§ 88a Strafgesetzbuch:

Staatsschutz – Verbrechensbekämpfung im Vorfeld


Am 16. Januar 1976 wurden im deutschen Bundestag Gesetze in letzter Lesung behandelt und verabschiedet – mittlerweile haben sie auch den Bundestag passiert –, die die Befürwortung von und die Anleitung zu Straftaten, die „die Allgemeinheit besonders beunruhigen“, unter Strafe stellen. Erklärtes Ziel der Gesetzesinitiative war es, einen Straftatbestand zu schaffen, der die „Bekämpfung von Gewalt bereits im Vorfeld“ (Bayernkurier vom 13. 7. 1974) ermöglicht. In der Begründung des Entwurfs eines 13. Strafrechtsänderungsgesetzes liest sich das so:

„Der Forderung, die Propagierung der Gewalt mit strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden, liegt die Auffassung zugrunde, daß ein Teil der in den letzten Jahren festgestellten, überwiegend vorgeblich politisch motivierten Gewalt- und Terrorakte mit (!) auf Äußerungen zurückgeführt werden könne, welche die Anwendung von Gewalt als Mittel zur Lösung von politischen, sozialen und individuellen Konflikten propagieren. Eine Vorbereitung solcher Äußerungen könne die Bereitschaft gerade von jungen (!) Menschen fördern, die Gewaltanwendung als zulässiges politisches Mittel zu betrachten . . . Sicher kann (!) die Propagierung der Gewalt die Bereitschaft zur Verübung von Gewalt und Terrorakten fördern. Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung von Druckschriften, die mit präzisen Anleitungen für Gewalt- und Terrorakte den Boden für solche Taten bereiten können.“ (Bundestags-Drucksache 7/3030)

Mit der Trennung derjenigen, die zu bestimmten Straftaten auffordern von den Tätern, denen sie bereits etliche Vergehen vorwerfen, kommt es den Bundestagsabgeordneten hier nicht darauf an, daß die Täter, die sie gefaßt haben, das Opfer einer Verführung seien (wie es sich hier auch nicht um Gesetze zum Schutze der Jugend handelt), noch wollen sie den Terroristen die erfolgreiche Aufstachelung der Bevölkerung bescheinigen, die sie gesondert bestrafen wollten. Diese Konsequenz ergibt sich aus der Auffassung, die sich zueigen gemacht haben, daß der Terrorist eine „Szene“ hat; die mit ihm sympathisiert und deswegen nicht unschuldig ist und gegen die vorzugehen man bislang nicht die rechte Handhabe hatte. Zu den entschiedenen Sprüchen „kann-mit-auf-Äußerungen-zurückgeführt-werden „und „nicht-zu-unterschätzen-ist-auch“, die die Kausalbeziehung zwischen Schrifttum und Straftaten herstellen, hat neben der CSU, die immer schon wußte, was von einer roten Gesinnung zu halten sei, die Öffentlichkeit beigetragen, die sich um die Aufdeckung der Wurzeln des Terrorismus verdient gemacht hat.

So entdeckte H. Heigert in einem Artikel „Wo die Gewalt fasziniert“ die beiden Grundübel, von denen insbesondere Intellektuelle betroffen sind, wodurch sich dann der Übergang zum Sympathisanten zwanglos ergibt. Das eine Übel ist die Dogmatisierung des politischen Denkens, das so die „Qualität einer nicht mehr diskutierbaren Wahrheit“ bekommt und Toleranz als „Bürgerliche Tugend denunziert“; das andere „die Sprache der antidemokratischen Linkens die für solche „jungen (!) Menschen, die sich vor lauter Ungereimtheiten, Halbheiten und Unlösbarkeiten umstellt sehen“, (die man daher davor bewahren muß, Böses zu tun) „ungemein verführerisch“ ist, weil sie 1. vulgär ist, sich 2. der Diktion des öffentlichen Anklägers bedient und 3. zum Handeln auffordern will und daher (!) hochemotional ist.

„Die Zahl der Gewalttäter wird zwar immer gering sein, aber die Faszination (!) der Gewalt, die aus der Umwertung der Begriffe kommt, ist noch groß. Sie beherrscht die Szene der Sympathisanten. Es wird eine immerwährende Aufgabe der Intellektuellen bleiben, ihre eigene Verführbarkeit in jedem Augenblick mit zu bedenken. Dieter Lattmann, Schriftsteller und Sozialdemokrat im Bundestag, sagte neulich, es gehe um die Einsicht begangener Fehler: »Uralte Erfahrungen werden gegenwärtig neu gemacht, wie diese: Intelligenz, losgelöst von Moral und von der Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit, vermag vernichtend zu wirken.« Lattmann weiß, wovon er spricht, wenn er schließlich auch sagte: »Hinter manchen Wohnungstüren, hinter denen sehr differenziert urteilende Zeitgenossen leben, war man eine zeitlang keineswegs hellsichtig gegenüber den Verheerungsmöglichkeiten des politischen Extremismus.«“ (SZ 5. 6.4.1975)

