Goldbach-Pleite

Kein Verbrechen wie jedes andere


Es gibt Krimis, bei denen selbst Ode, Tappert und Konsorten nicht den Kommissar spielen wollen, die trotz vieler Opfer keine Tragik kennen und doch von einer Dramatik sind, die das verwöhnte deutsche Fernsehpublikum begeistert – die „Wirtschaftskrimis“. Jüngster Fall: Aufstieg und Fall eines kleinen „Wirtschaftsimperiums“. Held der Geschichte: der Herner „Ölkönig“ Erhard Goldbach und sein Reich, das zwar von dieser Welt, aber doch nicht im eigentlichen Sinne ein Reich ist, weil es aus lauter Scheinen, Tankstellen und Tankern, die die Scheine abwerfen und selber nichts anderes darstellen, und aus einer Belegschaft, deren Fleiß sie vermehrte, bestand. Nichts weiter also als ein normaler Fall von Ausbeutung. So weit, so banal.

Ihren Kitzel erfährt die Story erst, wo dieser Kapitalist nach der Devise „Der Profit ist unteilbar“ den Staat um seinen Anteil betrügt, Steuern hinterzieht, sich über Zollschranken beim Geschäft mit dem Öl großzügig hinwegsetzt und Kredite unter Vorspiegelung einer soliden Geschäftsgrundlage einsteckt. Aber selbst dann wird aus einem Lieblingsbürger des Staates, den er mit allerlei Steuervergünstigungen, Investitions- und sonstigen Krediten verwöhnt, aus einem respektablen Gönner der Stadt, der großzügig den lokalen Fußballverein finanzierte, aus einem Salonlöwen, dessen Freigiebigkeit Gütesiegel seines gesunden Unternehmergeistes war, noch lange kein Verbrecher, der mit einer Kopfgeldprämie von nicht weniger als 10 000 DM steckbrieflich gesucht wird:

„Gesucht. Erhard Goldbach. Unternehmer.“XXX

Schließlich gehören solche Geschäftspraktiken zum normalen Geschäftsgang, solange er eben noch normal geht und damit er wieder normal geht. Erst wenn der Staat und die Banken beschließen, daß sie nicht mehr stunden, Kreditspritzen verteilen, sondern fahnden und Kredite sperren, wenn sie also das Vertrauen in die Basis des Geschäfts verlieren, beginnt die schlagartige Verwandlung eines lokalen Großunternehmers in einen üblen Gauner, der angeblich nichts anderes im Sinn gehabt habe, als den Staat und die Banken statt seiner Arbeiter auszubeuten, heißt in diesem Fall zu betrügen. Alles Repräsentationsgehabe des Kapitalisten wird jetzt zum Wahrzeichen ausgemachten Gaunertums; alle Aushängeschilder seiner Kreditwürdigkeit – Wohlstands-Villa, Luxusbiene, Fußballmäzenatentum, Partys, kurz: das süße Leben, das den Reichtum mehrt und nicht mindert, weil es Vertrauen ins eigene Geschäft und den Überfluß des eigenen Geschäfts demonstriert – werden zu Zeichen einer zweifelhaften Geschäftspraxis, die angeblich nicht auf Gewinn, der sich wieder vermehrt, sondern nur auf Luxus aus war, als sei nicht das eine die Voraussetzung des anderen und umgekehrt, egal welcher Seite Goldbach nun sein Hauptaugenmerk widmet. Und weil der Täter natürlich ab einem gewissen Punkt sein süßes Leben, das er ja deshalb führt, weil er es schätzt, zugleich deswegen führte, um sich noch ein Weilchen ohne solide Grundlage zu bereichern und Geld beiseitezuschaffen, mit dem er auch ohne Unternehmen sein schönes Leben weiterführen kann, beweist er der Welt aufs glücklichste die saubere Unterscheidung zwischen Unternehmer, der sein Geschäft ordentlich führt und deshalb auch einen ordentlichen Luxus pflegt und verdient hat, und einem Gauner, dessen unternehmerische Lebensgewohnheiten beweisen, daß er ins Zwielicht höheren Zuhältertums gehört:

„Zu den Feinheiten dieses Hauses gehörte eine riesige Badewanne, in der oft mehr als nur ein Pärchen Platz fand. Und auf der 5000-DM-Toilette ertönten vom Sitz zarte Musikklänge, damit die Zeit nicht zu lang wurde. Das Haus selbst war mit teuersten Möbeln eingerichtet.“

Das große Geld gewinnt für die Parteigänger der Bourgeoisie also den Hauch des Anrüchigen (von der Geliebten eigenhändig bei den Tankstellen abgeholt, nicht ordentlich verbucht, sondern in Plastiktüten über die Grenze geschafft!), sobald die Geldgeber beschließen, daß sie dem Unternehmer bei der Vermehrung und Nutznießung ihres privaten Reichtums keinen Erfolg mehr zutrauen wollen. So steht es eben mit dem Kredit: Solange das Vertrauen existiert, daß er sich in vermehrtem Geld auszahlt, wird er gegeben; wo es verschwunden ist, da ist auch das Geschäft geliefert – und, wie in diesem Fall, nicht selten der Unternehmer verschwunden, und alle Welt schimpft, daß er nur an sich und seine Bereicherung gedacht habe, als habe er je etwas anderes getan.

Tragisch ist allerdings weder der Held noch die Geschichte. Ersterer ist saturiert und untergetaucht, und letztere bestätigt nur, daß die Grenze zwischen Geschäft und Betrug fließend ist und letzterer nur angeprangert wird, weil man auf seine Grundlage nicht verzichten will. Deswegen ist solche „Kriminalität“ auch keine wie jede andere und die Täter genießen nicht selten neben ihrem ungetrübten schönen Leben auch das öffentliche Ansehen. Wer es nicht nur lebenslang geschafft hat, Politiker und andere Repräsentanten lukrativ für seine Kreditgeschäfte einzuspannen und beim Auffliegen seines Geschäfts genügend Geld hat, um alle Zeugen zum Umfallen zu bringen, der hat es auch verdient, freigesprochen zu werden und den Rest seines Lebens die Millionen mit den Girls zu verjubeln, die ihm früher bei seinen Geschäftsbeziehungen zur Hand gingen. Es kommt eben auf den Maßstab an, weswegen Goldbach sich verdünnisieren mußte, Cornfeld aber am Genfer See jet-setten kann.

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Nur zur Erbauung: Was für lustige Inserate es in den 70-er Jahren gab:

 

aus: MSZ 31 – Oktober 1979

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