Bremen

Rock gegen Rechts 'n Roll


„Nun ist zwar der Rock ein bloßer Gebrauchswert ...“ (K. Marx, Das Kapital, Bd. I, S. 66)

Aber die Veranstalter des „open-air und free-concert“ Ende September auf dem Gelände der Bremer Reformuniversität hörten aus dem Geschrubbe elektrischer Klampfen „nicht nur Rockgedröhn“ heraus, sondern erklärten es „zugleich zur politischen, antifaschistischen Manifestation“. Nicht nur „ein Konzert gegen Alt- und Neonazis, gegen die, die braunen Dreck am Stecken haben“, sollte es sein, sondern, bitteschön, gleich ein Rockzipfel „gegen Krieg und Mordhetze.“


Das Fest

Bei dieser Ankündigung aufkommende Befürchtungen, daß es bei der Show lediglich am Anfang und zum Ausklang eine Musikeinlage geben würde, das Hauptprogramm aber mit Erfolgsmeldungen und Solidaritätsadressen von der Antifa-Front bestritten würde, waren unbegründet: es gab Rock am laufenden Band. Während auch bislang schon politische Parteien und andere weltanschaulich orientierte Vereine in der mitgebrachten Blaskapelle ein Mittel entdeckt haben, wie gewissen Leuten Programmatisches mit Hilfe der leichten Muse leichter untergejubelt werden kann, liegt der „Rock-gegen- Rechts-Bewegung“ die Überzeugung zugrunde, ein bestimmter Sound sei schon die Botschaft und die politische Aktion gleich dazu. Richtig!

Und das geht dann so:

Rock soziologisch: „Wir gehen gegen die an, die uns lieber in Uniform als in Jeans haben.“ Kleider machen Antifaschisten oder: Die Jeansgeneration geht ihren Weg!

Rock politologisch: „Wieder versuchen sie (die Rechten), Jugendliche für ihren Kadavergehorsam zu gewinnen ... Wir nehmen den antifaschistischen Auftrag des Grundgesetzes ernst.“ Also Nicht-Kadavergehorsam (vielleicht: lebendige Selbstdisziplin?) auf dem doppelten Boden der FDGO!

Rock psychologisch: „Wir wollen keine schleichende Angst in den Knochen und Kälte im Bauch, sondern wir wollen Wärme und Freiheit.“ Also gegen die Kälte heiße Musik, durch Tanz die morschen Knochen zittern lassen und das begeisternde Feeling, daß man sich erlauben kann, was erlaubt ist!

Rock historisch: „Als die Faschisten 1933 an die Macht kamen ..., wurde ein Kesseltreiben gegen fortschrittliche Künstler und Schriftsteller gestartet ... Auch Jazzmusik wurde als »undeutsch« verteufelt und verboten.“ Mit der Anprangerung dieser besonders teuflischen Seite des Faschismus (Volk ohne Jazz!) erhält auch die Rock-Jugend die Tradition, die sie dringend benötigt und die der Demokratie den Vorzug bescheinigt, daß sie jeden Sound verträgt. (Übrigens gab es auch Deutsch-Rock, z.B. von den „Krauts“.)

Rock kulturgeschichtlich: „Ursprünglich die Musik der Unterdrückten, Ausdrucksmittel, um gegen Entrechtung und Armut zu protestieren.“ Weil die Negersklaven in den USA bekanntlich ihre Ketten schon damals mit dem beat von rhythm & blues sprengen konnten, sind diese auch heute das geeignete Mittel der modernen Jugend, sich über die Kriegsgefahr hinwegzurocken. Bei 100 phon soll sich auch kein Neonazi, geschweige denn ein Alt-PG in die Nähe des Festivals gewagt haben!

Rock weltanschaulich: „Sollen heute die Rockguitarren brennen wie damals die Bücher, weil sie Symbol unseres Protestes sind?“ Die aktiven Teilnehmer des Fests fetzten also nicht auf Saiteninstrumenten los, sondern auf Symbolen, auch wenn bislang die einzige Reichskristallnacht für Rockguitarren in Woodstock stattfand. Deswegen waren die Töne auch nicht besser als sonst, und der Neofaschismus soll sich von den symbolischen Schlägen, die er da einstecken mußte, bis zur Stunde nicht wieder erholt haben!


Der Mäzen

Ein Festival, wo Jugendliche auf ihre Weise feiern, daß sie „Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit“ wollen, war dem SPD-Senat der Hansestadt DM 13.500,- wert. Eine preiswerte Demonstration kurz vor dem Wahltermin, den Spitzenkandidat Koschnik mit der Parole ansteuerte: „Ich lebe gern in Bremen“. Damit nicht nur er Freude an der Stadt hat, zumindest solange er sie regiert, sondern auch die müpfige Jugend, setzte seine Partei gegen die CDU die Subvention durch, deren Fraktion sich vom Bildungssenator Franke die Frage gefallen lassen mußte: „Wer wird denn mit Kanonen auf Spatzen schießen?“ Und das Jungvolk, für das der angekündigte NPD-Parteitag in Bremen willkommener Anlaß zum Rocken war, schmollte auch nicht weiter über das Verbot der geplanten Antifa-Demonstration und strömte frohgemut zum Schauplatz des Pro-Musica-Happenings aufs freigegebene Gelände der Universität.


Die Abstauber

Die diversen Revi-Vereine, die immer nur im mittlerweile arg verschlissenen Hemd dastehen, finden nun endlich den passenden Rock dazu, läßt sich doch an den taktstampfenden Massen demonstrieren, daß die DKP irgendwie doch die Partei der Jugend ist. Im angekoppelten eigenen Festzelt ergänzte sie die Rhythmen aus USA um Folkloristisches aus dem durch sie vertretenen Teil der Arbeiterbewegung in der Hoffnung, so dem einen oder anderen der anwesenden potentiellen Wähler vorzuspielen, was für ein knackiger Oldie auch der Marxismus-Leninismus sei, wenn er auch nicht mehr unter den Top Ten der aktuellen Hitparaden rangiert, wo zur Zeit eher der saubere Öko-Sound Einbrüche erzielen kann.

 

aus: MSZ 31 – Oktober 1979

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