Der Gedanke, der nicht an der Schranke der öffentlichen Moral seine Gültigkeit bemißt und sich je nach Sachlage ändert, der auch nicht auf die Beeinflussung der Öffentlichkeit verzichten will, genügt als Indiz, daß es sich um einen potentiellen Staatsfeind handelt; und da er gegen die in der Öffentlichkeit geübte Tugend der Toleranz seine Auffassung aufrechterhält, wird er es sicher auch gegenüber der Instanz an Duldsamkeit fehlen lassen, die praktisch festlegt, was erlaubt ist. Wer so die Meinungsfreiheit (miß-)versteht, zerstört sie, und der Staat als Garant der Meinungsfreiheit geht gegen ihn vor mit dem Argument des Strafgesetzbuchs. Um diesen Täterkreis, dessen Steckbrief die journalistischen Helfer der Justiz dienstbeflissen veröffentlicht haben, dingfest zu machen, kriminalisiert der Gesetzgeber die Loslösung der Intelligenz von der öffentlichen Moral als Vorbereitung illegitimer Gewalt und präzisiert die einschlägigen Bestimmungen, über die die Rechtssprechung bereits verfügt und die sie anwendet wie Volksverhetzung, Verbreitung von Schrifttum verbotener Parteien, Verunglimpfung der BRD u.v.a.m.

„Die »Befürwortung« noch nicht begangener (!) Gewalttaten oder die »Anleitung« zu Gewalttaten ist – abgesehen von den weitergehenden Vorschriften des Waffengesetzes – nur unter den engen (!) Voraussetzungen der §§ 26, 30 oder § 111 StGB strafbar; diese Tatbestände sind häufig deshalb nicht erfüllt, weil die Propagierung der Gewalt so formuliert ist, als handele es sich um eine theoretische Abhandlung über den Verlauf von Revolutionen und der dabei anzuwendenden Methoden.“ (BT-Dr.7 3030)

SPD-Mitglied Müller-Emmert führt vor dem Bundestag weiter aus, warum die bestehenden Gesetze zu eng gefaßt sind, da die aufgeführten Straftatbestände Anstiftung (§ 26), Versuch der Beteiligung (§30) und öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111) die begangene Tat, den feststellbaren Ansatz zu einer Straftat oder die Aufforderung zu einer bestimmten Straftat voraussetzen, wobei im letzten Fall der Erfolg bei der Berechnung des Strafmaßes eigens in Rechnung gestellt wird.

„Hier können wir die Augen nicht davor verschließen, daß sich die Formen, in denen solche Befürwortungen und Anleitungen erfolgen, in den letzten Jahren vermehrt und auch wesentlich verfeinert haben. Wir alle kennen die Druckschriften, die unter dem Namen »Kochbücher« bekannt geworden sind und genaue Anleitungen für Gewalt- und Terrorakte sowie Bombenattentate enthalten. Daneben gibt es aber auch zahlreiche theoretische Abhandlungen, in denen zwar vom äußeren Inhalt her gesehen, nur über den Verlauf von Revolutionen in der Vergangenheit und die dabei angewandten Methoden berichtet, unterschwellig jedoch dafür geworben wird, mit vergleichbaren Methoden auch bei uns Revolutionen durchzuführen. Den maßgebenden Leuten unter den Terroristen fehlt es in der Regel nicht an intellektuellen Fähigkeiten. Sie waren und sind daher in der Lage, sich bei der Propagierung von Gewalt komplizierter und ausgeklügelter psychologischer Mechanismen zu bedienen. Ein bestimmter Prozentsatz der in den letzten Jahren bei uns verübten Terror- und Gewalttaten ist sicherlich auch mit auf solche offenkundigen und verdeckten Propagierungen von Gewaltanwendungen zur Änderung der politischen Verhältnisse in unserem Lande, die klar eine zu Straftaten anheizende Tendenz erkennen lassen, zurückzuführen.“ (Das Parlament 31.1.1976)

Der bemerkenswerte Übergang von lauter Unbestimmtheiten zu einem deutlichen „klar“, die entschieden vorgetragene Überzeugung, daß es diese Verführungstäter gibt, wird mit der Chimäre eines ,,äußeren Inhalts“ und dem Kompliment an die Intelligenz (!) des Gegners und der ihm deswegen zur Verfügung stehenden psychologischen Tricks (um die man ihn beneidet) belegt. Die Befürchtung, daß dem von ihm verteidigten Staat nicht immer selbstverständliche und bedingungslose Anerkennung gezollt wird, wendet der demokratische Staatsmann gegen den „mündigen Bürger“: er entdeckt dessen Verführbarkeit, weil er ein Unterbewußtsein hat. Diese Entdeckung des Unterbewußtseins bezeugt dabei lediglich den Willen, die Intelligenz an die Kandare zu nehmen: sie hat dafür zu sorgen, daß der mündige Bürger auch mündig bleibt.

So haben sich die Bundestagsabgeordneten für die Aburteilung der intellektuellen Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen. Sie wollen gegen „politisch motivierte Straftaten“ eher einschreiten und haben dazu das „gesetzliche Instrumentarium verfeinert“. Nicht länger will man zornig mitansehen müssen, wie Rädelsführer sich hinter unschuldigen Zuschauern verstecken und die Meinungsfreiheit arglistig für sich ausnützen. So wird die ärgerliche Beweisnot für die CDU zum Argument.

