Pedell heute:

HSG 9

Alltägliche Szenen aus dem Hausmeisterleben

Mittagspause im Hausmeisterkeller, Germanistisches Institut. Das Telephonklingeln versaut Kurt Schließer einen Grand mit Vieren. Matschkowicz ist am Apparat. Die Roten haben wieder einen ihrer Tapeziertische in Stellung gebracht. Die müßte man endgültig mal wegputzen, damit hier wieder Ruhe herrscht, meint Sch. Die sollen ihren Dreck, den eh kein Mensch versteht woanders verkaufen. Die runtergewürgte Buttersemmel schlägt ihm auf den Magen,als er am Tatort eintrifft. Scheißmittagseinsätze, euch werd ich's zeigen!

Kollege Werner Wischer vom Hauptgebäude plagen dieselben Sorgen. Erst gestern, kurz vor Dienstschluß, als bei diesem Professor, der immer zwei Tafeln vollschmiert, wieder die Hölle los war, ist er, gerade als er den Frager, dieses Bürscherl, dingfest machen wollte, mit dem linken Auge in Schließers Ellenbogen gerannt. Worauf ein Anschiß von seiner Alten fällig war: Ob er nun völlig verrückt geworden sei, 1.000 netto und ein solches Veilchen!

Schließer und Wischer, die beide nix Gescheites gelernt haben, sind auf eine Stellungsanzeige hin zum Ordnungsgeschwader der Universität gestoßen:

Suchen vielseitig verwendbaren Herrn, mit praktischem Geschick und Organisationstalent, der Wert auf eine abwechslungsreiche und relativ saubere Tätigkeit legt. Die Branche bietet Kontakt zu vielen Menschen, die Chance der Erlernung technischer Fähigkeiten im Umgang mit modernsten Geräten und kein uninteressantes Gehalt.


Ein Berufsbild im Wandel

2 Dienstjahre lang zieht Schließer jetzt zu einer Zeit, in der anständige Menschen im Bett liegen, mit dem großen Schlüsselbund los und kommt nicht auf die Idee, daß er gar nicht aufschließen müßte, wenn er abends nicht zugeschlossen hätte; daß der Studienbetrieb also auch ohne seine ungesunde Art von Frühsport flutschen könnte. Doch laut Hausordnung muß es Hausls geben. Man verdankt ihr seine Existenz. Vor allem dem § 2, Abs. 6, der besagt, daß an der Stätte der Wissenschaft

„die technischen Einrichtungen ordnungsgemäß (!) benutzt werden.“ (müssen)

Denn wer garantiert dafür, daß nicht nach 20 Uhr ein kommunistischer Volksredner die Elektrizität auf die falsche Weise anwendet. Es kommt eben immer darauf an, wer was ins Mikro sagt.

Daß die Universität ein Sumpf ist, indem sie in der ihr eigentümlichen unordentlichen Art zu lehren und zu forschen dafür sorgt, daß solche Muschkotenarbeit nicht ausgeht, davon kann ein Hausl ein Liedchen singen: In jedem Intelligenzler, der die, heiligen Hallen benützt, steckt insgeheim ein Schwein. Und darum:

„Die Anordnungen der Hausverwaltung, die diese zur Aufrechterhaltung der Ordnung, einschließlich der Sauberkeit, der Ruhe und der Sicherheit trifft, sind zu befolgen.“ (§ 2, Abs. 2)

