Wie man aus Demonstranten Terroristen macht:

Staatstreue Aufrufe zur Gewalt


1. Objektivität in der Wahl des Gegenstandes:
Die blutigsten Krawalle seit... – wann gab's die eigentlich schon mal?

Daß die Demonstration gegen das Schahregime in der Auseinandersetzung von Gewaltanhängern ein Ende fand, hielten nur die wenigsten Beobachter überhaupt für erwähnenswert:

„Mit Transparenten und Sprechchören war die Demonstration zunächst recht friedlich ... Sie war es nur knapp zwei Stunden.“ (FAZ, 27.11.)

Doch egal, ob man an diese Nebensächlichkeit noch einen Halbsatz verschwendete –

„Blutige Krawalle nach Anti-Schah-Kundgebung“ (SZ, 27.11.) –

oder nicht, der Gegenstand, über den Deutschland informiert werden mußte, stand seit der ersten Meldung der ARD am Samstag um 17.45 Uhr fest:

„Der Frankfurter Polizeidirektor meldet blutigste Krawalle seit Jahren. Müller konnte nach dem gnadenlosen Angriff der Demonstranten nur betroffen sagen: Wir sind von den Ereignissen überrollt worden! Für den morgigen Sonntag haben im Iran die Schahgegner zum Generalstreik aufgerufen. Die Militärregierung kündigte gnadenloses Vorgehen gegen Ausschreitungen an.“

Das Ende der Demonstration lieferte somit das Material, den Schah aus der Schußlinie zu nehmen und Kritik an ihm als grundlos zu denunzieren: mit was für gnadenlosen Feinden es der Schah zu tun hat, konnte man in Frankfurt erkennen, so daß es nur recht und billig ist, wenn er ebenso gnadenlos zurückschlägt, um sich seiner Haut zu wehren.

Daß man der Protestaktion gegen die faschistischen Zustände im Iran in Frankfurt kein Verständnis entgegenbringen konnte, war damit auch klar: Denn die Demonstranten waren allesamt „Gewalttäter“:

„Wer bei einer solchen Demonstration mitzieht, ist mitverantwortlich.“ (OB Wallmann in „Bild“, 27.11.),

da sie die Gewalt, die nicht etwa von der Polizei eingesetzt wurde, sondern von ein paar „Störern“ ausging, nicht zu verhindern verstanden – was ihre erste Demonstrationspflicht gewesen wäre:

„Es muß Tausenden von Protestierenden möglich sein, eine verschwindende Minderheit von Krawallmachern zu isolieren und wirkungslos zu machen.“ (FR, 27.11.)

Und so war sich der Juso-Vorsitzende Jan von Trott mit den Gewerkschaftspolizisten-Vorsitzenden Schirrmacher erstens darin einig, daß die Gewalt lediglich von einer Seite ausgeübt worden war, was zweitens das Argument dafür abgab, mit den „politischen Zielen“ der Schahgegner, für die man sich natürlich vorher brennend interessiert hatte, sich nun nicht mehr auseinandersetzen zu können und zu dürfen:

So vom Ende her betrachtet, springt die Gewalt als „Stoßrichtung“ der gesamten Aktion unmittelbar ins Auge:

„Die Stoßrichtung wurde bereits während des Umzuges an den Sprechchören deutlich: »Amis raus aus dem Iran« und »Deutsche Bürger stört kein Mord, gebt es um Öl und um Export«. Die Angriffe richteten sieh auch gegen die Bundesregierung.“ („Frankfurter Neue Presse“, 27.11.)


„Auf Transparenten war vom »Morden in Iran« die Rede und vom »amerikanischen und bundesdeutschen Imperialismus«, der das »Terrorregime« des iranischen Herrschers unterstütze.“ (FR, 27.11.)

Ein Gewalttäter ist also, wer gegen Gewalt demonstriert – und die Demonstration ist für ihn nur ein Vorwand, gewalttätig werden zu können, da die Gewalt, gegen die er protestiert, gar nicht existiert, sondern eine bloße Einbildung von ihm ist – weshalb sie auch in den Konjunktiv gesetzt gehört. Ein Gewalttäter ist, wer vom „Mord im Iran“ spricht (bekanntlich wurde der „Mob“ im Iran erst dann gewalttätig, als Agitatoren ihn mit Schauermärchen über angebliche Folterungen aufhetzten), da es ihm hierbei gar nicht um den Iran geht, sondern um Volksverhetzung gegen die friedfertigste Regierung auf deutschem Boden seit ... Wenngleich man also jeden Tag in unseren Zeitungen lesen kann, daß Carter, Schmidt und Lambsdorff dem Schah ihre Unterstützung zusagen und ihre unverbrüchliche Solidarität übermitteln, bosseln nur gewalttätige Demonstranten die böswillige Verleumdung daraus, die USA und Deutschland unterstützten das Schahregime, weil sie als imperialistische Staaten – mit der Billigung ihrer Bürger – ein Interesse am Erhalt dieses Regimes haben.