„Überall ... entzogen sich Rädelsführer und Gewalttäter ihrer strafrechtlichen Verantwortung, weil sie von den Schaulustigen nicht zu trennen waren, weil sie die inaktive Masse schützte oder abdeckte, weil sie sich unter die Sympathisanten mischten oder unwiderlegbar behaupteten, zufällig in die Menge geraten zu sein.“ (Spranger)


Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft

Aufgrund der ursprünglichen Allgemeinheit, in der die Befürwortung von Gewalt im Gesetzentwurf gefaßt war, und den daraus entstandenen Befürchtungen, schritt der Rechtsausschuß des Bundestages, in dem die SPD/FDP die Mehrheit hat, zu einer Neuformulierung, die mehr auf die Wirkung der Befürwortung von Gewaltanwendung abzielte:

,,Zur Verhinderung von Eingriffen in diesen von der Verfassung besonders geschützten Bereich, sei es auch nur durch staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren, hat sich die Mehrheit der Ausschußmitglieder in Abweichung vom Regierungsentwurf veranlaßt gesehen, die Strafbarkeit der Befürwortung von Gewalttaten (durch Einführung eines § 88a in das Strafgesetzbuch) auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen die Befürwortung bestimmt und geeignet ist, die Bereitschaft anderer zu fördern, sich durch Begehung solcher Taten für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einzusetzen.“ (BT-Dr. 7 4549)

Wenn der deutsche Richterbund, der gemeint hatte, daß die alte Fassung des Tatbestandes als Gesinnungsstrafrecht hätte mißverstanden (!) werden können, sich nun erfreut über die Korrektur äußerte, so weiß man gleich, daß damit das Gesetz keineswegs abgemildert wurde, sondern nur mögliche Verwirrung beseitigt:

Da man die Schwere der Gewaltbefürwortung absolut nicht an der mehr oder minder gestiegenen „Bereitschaft anderer“ messen kann, ist man wieder auf die Äußerung zurückverwiesen. Die Qualifikation dieser Äußerung als straftatverdächtig ist folglich völlig abhängig von der Person, die diese Äußerung tut, und den Umständen, unter denen sie getan wird – würden doch sonst Kriminalschriftsteller, Fernsehautoren, Künstler, Wissenschaftler und Journalisten reihenweise ins Gefängnis wandern müssen. Der Staat macht also auf diese Weise klar, daß er die von ihm nicht zufällig geschützte Meinungsfreiheit nicht dadurch gefährden will, daß er die anerkannten Meinungsträger verunsichert und erzürnt – von ihnen weiß man ja, daß ihre Äußerungen keineswegs als Aufforderung zum staatsfeindlichen Handeln gemeint sind, sondern er sagt für jedermann verständlich, daß man doch vorab weiß, wessen Äußerungen über Gewalt zur Förderung der „Bereitschaft“ geeignet sind. Nur daß nun endlich die Möglichkeit besteht, früher und frei vom Geruch der Willkür, mit dem nötigen Ermessensspielraum, also rechtmäßig, zuzuschlagen.

Drum können die Richter auch ein Lob aussprechen, und die CDU/CSU weist die SPD/FDP zurecht auf ihre überflüssige, von ihr selbst implizit eingestandene Pingeligkeit hin: ob etwas als Kunst zu gelten habe, wird man dann schon sehen:

„Wie sieht es denn mit dem Büchlein aus, das sich mit der Frage beschäftigt, wie Gewalt entstehen und wohin sei führen kann und unter dem Titel „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ erscheinen ist?“ (Schoeler, FDP)
(Spranger, CDU/CSU:) „Ist das Kunst? Wenn es Kunst ist, fällt es unter Artikel 5 Absatz 3 GG!“ – Vogel, Enepetal, CDU/CSU: „Haben Sie schon etwas vom Kunstprivileg gehört?“

Den letzten Zweifel daran, was die Freiheit der Gedanken ist, nimmt eine Diskussion mit dem SPD-Abgeordneten Lattmann, – jener Lattmann, der weiß, wovon er spricht, der höhere ethische Bedenken anmeldet, sie sich aber angesichts der praktischen Parteinotwendigkeiten selbst ausräumt.

„Jeder, der dem überkommenen Zustand unserer Republik nicht huldigt und die Unverrückbarkeit der Gegebenheiten nicht als verfassungsbedingt erachtet, setzt sich der Bedrohung aus, von den Verfechtern dieser Tendenz als „verfassungsfeindlich“ denunziert zu werden. (Beifall der SPD)
Der Staat, in dem wir leben, ist noch lange nicht die Demokratie, die das Grundgesetz fordert.'' (Beifall bei der SPD)

Der SPD kommt der Diskussionsbeitrag, der von der Entscheidung, die ihre Abgeordneten gleich treffen werden, noch einmal feststellt, daß es sie weiterhin samt rotem Jochen und Heidi Zeul geben wird, gerade recht. Auch Lattmann hat gespannt, warum es nicht geht und fordert deshalb, was ohnehin gesichert ist:

„Es muß möglich sein und bleiben, daß Künstler und Autoren vom Standpunkt einer radikalen Moral (!) aus die Gegenwartspolitik kritisieren, wie Pasternak, Solchenizyn und Sacharow das in der Sowjetunion getan haben oder Pablo Neruda in Chile, Theodorakis im Griechenland der Junta, Wolf Biermann in der DDR, Heinrich Böll und andere in der gänzlich anders gearteten Bundesrepublik.“ (Parlament)

Nachdem Lattmann es fertig gebracht hat, die Forderung nach Verbesserungen in die Möglichkeit der Kritik zurückzunehmen, die man üben dürfen muß, wäre die nachfolgende Zurechtweisung durch seinen Parteigenossen Hans Vogel eigentlich überflüssig. Dem Bundesjustizminister gebührt es jedoch, den Staatszweck mit der für dieses Amt notwendigen Selbstverständlichkeit in den Vordergrund zu rücken. Den ewigen „Konflikt zwischen Macht und Geist“ entscheidet er dabei für sich:

„Der Geist kann sich mit aller und ihm zustehenden Einseitigkeit bis hin zur wirklichkeitsfernsten Utopie nur entfalten, wenn ihm die Macht, die im demokratischen Rechtsstaat gebändigte, an Grundwerte gebundene und vom Geist immer wieder in Frage gestellte Macht, einen Freiraum sichert.“

Die Begeisterung für die Macht, die in der ihr eigenen Weise das Prinzip der Diskussion um die Befürwortung der Gewalt, das Gewaltmonopol des Staates zur Anschauung bringt, formuliert auf der anderen Seite ihre Forderung an den Geist:

„Die Gewaltlosigkeit im politischen Kampf ist ein wesentliches Element des demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaates. Wer auch nur verbal an dieser Grundübereinkunft unserer Gemeinschaft rüttelt, stellt einen der größten Fortschritte unserer Kultur in Frage und will uns auf das Niveau des politischen Faustrechts zurückwerfen.“

Der Staatsmann stellt zunächst klar, daß die Meinungsfreiheit ein vom Staat garantiertes Recht ist und was sie als solches zu sein hat: mit ihr dürfen die unterschiedlichsten Möglichkeiten staatlichen Handelns diskutiert werden und selbst die „wirklichkeitsfernsten“ sind erwünscht, weil gerade sie in der pluralistischen Diskussion um das Gemeinwohl nützliche Denkanstöße sein können. Zugleich stellt die Forderung nach „Gewaltlosigkeit im politischen Kampf“ sicher, daß der Staat seinen Zweck ungehindert durchsetzen kann, auch mit „aller ihm zustehenden Einseitigkeit“, weil er seine Gewalt nicht nur aus der den Bürgern abverlangten Gewaltlosigkeit ausnimmt, sondern sogar noch als Monopol institutionalisiert. Leute, die weder Utopien nachhängen, die Kritik der Wirklichkeit so wirklichkeitsnah begreifen, daß sie sie praktisch werden lassen könnten, fallen folglich aus der Meinungsfreiheit heraus und als „sozialschädliche“ und „gemeinschaftsgefährliche“ Barbaren der Staatsgewalt anheim: Die Einführung der neuen Paragraphen läßt jedenfalls keinen Zweifel daran, ob es erlaubt ist, zur Beseitigung des Staats aufzurufen.
Da die Meinungsfreiheit noch nie etwas anderes war, kann sie auch verbessert werden.

„Es ist gesagt worden, der Zustand der Demokratie könne nicht durch die Verschärfung des Strafrechts verbessert werden. Ich glaube, das ist in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Natürlich müssen wir, wenn auch als Ultima ratio, neue Strafvorschriften einführen und bestehende verschärfen, wenn neue Herausforderungen das notwendig machen ...
Warum, meine Damen und Herren, soll dies gegenüber neuen Formen terroristischer Aktivitäten nicht gelten? Übrigens: die neuen Normen sollen und wollen ja nicht den Staat als Abstraktion schützen. Schutzobjekte sind doch im Grund das Leben, die Gesundheit, die Freiheit der einzelnen Rechtsgenossen. Sie geraten in Gefahr, wenn der Staat in seiner Schutzfunktion und in seinem ii Gewaltmonopol beeinträchtigt wird.“ (Vogel)

Mit der Abgeklärtheit eines Amtsträgers, der weiß, worauf es ankommt, beschwört der Minister das Prinzip des Rechts, das durch die geänderten Umstände in Gefahr gerät und wendet die Beschränkung, die er durchsetzen will, zum Nutzen der Bürger, den er ihnen konkret garantieren will. Die Gemeinsamkeit aller „Genossen“ des Rechts besteht dabei in der Einsicht in die Notwendigkeit der Gewalt, die ihnen zu ihrem Nutzen verhilft, zumal sie als ehrenwerte Bürger von der Verschärfung des Strafrechts nicht betroffen sind. In der Gewißheit der Übereinstimmung mit den Bürgern, die auch die Lüge belegt, daß der Staat nichts anderes als seine Bürger sei, kann der Gesetzgeber alle Schwierigkeiten der Wahrheitsfindung an die Rechtssprechung weitergeben und in seinem Gesetzentwurf lapidar feststellen:

„Durch diese Einfügungen und Ergänzungen werden Lücken im geltenden Recht, die sich in der Praxis gezeigt haben, geschlossen.“ (BR-Dr.7 4549)


Die Verhältnismäßigkeit der Mittel

Die allzu offensichtliche Parteinahme für den Staatszweck in der Diskussion über Meinungsfreiheit ruft bei einer bestimmten Sorte von Journalisten eine gewisse Sorge hervor, sodaß sie nichts eiligeres zu tun haben, als zu beweisen, daß es kritische Stimmen und damit Meinungsfreiheit noch gibt. Die gemeinsamen Befürchtungen der Zeitungen gehen dahin, daß der kurze Prozeß, den der Staat mit seinen Gegnern zu machen gedenkt, manch kritischen Bürger vor den Kopf stoßen könnte.

„In Bonn wird seit einiger Zeit nur noch spontan gehandelt. Nach jeder spektakulären Aktion von Terroristen kreißt der Berg und produziert für die einschlägigen Kapitel des Strafgesetzbuches Ergänzungen oder neue Tatbestände. Aber nur in den wenigsten Fällen ist es bisher gelungen, überzeugend darzutun, daß dies auch notwendig ist.“ (Frankfurter Rundschau 17.1.1976)

Der Autor bemängelt, daß die Abgeordneten sich zu wenig Begründungen ausgedacht haben und durch ihr reaktionäres Handeln der Souveränität des Rechts geschadet hätten, das eher Besonnenheit zur Schau stellen sollte denn flinke Reaktionen. Er plädiert dafür, den strafrechtlichen Komplex „ruhig, distanziert und verfassungskonform“ zu überdenken, um keine Zweifel an der Seriosität des parlamentarischen Verfahrens aufkommen zu lassen, und Änderungen nicht so „flüchtig“ (Süddeutsche Zeitung) vorzunehmen. Nicht alle Maßnahmen, die der Gesetzgeber ergreift, schaffen dabei ,,mehr innere Sicherheit“ So ist der §88a

,,ein Musterbeispiel einer Vorschrift, von der am Ende nur noch Auslegungsschwierigkeiten und -Unsicherheiten übrigbleiben.“ (SZ)

Man vermißt am neuen Gesetz die Präzision, die man vom Recht eigentlich erwartet: Der Zweifel, ob die Strafrechtsänderungen tatsächlich auch überlegt vorgenommen wurden, der ihn angesichts des Mechanismus befällt, mit dem auf Terroraktionen reagiert wird, trägt dabei nur seiner Furcht Rechnung, daß vorschnell gehandelt wurde und damit unbeabsichtigte Wirkungen erzielt wurden; oder wie der Journalist es geheimnisvoll ausdrückt, daß die Perfektionierung des Rechts zu gewissen Unsicherheiten bezüglich desselben führt. Gibt solche Kritik zu erkennen, daß sie die Intention der neuen §§ teilt, so gilt ihre Sorge nur der Frage, ob sie tatsächlich zu einer effektiveren Bekämpfung der Terroristen taugen, ob man durch ein hartes Reagieren des Rechtsstaates den Anarchisten nicht in die Arme arbeitet und eine Situation in der BRD schaffe, in der der Terrorismus gedeiht.

Die Verschärfung der Strafgesetze, ebenso wie die Berufsverbote, würden aber auch ein Klima der Einschüchterung schaffen, in dem insbesondere junge Menschen zu Duckmäusern degeneriert werden, was inzwischen auch Herr Kohl beobachtet haben will. Das liberale Gebaren ist der Zweifel, ob die Ruhe, die man dem Bürger aufzwingt, nicht seinen Aktivitäten als Staatsbürger zuwiderläuft, die man von ihm immer noch verlangt. Die wehrhafte Demokratie, deren Existenz die CSU in einem mit allen rechtlichen Möglichkeiten ausgerüsteten Staat gewährleistet sieht, möchte der Liberale lieber in den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern am Wirken sehen. Es hängt also vom Wohlverhalten der Beteiligten ab, das man schließlich von ihnen erwarten kann, gleichzeitig hat man sich damit eine Entschuldigung gebastelt, weil man auf die Terroristen ja nur reagiert hat.

„Die Frage ist, ob unsere Gesellschaft genug engagierte Demokraten hat, die den Terrorismus in unserem Land als eine ernsthafte Frage an sich selbst begreifen und durch ihre Praxis diese Überzeugungsarbeit leisten.“ (R. Wassermann: Sicherung der Aushöhlung des Rechtsstaates? Beilage zum „Parlament“ 17.3.1976)

Die beständige Betonung der Notwendigkeit solcher „Reaktionen“ könnte nur aber dem Staat als Schwäche ausgelegt werden, als Zeichen einer mangelnden Loyalität seiner Bürger.

