Transzendentale Wissenschaftskreationen

Schöpferische Intelligenz und die harte Sprache des Elektroenzephalogramms – Maharishi Mahesh Lobo?


Maharishi Mahesh Yogis Marketing Strategen wissen, wo Not am Mann ist. Sechs Wochen nach Inkrafttreten des Bayerischen Hochschulgesetzes waren sie in Münchens Universitäten zur Stelle mit ihrem Symposium über die „Wissenschaft der Kreativen Intelligenz (WKI)“ um „Bildung und Erziehung auf eine neue Grundlage“ zu stellen. Und dieser bedarf es, mutet doch das BHG der Institution Hochschule schier überprofessorales zu mit der Anpassung des Lehrbetriebes an die neuen Erfordernisse, der inhaltlichen Neubestimmung der Studiengänge, gemäß der neuen Effektivität, der Belebung des Leistungsprinzips. WKI und ihr „praktischer Aspekt, die Transzendentale Meditation“ lösen alle diese Schwierigkeiten spielend, ohne weiteres Zutun:

„Neueste wissenschaftliche Untersuchungen der Universität von Hawaii bestätigen, daß sich bei Studenten, die mit der Transzendentalen Meditation begannen, der Zensurendurchschnitt deutlich verbessert und von Semester zu Semester weiter ansteigt. Das Studium fällt den befragten Studenten nach eigener Aussage leichter und wird befriedigender. Es kann bei gleichem Zeitaufwand mehr geleistet werden (= no problems mit der Regelstudienzeit). Interesse und Motivation sind stärker und beständiger. Berufsziele werden spontan genauer definiert. In zunehmendem Maße wird die Ausbildung wieder als sinnvoll, lohnend und erfolgreich empfunden.“

Eine nützliche Sache mithin für moderne Bildungspolitik? Hans Maiers Freund und Kollege Hahn aus dem westlichen Nachbarland scheint sich davon überzeugt zu haben.

„Seit dem Sommersemester 1973 ist die Wissenschaft der kreativen Intelligenz ein Bestandteil des Studium Generale der Universität Stuttgart. Dieser interdisziplinäre Kurs füllte eine Lücke im Universitätsprogramm und weckte seiner Aktualität und Praxisbezogenheit wegen lebendiges Interesse bei Studenten und Professoren.“

Die Uni Stuttgart weiß sich da in immer feinerer Gesellschaft:

„Ähnliche Bestrebungen sind mittlerweise auch an anderen deutschen Universitäten zu beobachten, nachdem unter anderem die größten und bekanntesten amerikanischen Universitäten (z. B. Harvard, Stanford, Yale, UCLA etc.) ihr Kursangebot im Fach »Wissenschaft der Kreativen Intelligenz« zu einem regulären Teil des Studiums gemacht haben.“


Lobos Zweifel

Wie also stellt sich ein Mann wie der Münchner Rektor Nikolaus („Lobo“) Lobkowicz, ein Mann, der mitten im täglichen aufreibenden Geschäft der Neuordnung von Universität und Studium steht, der als Manager dieser riesigen Ausbildungsfabrik um die gesellschaftliche Wichtigkeit ihres effizienten Funktionierens weiß, wie stellt er sich zu diesem zukunftsweisenden Ausweg aus der Misere von Bildung und Erziehung, von namhaften Vertretern aus dem akademischen Stande in Symposiumsform dargeboten: Er öffnet ihm die Uni und hält die Begrüßungsrede. Doch dabei geschieht etwas, angesichts einer so offensichtlich nützlichen Veranstaltung merkwürdiges: Rektor Lobkowicz gibt seine Verlegenheit zu erkennen. Zwar sieht er die Zeichen der Zeit, die sich hier ankündigen:

„Wir hatten es an den Universitäten bis vor kurzem mit einer beängstigenden und in ihren Konsequenzen bedrückenden Politisierung zu tun. Wir scheinen – und das Symposium ist dafür vielleicht ein Symbol – am Anfang einer Epoche zu stehen, in welcher eine neue Form der Innerlichkeit im Entstehen ist.“

Allein, weder solch tröstliche Perspektive noch die „Gelegenheit, vor einigen Monaten an einer ähnlichen Tagung in Cambridge teilzunehmen, an der Maharishi Yogi persönlich teilnahm“, hat ihm diese Verlegenheit zu nehmen vermocht. Die „Skepsis des Wissenschaftlers“, ist es, die ihn nicht losläßt. Skepsis gegenüber einer „Bewegung, wenn ich sie als solche bezeichnen darf“, an der er „Charaktere einer Heilsbewegung“ ausmacht, die es „schwer machen, als Wissenschaftler zu sagen, was dabei echt und was unecht ist.“ So möge denn auch seine Begrüßung „nicht als eine Bestätigung Ihrer Bewegung durch das Haupt der Universität“ verstanden werden.