Der „radikale“ Ausgang der Demo kam also jenen gelegen, die schon immer Kritik verbieten wollen, weil sie Gewalt ist („Frankfurter Schule“ (!) –  „Welt“, 27.11.). Und so entlarven sie die Störer von Ruhe und Ordnung als Störenfriede, die darauf versessen sind zu stören: denn vom Standpunkt der Ruhe und Ordnung aus, auf dem auch ein Demonstrant zu stehen hat, gab es kein einziges Argument dafür, hier und heute zu demonstrieren:

1. Bei den Unruhen im Iran handelt es sich um „innenpolitische Konflikte“ (Gries – FR, 27.11.), die einen xxDeutschen nicht im geringsten angehen.

2. Deshalb tragen auch nur Fanatiker diese „fremdländischen Querelen“ (tz, 27.11.) nach Deutschland und liefern xxmit ihren „Straßenschlachten“ dem informierten deutschen Fernsehpublikum, dem schon „die Demonstrationen xxum ureigenste deutsche Angelegenheiten reichen“, „Bilder, wie wir sie sonst nur von den bürgerkriegsähnlichen xxZuständen aus Persien kennen“ – und weil „uns“ die auch „reichen“, hat sie „uns“ das Fernsehen ja auch erspart.

3. Wenn also Deutsche keinen Grund haben, gegen Fremdländisches zu protestieren, dann erst recht nicht die xxPerser, da sie hier an der falschen Adresse sind:

„Ausländische Studenten wollten unter Mißbrauch des Demonstrationsrechts und mit Gewalttätigkeit die Probleme ihres Heimatlandes auf deutschem Boden lösen.“ (CDU-Landtagsabgeordneter Beckmann, FAZ, 27.11.)

Daß sich „die Ausländer mit derartigen Vorfällen selbst den schlechtesten Gefallen täten“ (Gries, FAZ, 27.11.),

weshalb sie – nicht etwa uns, sondern sich selbst – den besten Gefällen „täten“, sich mucksmäuschenstill zu verhalten, legt ihnen auch die „liberale“ FR rechtsstaatlich nahe:

„Perser haben selbstverständlich (offensichtlich ist dem nicht so) die gleichen Rechte, solange sie respektieren, daß der Schah nicht in Frankfurt, sondern nur im Iran selbst gestürzt werden kann.“ (FR, 27.11.)

Indem so die Perser als feige Burschen abgestempelt wären, weil sie sich nicht nach Persien aufmachen, um dort das Herzensanliegen der FR zu verwirklichen, und sie darüberhinaus in ihrer Schizophrenie die BRD mit dem Iran verwechseln (kein Wunder, hier fühlen sie sich stark), ist klar, daß man die Angriffe dieses „aggressiven Potentials“, „die Sitten des politischen Kampfes anderer Länder in die BRD einzuführen“ (Börner – FR, 27.11.), nicht „dulden“ wird.


2. Eine Herausforderung an alle Demokraten:
geruchslose Ratten und geräuschlose Hottentotten ...

Vielmehr führt man selber was ein, weil die Freiheit des Westens sich keine Kritik bieten lassen muß:

„Wir dürfen in Zukunft nicht mehr zulassen, daß auf unserem Boden eine befreundete Macht geschmäht wird.“ (Arndt – „Bild“, 27.11.)

Um die Maßnahmen zur Sicherung der Freiheit, die auf unseren Boden ebenso prächtig gedeiht wie auf befreundetem Boden, ruhig und ordentlich durchzusetzen, müssen sich alle Demokraten solidarisch herausgefordert fühlen, das Unkraut der Kritik, das den schönsten Boden versaut, zu jäten. Und damit der Säuberungstrieb von allen Demokraten Besitz ergreife, müssen „die schlimmen Zwecke“ (Wallmann – „Frankfurter Tagesanzeiger“, 27.11.) der Demonstranten, die in der Identifizierung der Demonstration mit ihrem „blutigen Ende“ noch allzu bläßlich angedeutet waren, an den Demonstranten und dem Verlauf des Krawalls ausgemalt werden.


Wer da eigentlich die Frechheit besaß, die Ruhe unserer Staatsbürger zu stören, wurde anfänglich von unseren sonst so scharfsichtigen Journalisten in einem – allerdings naheliegenden – Kurzschluß beantwortet: Das können nur die Perser gewesen sein, denn außer den 4 aus Belgrad entwischten Terroristen hat sonst doch niemand was gegen unseren Staat. Doch schon nach einer Stunde bemerkte das Fernsehen seinen Irrtum, Persern, Türken, Afghanen und anderen Ausländern die alleinige Schuld an den Vorfällen zuzuschieben, um ihre Abschiebung vorzubereiten. Denn die Maßnahmen gegen Ausländer schließen ja ein Vorgehen gegen deutsche Demonstranten nicht aus, die sich bei genauerer Untersuchung der Ereignisse immer mehr als der Hauptfeind herauskristallisierten – kein Wunder, bei den Perspektiven, die sich hier eröffnen!