„Warum hat Herr Spranger in seinem Debattenbeitrag eigentlich kein einziges Mal darauf hingewiesen, daß unsere demokratische Ordnung, unser Rechtsstaat stark ist, weil er sich auf das Vertrauen der Bürger stützen kann? Warum versuchen sie denn immer, unseren Staat als schwächlich oder schwach darzustellen? Wem nützen sie damit? Wir gehen von der Überzeugung aus, daß die Stärke des Rechtsstaates nicht an der Zahl seiner Verbote, sondern nur an dem Maß des Vertrauens zu messen ist, das die Bürger ihm entgegenbringen.“ (Schoeler, FDP)

Der FDP-Abgeordnete bringt das Geheimnis dieser Abhängigkeit vom Vertrauen der Bürger zum Ausdruck, wenn er – neben der Regierung, an der er beteiligt ist und die mit Hauswurfsendungen und „Mitmach-Coupon“ (1. Preis: eine Stunde mit Minister Werner Meihofer – Weia! MSZ) die Schlagkräftigkeit ihrer Polizei anpreist – für die Erweiterung der rechtlichen Handhabe des Staates stimmt. Er nimmt auf den Bürger als Wähler Rücksicht und offenbart durch Zeitpunkt, Inhalt und Form der Debatte, daß sie noch einem anderen Kalkül als der Notwendigkeiten zur Bekämpfung des Terrorismus gehorcht.

„Wieweit freilich der gute Wille reicht, wird sich zeigen, wenn eine neue Geiselnahme oder ein neuer Bombenanschlag neue Emotionen auslöst. Dann, so befürchtet Justizminister Vogel, könnten auf allen Seiten wieder die Sicherungen durchbrennen.“

„Die Bonner Opposition hat für den Ernstfall schon vorgesorgt: im Bundestag und im Bundesrat stapeln sich die Gesetzesinitiativen der CDU CSU-Taktiker zum Thema innere Sicherheit. Mitten im Wahlkampf herausgezogen, meinen ihre Verfasser, könnten sie beim verschreckten Bürger schönen Effekt machen.“ (Der Spiegel Nr. 11 1976)

Die unangenehme Pflicht, gegen Ideale handeln zu müssen, die Reformer und Liberale sonst gerne vorweisen, ergänzt sich durch die Kritik an den Terroristen, die den Konservativen in die Hände arbeiten und Verhältnissen den Weg ebnen würden, die man gerne überwunden wissen möchte. In dieser Kritik läßt sich leicht ein Zustand der BRD an die Wand malen, von dem man selbst der Überzeugung ist, daß er nicht existiert.

Gustav Heinemann hat einmal die Terroristen unserer Zeit als Schützenhelfer für den Widerwillen bezeichnet, der den liberalen Rechtsstaat zu begleiten pflegt. Andere (und ich selbst) haben von einer unfreiwilligen Allianz und einem objektiven Zusammenspiel zwischen den Terroristen und jenen Altkonservativen und Reaktionären gesprochen, die sich nach dem Polizei- und Obrigkeitsstaat zurücksehnen.“ (Wassermann)

Die Warnungen, die die Maßnahmen des Staates in schöner Regelmäßigkeit begleiten, möchten dabei aber nicht als Faschismusvorwurf verstanden werden. Man will nur auf die Gefahr hinweisen, daß zu ausgedehnte Befugnisse des Staates einmal gegen die Bürger mißbraucht werden könnten, um auf diese Weise kund zu tun, daß man gegen das Vorgehen der Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt nichts einzuwenden hat, zumal man sie trägt! So erspart sich der „Vorwärts“, die offizielle SPD-Zeitung, nicht den Vergleich mit den Staatsschutzparagraphen der DDR, um damit auf eine mögliche Gefahr hinzuweisen und der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß die neugeschaffenen Bestimmungen nicht angewendet würden – auch eine Form, seine Zufriedenheit mit der Existenz der Paragraphen auszudrücken, die man hoffentlich nie anwenden muß, und damit die Verantwortung für die Anwendung denen zuzuschustern, die von ihr betroffen werden.

„Über den Charakter der Gesetzesmaßnahmen hat die bürgerliche Presse einen Mantel des Schweigens gebreitet. Dabei handelt es sich um bewußte Politik ...
Nur, wenn die Kommunisten in der Lage sind, den Schleier zu zerreißen, den die Bourgeoisie über ihre Absichten, Pläne und über ihre Taten zieht, nur wenn die Kommunisten rechtzeitig in der Lage sind, der Arbeiterklasse und den Volksmassen rechtzeitig die Wahrheit zu enthüllen, erfüllen sie ihre Aufgabe im Klassenkampf. Dies müssen wir immer besser lernen.“ (ebd. aus der Feder von J. S. persönlich!)

Obwohl nicht ganz klar ist, warum nicht auch eine zu späte Enthüllung die spontane Begeisterung der Massen aufgestachelt hat, ist doch das Vertrauen ersichtlich, das diese Partei in die Volksmassen setzt, um an den Staatsmaßnahmen die eigene Gefährlichkeit abzulesen.

