet der MSB einen großen Beitrag zum Fernhalten junger Studiosi von den Kneipen und Kaschemmen der Großstädte und zur sittlichen Formung trägt statt der konventionellen Semestergottesdienste der „obligatorische Kurs »Einführung in die Politik des MSB«“ bei. Von „Flensburg bis Konstanz gibt es Spartakisten, und alle ziehen an einem Strang“. Den Hals in der Schlinge haben die „ewig Gestrigen“, die dem MSB immer noch andichten wollen, das „M“ hätte was mit Marx zu tun, wo doch klar für jeden „fortschrittlichen Demokraten“ erkenntlich, daß der Spartakus der menschlichste Studentenbund der BRD ist.

 

aus: MSZ 3 – Februar 1975

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