So wurden in kurzer Zeit aus den „7.000 persischen Schahgegnern, unterstützt von etwa 3.000 linksradikalen Deutschen“ („Bild“, 27.11.) eine Handvoll Perser und „auffallend viele Deutsche“ (SZ, 27.11.), die auf dieser Demo nichts verloren hatten. Die weiteren Recherchen ergaben dann zwangsläufig, daß die deutschen Studenten, die mit der Demonstration gegen die Gewaltherrschaft des Schah ihre Sympathie mit den Unterdrückten nicht verheimlichten, Sympathisanten waren:

„Schon jetzt ist erkennbar, daß eigentlich nur die Spitze aus Persern, Türken und sonstigen Ausländern besteht, das Gros aber aus deutschen Sympathisanten.“ („Frankfurter Tagesanzeiger“, 27.11.),

die schon zu Beginn der Demonstration das Sympathisantenstadium hinter sich gelassen hatten, weil sie hinter jemand herliefen:

„Die Spitze trifft am Opernplatz ein, flankiert von einem Anwalt, der zu den Verteidigern der Baader-Meinhof-Bande gehörte.“ („Frankfurter Tagesanzeiger“, 27.11.)

Daß „der linke Terror ungebrochen“ (Dregger – FAZ, 27.11.) ist, ergibt sich für jeden aufmerksamen Beobachter der Terrorszene bereits aus dem Faktum, daß schon um 12.45 Uhr

„ein kreisender Polizeihubschrauber mit Wutgeheul bedacht wird.“ („Frankf. Tagesanzeiger“, 27.11.)

Anstatt die Bemühungen der Polizei für das Wohlergehen der Demonstranten zu würdigen:

„Die Polizei ist in der mißlichen Lage, einerseits einen genehmigten Demonstrationszug, andererseits nach dem Eskalieren einer solchen Demonstration die bedrohten Objekte schützen zu müssen.“ (SZ, 27.11.),

zeigen sie an ihrer undifferenzierten Reaktion, daß sie es gar nicht wert sind, geschützt zu werden.

Wenn die Polizei nicht dummerweise erst nach der Demonstration erfahren hätte, daß dieses Wutgeheul, wie alles, was vor oder auf der Demo geschah, nicht spontan, sondern „generalstabsmäßig organisiert und geplant“ war, hätte sie sicher auf den Hubschrauber wie auf viele andere, für die Demonstranten so hilfreiche Maßnahmen verzichtet. Doch was hilft das Jammern, blicken wir der Gefahr nüchtern ins Auge:

Den „profihafte Provokations- und Kampfstil“ der „berufsmäßigen Randalierer“ wird im nachhinein jeder erkennen, der sich überlegt, woher sie kamen:

„In einer Art (!) Sternfahrt kommen die Männer des »harten Kerns« (man beachte die vorsichtigen Anführungszeichen) solcher Demonstrationen herbei.“ (SZ, 27.11.)

Weil heute nur noch Sternfahrten welche sind, bei denen mit dem Staat demonstriert wird (für den antifaschistischen Führer auf deutschem Boden, weil heute keine Juden verfolgt werden – 40 Jahre Reichskristallnacht), muß der Staat in Zukunft – wenn nicht demnächst „Schlägertruppen aus Mailand oder Paris herangekarrt werden“ („Welt“, 27.11.) sollen – dafür sorgen, daß die „Zusammenrottung“ durch Verhinderung des Verkaufs von Busfahrten unterbunden wird.

„Generalstabsmäßig geplant“ war die Demonstration auch deshalb, weil die Demonstranten mit „passiver Bewaffnung“ nicht nur die Absichten der Frankfurter Polizei, die bundesweit als besonders liberal gilt, beleidigten, sondern weil sie sich mit dieser „Form des Schutzes“, auf die friedfertige Demonstranten zu verzichten haben, weil das Tränengas nur gegen „Schlägertrupps“ eingesetzt wird, als „organisierte Gewalttäter“ ausweisen (SZ 27.11.).

Da die objektive Berichterstattung unseres Landes die Krawalle nicht aus allernächster Nähe mitbekommen hat, maßt sie sich auch kein Urteil über die unvorstellbare Brutalität und Aggressivität der Demonstranten an, sondern übermittelt den Zeitungslesern die Analyse des neuen Typs Terrorist aus dem Munde jener, die seine Gewalt zu spüren bekamen:

„Sie kamen wie die Ratten von allen Seiten«, sagten später Beamte.“ („Abendpost“, 27.11.)

„Wenn wir 500 zurückgetrieben (?) hatten, kam eine neue Welle.“ (FAZ, 27.11.)