Dies muß angesichts der Zufriedenheit der Bürger mit den Maßnahmen des Staates verwundern, die auch daraus abzulesen ist, daß sich die SPD als Reformpartei der Notwendigkeit und dem Agitationswert dieser Maßnahmen nicht verschließen will. Aus dem Umstand, daß der Staat gegen einige seiner Bürger härter vorzugehen gedenkt, machen diese Linken einen Gegensatz des Staates zu den Bürgern und verfallen sogar auf die verrückte Idee, ihn als Rechtskonflikt austragen zu wollen, wobei sie sich blind gegen die Tatsache stellen, daß es sich bei den verabschiedeten Gesetzen nicht um neues Recht handelt, sondern um die Präzisierung geltenden Rechts, was noch alle Politiker und Kommentatoren klargestellt haben. Wo der Staat den Linken eindrucksvoll seine Stärke demonstriert, lügen sie sich seine Schwäche vor und täuschen sich durch Sprüche über’s Volk über die prinzipielle Übereinstimmung der Bürger mit Staatsmaßnahmen hinweg, mit denen der Staat seine Effizienz dadurch unter Beweis stellt, daß er so wirkungsvoll für Recht und Ordnung sorgt, daß auf diese Weise der Faschismus, den die linken Staatsgegner an die Wand malen, überflüssig wird.
Die Betroffenen und wie sie sich gegen den Umgang mit sich wehren
Der DKP ist von vornherein klar, aus welcher Ecke der Gesellschaft der Angriff auf fortschrittliche Kräfte geführt wird:
„Die Erkenntnis wächst, daß die fortgesetzte Berufsverbotpraxis den notwendigen gesellschaftlichen Fortschritt, gegen die Rechte aller arbeitenden Menschen, gezielt ist. Sie soll im Verein mit der systematisch geschürten Hysterie in Sachen Baader-Meinhof jeden als Staatsfeind kriminalisieren, der mehr Arbeiterrechte und grundsätzlichen sozialen Wandel fordert. Nutzen bringt das nur der CDU und besonders den Einheizern der Reaktion um Strauß.“ (UZ 31.5.1976)
Das Vorgehen des Staates, das sich nahtlos in das Weltbild der DKP einpaßt, ist ihr Anlaß, sich nach Bündnispartnern umzutun. Als mächtigster bietet sich da die SPD an: daß diese selbst Zweifel an der Staatspraxis äußert – um sich ihre Reformwähler nicht zu verprellen, wohlgemerkt – greift die DKP begierig auf und biedert sich mit der Behauptung an, daß „Antikommunismus“ eine „Gefahr für die Demokratie“ darstelle, und betont außerdem noch, daß es auch ihr um das Ansehen des deutschen Staates ginge. Mit selbstmörderischer Konsequenz leugnen die Revisionisten jede Differenz zur SPD und vergessen sogar, daß diese als Regierungspartei es ist, die für die angefeindeten Gesetze verantwortlich zeichnet.
Eine besonders interessante Form, sich nicht darum zu kümmern, was in unserem Lande vorgeht, hat ein Büro [Sozialistisches Büro, linksdemokratische Gewerkschaftler und Intellektuelle] erfunden: es veranstaltet eigens einen Pfingstkongreß. auf dem zwar keine Erleuchtung auf die Köpfe der Teilnehmer herabregnet, dafür aber die eindringliche Beschwörung, daß jetzt alle Linken gemeinsame Sorgen hätten:
„Die politische Unterdrückung und ökonomische Ausbeutung in der Bundesrepublik nimmt immer größere Ausmaße an!“ (Überschrift aus einem links-extra)
Mit der Breite der Staatsmaßnahmen wird belegt, welches Interesse man an den Leuten hat. Die existentielle Gefährdung, die mit allen Maßnahmen einhergeht, hat in den Menschen Angst hervorgerufen; sie sind eingeschüchtert, vorsichtig und unterwürfig geworden. Nachdem man mit die Wirkung, die bestimmte Maßnahmen in verschiedenen Menschen hervorgerufen haben, festgehalten hat, kann man den Bogen vom Staat zu den Betrieben schlagen, in denen s ich gleiches abspielt.
„In den Betrieben, Büros (!) und Verwaltungen hat sich im Verlauf der Wirtschaftskrise die Repression verstärkt!“ (Die nächste Überschrift)
Das Jammern darüber, daß die Linken jetzt noch weniger zu sagen haben sollen als früher, was das „Sozialistische Büro“ als Einschränkung seiner Spielräume hinnehmen muß, wird in das schöne Wort „Repression“ gekleidet. Diese ist zwar einerseits schlecht, hat aber auch ihre gute Seite, denn schließlich geht die vermehrte Repression auf die Angst des Staatsmanns vor der Krise zurück:
„Das Ausmaß der politischen Unterdrückung ist nicht mehr nur Folge der Schwäche der Arbeiterbewegung in der BRD, sondern ist auch ein Zeichen der Schwäche der herrschenden Klasse!“ (nächste Überschrift)
Dem, der da leiden muß, dämmert ein Hoffnungsschimmer, wenn er die Zeichen zu deuten weiß, was das SB zunächst einmal für ihn übernimmt. Mit dem Hervortreten der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus hat dieser seine Überlegenheit verloren und muß nun fürchten, daß die Arbeiter sich mit der Linken vereinigen. Da dies ein Gesetz ist, das das SB herausgefunden hat, lassen sich nun auch die Maßnahmen des Staates und der herrschenden Klasse einer Deutung zuführen. Es sind Vorbeugemaßnahmen, die sich zudem noch eines Tricks bedienen.
