Neues von der Sumpfaustrocknungsfront


Wenn der Generalsekretär der CDU lauthals die Einrichtung von Anti-Marxismus-Lehrstühlen fordert, obwohl es an den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakultäten deutscher Universitäten gar keine anderen gibt, dann sicherlich nicht deswegen, weil er zu schnell oder nur schlampig studiert hat, so daß ihm dies entgangen wäre. Daß die „kritische“ Beschäftigung mit Marx auch dann zu den eintönigen Pflichtübungen von Hochschullehrern gehört, wenn sie sich nicht mit Marx beschäftigen, dürfte ihm gerade dann nicht entgangen sein: die Essenzen der Marxwiderlegerei werden noch allemal im Examen verlangt.

Einem Geißler jedoch genügt nicht der alltägliche Kampf gegen den Mann des 19. Jahrhunderts, er nutzt die Gunst der von ein paar Geiselnehmern bescherten Stunde und geht in die Offensive, um seinen Wunsch, marxistische Theorie an den Universitäten nur noch von ihren sicheren Gegnern ertönen zu lassen, in die Tat umzusetzen. Ihm ist es ein Dorn im Auge, daß aus unberufenem Munde die wenig staatstragenden Gedanken überhaupt noch ausgesprochen werden dürfen. Mit seinem Auftritt vor Bremer Studenten, die sich diese seine Parolen partout nicht anhören wollten, inszenierte er eine Demonstration der Notwendigkeit solcher Forderungen: Vom verantwortlichen Bremer Uni-Präsidenten wurde von allen Seiten entrüstet verlangt, er hätte die uniformierte Polizei nicht bloß bereitstellen lassen, sondern auch gegen die Studenten einsetzen lassen sollen.


Genüßliche Klarstellungen einer Magnifizenz

Mit der Forderung, Kommunisten die Türen zuzusperren, rennt man in Bayerns Ministerien und Hochschulpräsidialämtern offene ein. KuMi Maier ist das Vorgehen seiner Uni-Präsidenten, die überall dort, wo von Kommunisten Argumente geäußert werden, bisher nicht immer – „die Hochschulleitung (griff) nur in denjenigen Fällen ein, die ihr besonders gravierend erschienen“ (umbits, Zeitung der Universität München): nämlich jedes Semester mindestens einmal – die uniformierten Bullen, sondern lieber auffällig unauffällige Kriminalbeamte schickte, schon lange zu lasch gewesen. Während der Maier Hans schon immer fürs umstandslose Zuschlagen war, weil er's für effektiver und billiger hielt und fürstliche Schnörkel bei den Wählern seiner Partei eh nicht gefragt sind, polierte ein Fürst mit der Lüge von der „weichen Linie“ nicht nur sein Image als taktisch geschickter Hochschulmanager, sondern er hat damit auch Vorsorge getroffen, daß die Anforderung der grünen Bullen zusammen mit den Recherchen der grauen sich für die Staatsanwaltschaft erst so richtig lohnt:

„Meine Listen sind inzwischen recht komplett.“

Außerdem war das Wirken der letzteren ohne den Einsatz der ersteren nicht immer vom erhofften Erfolg gekrönt, weil bei

„Gerichtsverhandlungen geltend gemacht (wurde), es habe das subjektive Unrechtsbewußtsein gefehlt, weil einmal eingegriffen wurde, das andere Mal nicht“ (umbits 6-2),

weswegen er jetzt vorsorglich jeden Teach-in-Besucher kriminalisiert.