TM und BHG

Dem Wissenschaftler Lobkowicz wollen wir unterstellen, daß er sich überlegt hat, was er sagt, daß er sich nicht davon beeinflussen ließ, daß der „Münchner Stadtanzeiger“ die Lehrveranstaltungen des Weltplancenter München der Maharishi International University (die schließlich in den USA als Universität staatlich anerkannt ist) unter „Gottesdienste und religiöse Veranstaltungen“ bringt. Hat er sich wirklich unvoreingenommen der Frage überlassen, ob denn die „Wissenschaft der Kreativen Intelligenz“ eine Wissenschaft ist oder nicht? Wir meinen, er hätte gut daran getan, gerade als Wissenschaftler, der sich im Ringen um ein besseres Verständnis unserer Lebensbedingungen dem Disput der Kollegen stellen sollte, seinem Nachredner seine Aufmerksamkeit zu gönnen. Dr. phil. Hans Vater, Leiter des Weltplancenters München, nahm sich des Problems, der Wissenschaftlichkeit der „Wissenschaft der Kreativen Intelligenz“ ohne Umschweife an. Als Wissenschaft zunächst sei sie wie, alle Wissenschaften „systematische Forschung, die sich der Erfahrung und des wiederholbaren Experiments als Mittel ihrer Beweisführung bedient, um sicheres und zugleich auch nützliches Wissen zu erlangen“. „Kreativ“ stehe einfach für eine ganz allgemeine Grundstruktur des Lebens überhaupt: Veränderung , Entwicklung; „Intelligenz“ für das, „was in einen Gedanken, eine Handlung, in eine Bewegung allgemein eine Richtung hineinbringt, eine Ordnung, Systematik, Zweckmäßigkeit.“ „Kreative Intelligenz“ mithin bezeichnet einen „Grundbereich aller Existenz“, das Prinzip der geordneten Veränderung. Werfen wir also einen kritischen Blick in die Realität: Gibt es das irgendwo, geordnete Veränderung? Rektor Lobkowicz, intensiv beschäftigt mit der Veränderung seiner Universität gemäß der neuen gesetzlichen Ordnung, gewohnt die Hausordnung durchzusetzen, entschlossen das Ordnungsrecht anzuwenden, wäre zweifellos der letzte, solches zu bestreiten.


Intelligenz ist meßbar

Ist somit allgemein anerkannt, daß es den Gegenstand der „Wissenschaft der Kreativen Intelligenz“ gibt, wollen wir noch einen Blick auf ihr wissenschaftliches Vorgehen werfen:

„Ausgangspunkt der Wissenschaft der Kreativen Intelligenz ist die Untersuchung des Wesens von Intelligenz. Zu diesem Zweck bedient sie sich einer Technik, der Transzendentalen Meditation. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Intelligenz in ihrer reinen, unmanifestierten Form zu lokalisieren und der direkten Erfahrung zugänglich zu machen. Exakter wissenschaftlicher Untersuchung ist es dann möglich, Gesetzmäßigkeiten aufzudecken, die die Verhaltensmuster kreativer Intelligenz beschreiben und zu einem befriedigenden theoretischen Verständnis führen. Jede theoretische Aussage der Wissenschaft der kreativen Intelligenz über die Natur kreativer Intelligenz kann durch wiederholbare, direkte Erfahrung mit Hilfe der Transzendentalen Meditation verifiziert, der Grad der Kreativität am Elektroenzephalogramm intersubjektiv sichtbar gemacht werden.“

Es zeigt sich, daß diese Wissenschaft Anforderungen an Wissenschaftlichkeit genügt, wie sie nicht einmal Sir Karl R. Popper strenger hätte formulieren können. Ja mehr noch, ein Blick in die Vorlesungen der 24 Fachbereiche der Maharishi International University, von Astronomie über Ökologie und Ökonomie bis zur Psychologie, Technologie und Vedischer Philosophie zeigt es, alle unsere Einzelwissenschaften sind letztlich Teil – ja Unterwissenschaften der Wissenschaft der Kreativen Intelligenz. Namhafte progressive Wissenschaftler aus der Bundesrepublik, es sei nur – einer für viele – Prof. Karl Steinbuch genannt, haben dies erkannt.

 


Zweifel an Lobo

Daß Rektor Lobkowicz nicht zu ihnen gehört, wundert uns nicht. Zeigt doch schon ein Blick in seine Veröffentlichungsliste, wie es um seine kreative Intelligenz bestellt ist. Gerade wissenschaftliche Korrektheit gebietet es nun freilich, auszusprechen, was seine offenkundig vorurteilsbehaftete Skepsis nur an den Tag brachte: Daß Lobkowicz – und er steht hier nur exemplarisch für die meisten seiner Kollegen in diesem Lande – sich rechtens Wissenschaftler nicht nennen darf. Die Daten und Kurven des Elektroenzephalogramms sagen es in der harten, unerbittlichen Sprache empirischer Wissenschaft, wo geordnetes Denken vorliegt und wo nicht.

„I'm standing at the end of the line …“ (Lobo)

Wer ist Brigitte Sonnemann? oder Auch Kultusminister Maier hat ein Privatleben!

Der Novemberausgabe des „Hochschulmagazins“ (der grünen Beilage zu zahlreichen Universitätszeitungen) entnehmen wir auf Seite 13 unter dem wegweisenden Titel „Auf dem Wege zur Studienreform“, daß der bayerische Kultusminister Hans Maier „16 Persönlichkeiten in die Allgemeine Studienreformkommission berufen“ hat. Diese soll „Empfehlungen zu einer Allgemeinen Studienordnung und einer Allgemeinen Hochschulprüfung erarbeiten. Zu diesen 16 Persönlichkeiten zählt auch ein Studentin: „Brigitte Sonnemann, stud. phil.“ Sie wurde von der „Universität München . .. berufen.“ Trotz angestrengter Nachforschungen des MSZ-Kollektivs konnten wir die Kommilitonin Sonnemann weder in den Karteien der Studentenvertreter, noch in denen der Studentenorganisationen ermitteln. Brigitte Sonnemanns Berufung muß also ganz der persönlichen Auswahl des Herrn Kultusminister aufgefallen sein. Kommilitonen, die hier auf den Gedanken verfallen, es sei doch merkwürdig, daß hier eine Unbekannte, durch nichts ausgewiesene Kommilitonin für die Studenten in dieser Kommission sitze, und dies beanstanden, muß eindringlich vorgehalten werden, daß auch ein Kultusminister ein Recht auf ein Privatleben hat.

 

aus: MSZ 2 – Dezember 1974

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