Und daß die Demonstranten nicht nur eine besonders ekelhafte Naturgewalt, gegen die jedes Mittel recht ist, um deutschen Boden vor Verseuchung zu retten, sondern wirklich keine Menschen waren, enthüllt den „Bild“-Lesern ein Polizeikommissar:

„Es war gespenstisch. Die kämpften sich lautlos und verbissen vor. Keine Sprechchöre und Beschimpfungen. Geräuschlose Gewalt.“ („Bild“, 27.11.)

Stumm, kalt und verbissen wie Steine schwappten die Demonstranten gegen den Polizisten vor, der die Beschimpfung als menschlichen Kontakt ersehnte und doch seinen einzigen Trost nur aus dem anheimelnden Geräusch des Wasserwerfers und dem wohligen Geruch des Tränengases schöpfen konnte. Und wen nimmt es Wunder, wenn er erfährt, daß die Demonstranten, die nicht über die staatliche Gewalt verfügten und daher jenen, die über sie verfügten, mit ihrer geräusch- und geruchlosen Kampfweise äußerst unsympathisch waren, sich der Polizei gegenüber als völlig unkooperativ und damit als solche erwiesen, für die in unserem Staat kein Platz ist:

„Aber auch die übrigen seien nicht wie sonst weit zurückgewichen (weshalb weicht man vor einer derart menschlichen Polizei sonst weit zurück), sondern hätten einen Riegel gebildet, der den zur Verstärkung herbeigerufenen Beamten den Weg zum Ort der Krawalle erschwert hätte.“ (FAZ, 27.11.)

Daß diese Riegelbildung von der Polizei verursacht wurde, die mit ihren Wasserwerfern die Demonstranten „zurücktrieb“, so daß hinten bei aller Kooperationsbereitschaft nicht mal mehr Polizisten mit Wasserwerfern durchkommen konnten:

„Etwa 3.000 Gewalttäter waren in die Angriffe »wellenförmig« verwickelt.“ („Frankfurter Tages-Anzeiger“ 27.11.),

ist daher ein staatsfeindliches Gerücht, das man erst gar nicht aufkommen läßt, indem man ein für allemal klarstellt, daß hier in Frankfurt

„Deutsche der linken Anarchisten- und Kommunistenszene die Gelegenheit nutzten, sich auszutoben.“ (FAZ, 27.11.).

und als „Prügelperser“ („Welt“, 27.11.), „persische Knüppelgarden“ („Frankfurter Neue Presse) oder auch „Hottentotten“ aufzuführen, die mit ihren „Methoden japanischer Schlägertrupps“ die „Sitten des politischen Kampfes“ anderer Rassen in die BRD einführen wollten, ohne die Wachsamkeit der demokratischen Rasse im Auge gehabt zu haben:

„Die Herrschaften, die glauben, Frankfurts Straßen zum Schlachtfeld machen zu können, haben den Bogen überspannt.“ (FAZ, 27.11.)

– denn der Krug geht solange zu Wasser, bis er bricht und Druck erzeugt Gegendruck.


... gegen machtlosen Staat

Volkes Stimme sagt aber auch, was an dieser Demonstration das besonders „Empörende“ war:

„Es ist furchtbar, daß der Staat solchen Gewalttaten machtlos gegenübersteht.“ (Was sagen die Frankfurter zur Demo? – Irmgard Lacqua in „Bild“, 27.11.),

weshalb die Presse die Bildung dieser gefühlvollen Meinung auch mit allem Nachdruck – und ein paar Ungereimtheiten, die aus der hektischen Sorge um unseren Staat in den Tagen nach den Ereignissen erklärlich und darum verzeihlich sind – betreibt.

1. Die Polizei – samt den verantwortlichen Stellen – war „völlig überrascht“ (FR, 27.11.)

Die Überraschung war um so gelungener, als das Innenministerium bereits am Freitag Müller angeboten hatte,

„weitere Hundertschaften durch den sogenannten »Landesalarm« oder durch Heranziehung außerhessischer Bereitschaftspolizei nach Frankfurt zu bringen.“ (FR, 30.11.)

Die Behörden können natürlich durchaus Gründe aufführen, warum ihre Täuschung so vollkommen glückte:

„Die Beobachtung der CISNU-Leute sei auf der Anfahrt schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen. Sie seien nahezu alle mit Privatfahrzeugen angereist.“ (FAZ, 28.11.)

und Entschuldigungen, mit denen sie ihr Versäumnis ausbügelten:

„Bei der Rückfahrt sind die Insassen der Busse erkennungsdienstlich behandelt worden.“ (FAZ, 28.11.),

doch bleibt ein gewisses Unbehagen der Bevölkerung über die Abwehrbereitschaft ihrer Schutztruppen, das diese sich zu Herzen nehmen sollten:

„Es gab Nachrichten, die Schlimmes befürchten liessen. Doch freitags nach 15 Uhr kann in der Republik der Krieg offenbar nur noch im Saale stattfinden ... Von der Bundeswehr hörte man schon früher, daß sie am Wochenende personell nur bedingt abwehrbereit sei. Da muß sich was ändern.“ (FAZ, 28.11.)