„Bislang ist es den Herrschenden in der Bundesrepublik noch gelungen, ihre Repressionsmaßnahmen so darzustellen, als beträfen sie nur eine kleine Gruppe von »Extremisten«.“
Der unmögliche Zusammenhang; den sie aufstellen, daß die Lohnabhängigen ausgerechnet deswegen nicht auf die Linken hören, weil die Repressionen scheinbar nur eine kleine Zahl von Extremisten treffen, zeugt lediglich von der Sorge, die sie sich machen: Die Repression, die die Solidarisierung von Linken und Lohnabhängigen verhindert und durch die Angst die Vereinzelung der Individuen hervorruft, ist für das Büro umgekehrt eine Bedingung ihres Zusammenschlusses. Das SB will die Breite der Repression darstellen und muß dazu diejenigen, die seiner Meinung nach Angst haben, agitieren.
„Lassen wir uns nicht durch die Repression lähmen! Organisieren wir den Widerstand“
Die Linken sollen alle zusammenstehen und die Angst in Widerstand gegen die Unterdrückung umschlagen lassen, wozu sie dumme Sprüche brauchen wie: „Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt in ihr um“. Und da man es schließlich mit der Angst zu tun hat, ist umgekehrt klar, daß man sich nicht in „leichtfertiges Märtyrertum von linken „Organisationen“ begibt, sondern das Ausnutzen der rechtlichen Spielräume, die man hat, als Kampf um den Sozialismus verkauft oder seine Phantasie als Waffe gegen die Repression anpreist. Womit noch einmal klargestellt ist, daß es extra linke Organisationen gibt, die den Kampf gegen diese Maßnahmen dadurch führen, daß sie die Einheit aller Linken und Demokraten beschwören.
Eine besondere Blüte hat das Vorgehen des Staates bei Spontis getrieben, die ihre bloße Existenz schon für einen politischen Akt, sozusagen eine Provokation, halten. Sie sehen sich endlich in ihrer Auffassung bestätigt, daß die Kommunikation, die sie betreiben, ein Schlag gegen die öffentliche Meinung ist und finden auch gleich noch eine Gelegenheit, sie schöpferisch weiterzuentwickeln. Nicht genug, daß sie „Parolen auf Zehnmarkscheinen“ verbreiten (von denen sie auch wissen könnten, daß sie immer wieder zur Bank zurückkehren) und z. B. in München Blätter herausgeben, haben sie eine „Buchguerilla“ entworfen, aus der neben der Begeisterung für das Einzelkämpferdasein nur noch deren Grundlage lugt: das Existenzinteresse linker Verlage.
Wie das SB beobachtet auch der KBW den Untergang der Bourgeoisie, Unter der Überschrift „Staatsschutz ist Volksunterdrückung“ tut er wieder einmal kund, auf welch' vertrautem Fuße er mit dem Volk steht:
„Über den Charakter der Gesetzesmaßnahmen hat die bürgerliche Presse einen Mantel des Schweigens gebreitet. Dabei handelt es sich um bewußte Politik...
Nur, wenn die Kommunisten in der Lage sind, den Schleier zu zerreißen, den die Bourgeoisie über ihre Absichten, Pläne und über ihre Taten zieht, nur wenn die Kommunisten rechtzeitig in der Lage sind, der Arbeiterklasse und den Volksmassen rechtzeitig die Wahrheit zu enthüllen, erfüllen sie ihre Aufgabe im Klassenkampf. Dies müssen wir immer besser lernen.“ (ebd. aus der Feder von J. S. persönlich!)
Obwohl nicht ganz klar ist, warum nicht auch eine zu späte Enthüllung die spontane Begeisterung der Massen aufgestachelt hat. ist doch das Vertrauen ersichtlich, das diese Partei in die Volksmassen setzt, um an den Staatsmaßnahmen die eigene Gefährlichkeit abzulesen. Dies muß angesichts der Zufriedenheit der Bürger mit den Maßnahmen des Staates verwundern, die auch daraus abzulesen ist, daß sich die SPD als Reformpartei der Notwendigkeit und dem Agitationswert dieser Maßnahmen nicht verschließen will. Aus dem Umstand, daß der Staat gegen einige seiner Bürger härter vorzugehen gedenkt, machen diese Linken einen Gegensatz des Staates zu den Bürgern und verfallen sogar auf die verrückte Idee, ihn, als Rechtskonflikt austragen zu wollen, wobei sie sich blind gegen die Tatsache stellen, daß es sich beiden verabschiedeten Gesetzen nicht um neues Recht handelt, sondern um die Präzisierung geltenden Rechts, was noch alle Politiker und Kommentatoren klargestellt haben. Wo der Staat den Linken eindrucksvoll seine Stärke demonstriert, lügen sie sich seine Schwäche vor und täuschen sich durch Sprüche übers Volk über die prinzipielle Übereinstimmung der Bürger mit Staatsmaßnahmen hinweg, mit denen der Staat seine Effizienz dadurch unter Beweis stellt, daß er so wirkungsvoll für Recht und Ordnung sorgt, daß auf diese Weise der Faschismus, den die linken Staatsgegner an die Wand malen, überflüssig wird.

aus: MSZ 12 – Juli 1976

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