Daß ein Professor, der die Annehmlichkeiten körpergerechter Toilettenmuscheln zu schätzen gelernt hat, lieber in Ecken scheißt, und Studenten Mikrophone unter Starkstrom setzen wollen, entspringt der Logik eines Betriebs, den Geistiges nur als disziplinierende Macht interessiert. Wo nun aber die Herren Professoren im Saustall ihren täglichen Dressurakt aufführen müssen, dürfen Schließer und Wischer nicht klagen, zumal es ihnen doch besser geht als ihrem Kollegen Paul Dobermann, der mit seinem dreijährigen Boxer-Rüden Lobo vom Leopoldpark zu nächtlichen Patrouillengängen um den finsteren Block der Universität abgestellt worden war und nun im Krankenhaus liegt: Lobo hatte Dobermann ins Bein gebissen, als dieser ihn aus einer Rauferei mit einer hergelaufenen Promenadenmischung zurückreißen wollte. – Nach der Pleite mit dem noch ungeschulten Tier hat Oberoffiziant Matschkowicz zunächst einmal das Training seiner Mannen verschärft, die nun unter sachkundiger Anleitung eines der ihren, der bei der Zerstörung eines sperrhölzernen Büchertischs der MG durch gezielte Karateschläge auf sich aufmerksam gemacht hatte, mißmutig ihre 10 Liegestützen beim gemeinsamen Hausmeisterfrühsport drücken. Doch nicht nur eine Verbesserung der Kondition ist geplant, auch die geistige Schulung soll auf Seminartagungen mit Themen wie „Physiognomie und Habitus von Kommunisten“ oder „Wie unterscheide ich linksradikale von universitären Tafelanschriften“ angekurbelt werden. Namhafte Referenten wie der Münchner Polizeipräsident Dr. Manfred Schreiber haben sich schon zur Verfügung gestellt, um einem empfindlichen Mangel abzuhelfen. Hatte doch bereits der eine oder andere salopp gekleidete Assistent bei einer Tafelanschrift die schwielige Faust eines Hausmeisters im Nacken zu spüren bekommen, und ein entnervter Offiziant soll seine Schwierigkeiten im Entschlüsseln von Abbreviaturen einfach in einem amokartigen Abräumen sämtlicher Anschlagstafeln gelöst haben.


Pflicht und Gratifikation

Hausmeister sehen den Grund für derlei peinliche und ungemütliche Einsätze nicht in der universitären Zuchtanstalt, die sich eines Schutzes von Ordnungskräften versichert, die für den von ihr selbst erzeugten permanenten Unwillen geradezustehen haben. Und kein Hausmeister schmettert einem Dozenten, den argumentative Angriffe gegen den dogmatischen Zwang seiner Wissenschaft nach brachialer Hilfestellung rufen lassen, ein „Dann forschen Sie doch mal anständig!“ entgegen. Pflichtgemäß vollzieht der Graukittel die verrückte Verdrehung, diejenigen, die nicht bereit sind, ihren Verstand dazu einzusetzen, um von ihm Abstand zu nehmen, für seine universitären Unannehmlichkeiten verantwortlich zu machen. So setzt der Psychologieprofessor unter dem Schutz seines Körpers seine Ausführungen über „Streß – krankmachende Bedingungen (!) in Organisationen (!)“ munter fort.

Papierkörbe ausleeren, Kaugummis von den Stühlen pulen, endlos Gänge bohnern sind ebenso anstrengende wie bornierte Tätigkeiten und werden, wie in der Hierarchie der Berufe hierzulande üblich, entsprechend mies entgolten. Aber das macht eine ordentliche faschistische Gesinnung aus, die immer das große Ganze im Auge behält: Wo die treu erbrachte Pflicht keiner so richtig würdigen weiß, schlägt dem mausgrauen Kittel mit dem Einläuten der politischen Disziplinierung an der Universität die größte Stunde. Jetzt kann er zeigen, was in einem Hausmeister alles steckt, und so stürzt er sich ins Getümmel, um sich endlich das Jahrhunderterlebnis zu verschaffen, einen Störer zu schnappen. Ob nun einer, zwar am ganzen Körper zitternd, aber doch tollkühn, unter den Augen hunderter kommunistischer Sympathisanten ein Veranstaltungsplakat von der gepeinigten Wand reißt oder nur das tut, was ihm aufgetragen wird, beide tun ihre Pflicht und holen sich nach Beendigung der Aktion ihre verdiente Gratifikation: Einen anerkennenden Handschlag vom polizeilichen Einsatzleiter.

 

aus: MSZ 29 – Mai 1979

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