2. Die Polizei war „kräftemäßig einfach überfordert“ (Schirrmacher – SZ, 28.11.)

Deshalb ergibt sich aus der „zahlenmäßigen Überlegenheit“:

„Etwa 40 Gebäude wurden geschützt. Mann kann sich ausrechnen, wie viele Beamte dann letztlich noch für den eigentlichen Demonstrationseinsatz zur Verfügung standen.“ (FAZ/27.11.)

der Demonstranten die zwingende Forderung, „die Personalmisere der Polizei“ endlich zu beheben. Die „totale Unterlegenheit“ der Polizei, die dazu führte, daß 70 bis „700 eingesetzte Polizisten förmlich überrannt“ (FAZ/28.11.) wurden, wird schlagend klar, wenn man die zahlenmäßige Überlegenheit der Demonstranten nicht überstrapaziert (obwohl sich bei einer Demonstrationsstärke von 10.000 und einem Polizeieinsatz von 1.000 bzw. 700 minus 40 x X Polizisten nach der Devise: auf jeden Demonstranten ein Polizist – immerhin 9.000 plus X zusätzliche Polizisten für Frankfurt ergeben), sondern wenn man die Teilnehmerzahl der Demonstranten geringer ansetzt und vor allem zu der Zahl der „Rollkommandos“ ins richtige Verhältnis setzt:

„Von 7.000 bis 8.000 Teilnehmern wurden nicht nur 15 Prozent (eine an sich schon erschreckende Zahl, aber man gewöhnt sich ja an alles!) brutal, sondern etwa 40 Prozent, also 2.800 bis 3.000.“ (Frankfurter Tages-Anzeiger/28.11.) –

wobei der SZ diese Prozentzahl immer noch verharmlosend erscheint:

„Es waren diesmal fast 50 Prozent ...“ (SZ/30.11.)

Dann wird klar, daß die um die Ecke postierten 300 Polizisten erst nach „6 Minuten“ bzw. „einigen Augenblicken“, jedenfalls nicht „rechtzeitig“ am Ort des Geschehens eintrafen, wo sie nun die Demonstranten „zurückdrängen“ mußten, so daß immerhin der Konsul der US-Botschaft der Polizei „für wirksamen Schutz danken“ konnte:

„Dank der effektvollen Verteidigung durch die Frankfurter Polizei ist diesmal die Demonstration an dem Konsulatsgebäude »spurlos« vorübergegangen.“ (Frankfurter Tages-Anzeiger/28.11.)


3. Die Polizei stand „wehrlos“

den „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ (FAZ/ 28.11) gegenüber, da „die Beamten offenbar
ohne jede »Straßenschlachterfahrung«,“ (FR/27. 11.) waren und zudem „ergänzend wieder Beamte hätten herangezogen werden müssen, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben“ (Gries – MM/28.11.), so daß man dem Innenminister den Wunsch nach mehr „ausgebildeten Einsatzkräften“ (Frankfurter Tages-Anzeiger/28.11.) sicher nicht versagen wird. Wie knausrig der Staat ist, wenn es um unser aller Sicherheit geht, mußten die Frankfurter Polizisten am eigenen Leib verspüren, die der „unwahrscheinlichen Logistik“ der „beinahe militärisch organisierten“ (SZ/30.11.) Gegenseite nicht nur keine Erfahrung, sondern vor allem keine Waffen entgegenzusetzen hatten, da ihr billiges Gelump nicht mal eine Wirtshausschlägerei unversehrt überstanden hätte:

„Neun von zehn Wasserwerfern fielen aus, weil sie nicht mit schnitt- und stichfesten Sicherheitsreifen versehen waren. Doch die Sparsamkeit des Landes zeigt sich auch beim simplen Schlagstock. Beamte erzählen, daß schon beim ersten Schlag (?) das Holz splitterte (starrköpfige Schädel), weil das Land nur minderwertiges Material gekauft habe. Praktisch hätten die Beamten mit abgebrochenen Stöcken waffenlos den Angreifern gegenübergestanden.“ (Frankfurter Tages-Anzeiger/28.11.)