Indem er ihnen freundlich empfiehlt, sich keiner Veranstaltung mehr unbedacht zu nähern, von der sie nicht ausdrücklich wissen, daß sie genehmigt, am besten gleich belegt ist –

„Jeder Teilnehmer an einer Veranstaltung rechts oder linksradikaler  Organisationen  im Hochschulbereich sollte sich deswegen im eigenen Interesse vergewissern, daß die Veranstaltung genehmigt ist ... wer im Hochschulbereich an einer nicht von der Universität selbst durchgeführten Veranstaltung teilnimmt, die nicht genehmigt wurde, geht das Risiko ein, wegen Hausfriedensbruch belangt zu werden.“ (umbits)

und den Veranstaltern selbst aus dem ordnungspolitischen Rezeptbuch seiner adligen Vorfahren ankündigt, er werde ihnen, den „dummen, fetten, näselnden Ferkeln und Päpsten … genüßlich die Haut abziehen“ (umbits-extra), dann entlarvt sich der Präsident weder, noch wird er seiner bisherigen Konzeption untreu: mit seinem politologischen Riecher hat er schnell spitz gekriegt, daß in diesen Zeiten der Nährboden und Sumpffledderei der taktisch geschickte Umgang mit Staatsgegnern nicht mehr reicht, um gut dazustehen:

Er möchte sich und seine Universität nicht der Gefahr ausliefern,

„ungerechtfertigt in den Verdacht zu geraten, mit verfassungsfeindlichen Organisationen zu sympathisieren.“ (umbits)

Zum öffentlichkeitswirksamen „demokratischen Dialog“ mit Studenten gehört heute auf der anderen Seite der aktive Einsatz eines Präsidenten, der sein Ansehen mehrt, indem er „heiße Sommer“ nicht nur wie früher bloß inszeniert, sondern sich auch noch seiner Urheberschaft rühmt:

„Ich bin mir im klaren darüber, daß diese Entscheidung zu einem »heißen Sommer« an unserer Hochschule führen kann.“ (MM, 22.3. 1978)


Was dem einen sein Sinn, ist dem andern sein Widersinn

Wo das Raumverbot seit Jahren – ob Sommer oder Winter, ob heiß oder kalt – zum universitären Alltag gehört, wo Lobkowicz das Prinzip der im Grundgesetz vom Staat gewährten Freiheiten offen ausspricht, daß nämlich

„die Versammlungsfreiheit nicht das Recht beinhaltet, sich zu einem beliebigen (!) Zeitpunkt an einem beliebigen (!) Ort zu versammeln“ (umbits),

der jeweilige Hausherr also so frei ist, die Freiheit dem einen zu gewähren, dem anderen nicht, jammern von dieser Freiheit „Betroffene“ –

„Wer und zu welchem Thema auftreten darf, bestimmt Fürst Lobkowicz, der Präsident. Widersinnig (!), denn bei seiner Wahl (!) hatte die Mehrheit der Universität, die Studenten nichts zu sagen, und trotzdem (!) verfügt er über das uneingeschränkte Hausrecht.“ (M. Held, MSB, in: Neues München 1978/2) – Für Raumverbote durch drittelparitätisch gewählte Präsidenten!

und verbreiten die Lüge, daß die Versammlungsfreiheit eingeschränkt ist, als ob in Zukunft auch der RCDS nicht mehr reden dürfte. Was die vom MSB gegen Lobo bemühte „Mehrheit an der Universität, die Studenten“ betrifft, so hält sie es mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit wie Joachim Schmolcke (SPD-MdL): sie gebraucht ihr Recht, das ihr auch niemand bestreitet, solange sie sich an den 2. und 3. Absatz des 5. Grundgesetzartikels hält. Und für einen Schmolcke ist es wurscht, ob er mit dem OB-Kandidaten der DKP vor linken Studenten in der Uni reden darf oder nicht: daß sein Herz links schlägt kann er den studentischen Wählern demonstrieren, indem er „gegen diese Maßnahmen des Präsidenten empört protestiert“, die in einem SPD-regierten (Bundes)Land undenkbar wäre.

Zumindest in Bayern ist man fest entschlossen, Kommunisten an den Universitäten gewaltsam und ausnahmslos, das Wort zu entziehen, und die Zuhörer das Zuhören teuer bezahlen zu lassen.

 

aus: MSZ 22 – April 1978

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