Und so hatte die Demo wenigstens das Gute, daß sich die Frankfurter Bereitschaftspolizei um ihre Ausstattung keine Sorgen mehr machen muß:

1. die Wasserwerfer werden auf Reifen umgerüstet, die nicht zerstochen werden können,

2. Der Strahldruck der Wasserwerfer wird verstärkt,

3. Helme werden beschafft, die nicht zerschlagen werden können (laut FR/30.11.).

4. Wo bleiben die Knüppel?

Daß die Polizei in einer Situation, wo sie selbst Hilfe benötigt hätte, nur den Schutz ihrer Gegner im Sinn hatte, stellte tz München fest, die mit ihrer Unterschrift: ,,Polizei hilft Verletztem“ unter ein Bild, in dem ein Demonstrant im Polizeigriff abgeführt wird, die Frankfurter Bildzeitung berichtigte: „Polizei nimmt Demonstranten fest“. Es liegt also nicht an der charakterlichen Festigkeit unserer Polizisten, wenn unser Staat an den Rand des Abgrunds gedrängt wird: selbstlos greifen die Unbewaffneten selbst „in Todesangst“ nicht zur Waffe, um dem Staat unnötige Prozesse (der Notwehrschütze Kurras wurde bekanntlich freigesprochen) zu ersparen, vor allem aber um mit ein paar Leichen nicht den Vorwand für die Eskalierung gewalttätiger Demonstrationen zu liefern:

„Polizeipräsident Müller bezeichnete es als ein Wunder, daß die Beamten die Nerven behielten und nicht von ihrer Schußwaffe Gebrauch gemacht hatten.“ (Abendpost/27.11.)

Was man beim Gebrauch eines Grundrechts beachten sollte

Schon jetzt ...

Wir leben im „freiheitlichsten Staat auf deutschem Boden, den es je gegeben hat.“ Was das heißt, merkt jeder Demonstrant. Nicht nur, daß die Demonstration genehmigt ist, die Polizei läßt sich ihren Schutz nicht nehmen:

– Zu Beginn der Demonstration kreisen Hubschrauber über dem sich formierenden Demonstrationszug und wachen darüber, daß er sich ordentlich zusammenstellt.

– Vor dem Demonstrationszug fährt ein Polizeifahrzeug mit Videokamera, die alles filmt, um die Demonstranten hinterher vor falschen Verdächten in Schutz zu nehmen.

– Am Straßenrand steht ein Polizeikameramann, der jeden Demonstranten in Großaufnahme verewigt, damit seine Teilnahme an der Demonstration hinterher bei allen interessierten Stellen auch nachgewiesen werden kann.

Während der Demonstration zeichnen Polizeifahrzeuge mit Tonbandgeräten alle Sprechchöre und Lautsprecherdurchsagen auf, um über den Charakter der Demonstration keine Zweifel aufkommen zu lassen. Kommt es im Verlauf der Demonstration zu Zwischenfällen, so stehen zahlreiche Polizisten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken bereit, die Demonstration aufzulösen, damit die Masse der Demonstranten nicht in ungesetzliche Handlungen mit hineingezogen wird. In das verspritzte Wasser ist vorsorglich Tränengas oder wirkungsvolleres chemisches Zeug beigemengt worden, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen. In den Seitenstraßen, in die man sich auflösen kann, stehen Polizeitrupps bereit, die den Nachhausegehenden mit ausgestrecktem Prügel den Weg weisen und Nachzüglern auch bei der Geschwindigkeitssteigerung behilflich sind.

Wird ein Demonstrant, der zu langsam schaltet, gefaßt, so verläuft seine Festnahme vorschriftsmäßig:

– Damit er nicht auf die straferschwerende Idee kommt, „Widerstand“ zu leisten, wird ihm mit dem Knüppel und notfalls auch mit der Faust eine Belehrung über die Fruchtlosigkeit solchen Verhaltens zuteil.

– Vor dem Einstieg in den „Gefangenenwagen“ erspart ihm eine gründliche Durchsuchung überflüssigen, im Knast störenden Ballast, wie Hausschlüssel, Notizblöcke, Zigaretten u.ä.

– Beim Einstieg ins Fahrzeug ist einem die Polizei so behilflich, daß man von der langweiligen Fahrt auf die Wache nicht mehr viel mitbekommt.

– Beim Aussteigen helfen Polizisten energisch nach, damit keine Zeit vertan wird.

– Um dem Verhafteten beim Sparen von Anwaltsgebühren zu helfen, läßt man ihn gar nicht erst anrufen.

Und selbst bei der Heimreise von Demonstranten, die zu einer nationalen Demonstration auch von außerhalb Frankfurts gekommen sind, beweist die Polizei – diesmal bundesweit – Fürsorge, Damit keiner in den Verdacht gerät, an einer behördlich genehmigten Demonstration nicht teilgenommen zu haben, stoppt die Polizei Busse, in denen sie Demonstranten vermutet. Diese werden gründlich durchsucht und die Insassen einer „erkennungsdienstlichen Behandlung“ unterzogen, damit ihre Personalien und Fotos mit dem Bildmaterial von der Demonstration verglichen werden und später einmal anderen interessierten Behörden unterbreitet werden können. Damit aber die Privatwagenbesitzer nicht sozial diskriminiert werden, stoppt die Polizei auch alle Autos, deren Nummern sie sich rund um die Demonstration gemerkt hat, und läßt den Passagieren die gleichen Rechte zuteil werden. Wenn es sich bei Demonstrationsteilnehmern – wie in Frankfurt – auch um Ausländer handelt, so erwägt der Staat ihre Repatriierung, um sie vor Anfeindungen in der deutschen Öffentlichkeit zu bewahren.


... und vielleicht demnächst

Weil es bei der Frankfurter Demonstration von Teilen der Demonstranten zu „Ausschreitungen“ gekommen ist, erwägt der Staat nun eine Wiedereinführung des Demonstrationsstrafrechts, demzufolge alle Teilnehmer einer Demonstration für Rechtsbrüche auch nur eines einzigen Demonstranten zur Verantwortung gezogen werden können. Dies hat den Vorteil, daß der geschlossene Charakter der Demonstration auch noch vor den Schranken der Gerichte gewahrt bleibt. Wer dann noch demonstriert, muß wissen, daß die Polizei nicht nur in der oben beschriebenen Weise für ihn sorgt, sondern die Justiz ihn auch noch hinterher versorgt, ganz gleich, was er gemacht hat. Der Unterschied eines solchen Gesetzes zum Kriegsrecht im Iran, wo es keine Demokratie gibt, liegt auf der Hand: während dort unten Demonstrationen nicht erlaubt sind und deshalb zusammengeschossen werden, sind sie bei uns erlaubt und es liegt in der persönlichen Verantwortung jedes einzelnen, ob er es sich leisten will, an einer Demonstration teilzunehmen. Hinzukommt, daß der Schußwaffengebrauch bei uns nur in dem Fall gestattet ist, wo die Polizei den Eindruck gewinnt, ohne ihn der Demonstration nicht mehr Herr zu werden. Wie sagte doch ein Frankfurter Polizist: „Wenn die CISNU noch mal demonstriert, dann wird scharf geschossen!“ Wie umsichtig von Frankfurts Bürgermeister Wallmann, daß er Ausländern keine Demonstration mehr erlauben will.

(Diese Hinweise für den Gebrauch des Demonstrationsrechts sind aus praktischen Erfahrungen von Frankfurter Demonstranten zusammengestellt worden. MSZ- Kollektiv.)

Aktuelles Postskriptum:

Leider konnten wir diese Hinweise nicht mehr rechtzeitig für unsere Erlanger Genossen herausgeben. So hat die bezaubernde Universitätsstadt im Frankenland angesichts einer an-, dann aber abgemeldeten Demonstration das Glück gehabt, wie eine Stätte des Bürgerkriegs behandelt zu werden: Hubschrauber über den Köpfen, Kontrollen auf den Autobahnen nach Erlangen und ein Polizeiaufgebot erster Güte wegen einer Diskussion von 700 Studenten im Redoutesaal – sicher ein paar unvergeßliche Stunden.


3. Radikalisten rüsten zu neuen Taten (Bild/27.11)

Wenn aber in einer Situation, in der „entschlossene Extremisten“ eine Großstadt „stundenlang“ in „so etwas wie (!) einen rechtsfreien Raum“ (SZ/30.11.) verwandeln, Polizisten in unbedingtem Gehorsam gegenüber dem Rechtsstaat den „rechtsfreien Raum“ mit rechtsstaatlichen Skrupeln füllen, anstatt mit einer „entschlossenen“ Säuberungsaktion für die Wiederherstellung des Rechtsraums zu sorgen, dann muß sich auch hier was ändern. Da die Polizisten in ihrer Verfassungstreue „nur wenig Möglichkeiten“ haben, „dem Straßenterror das Handwerk zu legen“ (Moog, Vorsitzender der Frankfurter CDU-Stadtverordnetenfraktion – Frankfurter Tages-Anzeiger/28.11.), muß der Rechtsstaat seine Möglichkeiten gegenüber Unrechts-Subjekten ausschöpfen, wenn er nicht von ihnen erlegt werden will.

Um die anstehende Verstärkung des staatlichen Machtpotentials glatt über die Bühne zu bringen, wird die Bevölkerung auf die Rüstung gegen die neuen Staatsfeinde eingeschworen:

„Schmutzige Gewalt
Unvergeßlich sollte allen Bürgern sein: Der gewalttätige Radikalismus ist nicht besiegt. Seine Anhänger rüsten zu neuen Taten.“ (Bild/27.11.)

Die Zeitungskampagne über den „blutigen Samstag“, die „Orgien des Hasses und der Gewalt“ (Dregger – FAZ/27.11.) entfesselt, ist somit der Auftakt der legalen Beseitigung „rechtsstaatlicher Möglichkeiten“ für alle Gegner des Rechtsstaats. Die Aufforderung, über das „Strafrecht nachzudenken“ (Wallmann - Frankfurter Tages-Anzeiger/27.11.), ist der ungeschminkte Hinweis darauf, daß der Rechtsstaat dann am sichersten ist, wenn er bestimmte Rechte beseitigt:

„Den Stellungnahmen der Parteien war zu entnehmen, daß die rechtlichen Voraussetzungen und die großzügige Handhabung des Versammlungs- und Demonstrationsrechts nicht länger auf bisherige Weise hingenommen werden sollen.“ (FAZ/27.11.)

Und so löst man das Problem, daß rechtliche Voraussetzungen nicht länger die Handhabung des Rechts belästigen:

„Es müsse eine gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, gegen die vorzugehen, die ihre (!) Demonstrationsfreiheit »für ihre schlimmen Zwecke« ausnutzten.“ (Wallmann – Frankfurter Tages-Anzeiger/27.11.)

Diese Umständlichkeit kann man sich gegenüber den Persern schenken, da sie sowieso nur „Gastrecht“ genießen und die Stimmung ihnen gegenüber schon genügend angeheizt ist. So verteilte ein Professor Sickinger an einer Frankfurter Fachhochschule Flugblätter folgenden Inhalts:

„Alle Perserstudenten werden aufgefordert, ihre Sch.- Revolution in ihrem Sch.-Land zu machen. Sonst (!) rufen wir: Perser raus, denn wir haben selbst Polit-Idioten.“ (FR/30.11.)

und weigerte sich, seine Vorlesung abzuhalten, solange persische Studenten im Raum waren. Die Empörung des Rektors wird sich legen, wenn er bedenkt, daß Sickinger nur die Zivilcourage besessen hatte, die skrupulöse Gedankenspielerei des hessischen Innenministers in die Tat umzusetzen:

„»Man müßte sie alle haben, dann würde ich es gerne tun« (= sie abschieben). Weiter meinte er, daß man leider erst etwas nachweisen müsse,“ (Gries)

Denn daß dieser Nachweis nur der Vorwand untätiger Bürokraten ist, sich vor ihrer Pflicht gegenüber der Bevölkerung zu drücken, hat auch der Kommentator der FAZ erfaßt, weshalb er seinen Repräsentanten den Auftrag erteilt:

„Hinaus mit ihnen
Es ist nicht damit getan, daß unser Staat gewalttätige Ausländer strafrechtlich zur Verantwortung zieht: vielmehr hat er gegenüber der Bevölkerung die Pflicht, die gewalttätigen Ausländer schnell auszuweisen, und zwar nicht nur fünf oder zehn oder zwanzig, sondern mindestens Hunderte (warum so bescheiden? – wir haben doch nicht nur Perser zum Abschieben). Schnell, das geht durchaus ... dann mögen die Gewalttäter ihre Prozesse durch die drei Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Ausland führen, z.B. aus der Türkei (alle Perser sind Türken).“ (FAZ, 27.11.)

Und in der Befolgung des „Appells“ des Bundeskanzlers, „entschlossen gegen Ausländer vorzugehen, die das Gastrecht mißbrauchten“ („Frankfurter Tagesanzeiger“, 28.11.), und der realistisch-nüchternen Einschätzung der Sachlage bzgl. neuer Gastländer für die unverschämt gewordenen Gäste, erklärt Börner, daß „gewalttätige Ausländer dahin geschickt würden, woher sie gekommen sind.“ (FR, 27.11.) – basta. Der Organisation der Perser, „die im jährlichen Verfassungsschutzbericht mit nicht gerade vorteilhaften Attributen bedacht wird“ (SZ, 30.11.) blüht dasselbe: ihr Treffen im Januar in Frankfurt ist bereits verboten und zum Verbot der CISNU prüft man die „Voraussetzungen“.

Auch mit den deutschen Demonstranten läßt sich einiges anstellen, obwohl man sie „ja wohl nicht ausweisen“ (SZ 30.11.) kann – warum eigentlich nicht? Erstens braucht man ihre Demonstrationen in Zukunft einfach nicht zuzulassen:

„Es wird zu überlegen sein, in welchem Maße solche Versammlungen noch genehmigt werden können.“ (Gries – FAZ, 27.11.),

und zweitens hat man damit endlich die Gelegenheit gefunden, dem jahrelang „aufgeweichten“ und „ausgehöhlten“ Demonstrationsrecht einen etwas härteren rechtlichen Rahmen zu verpassen:

„Solange wir unser neues fortschrittliches Demonstrationsrecht haben, solange wird die Entwicklung des Bürgerrechts auf Demonstration der freien Meinung unerbittlich fortschreiten zu einem Recht auf blutige Einschüchterung ... Im Schutze dieses Fortschritts fühlen sich die Schläger sicher.“ („Welt“, 27.11.)

Mit der Einführung des „wirksameren Straftatbestands des Landfriedensbruchs“ (Hillermeier – SZ, 28.11.) hätte man schon ein handfesteres Instrumentarium gegen „Kriminelle“ als das fortschrittliche Labberrecht der Koalitionsparteien von 1970. Dann wären zwei „Verhängnisse“ für den Rechtsstaat beseitigt:

„Nicht alle haben an den Ausschreitungen teilgenommen. Aber die Kriminellen am Ort des Geschehens auszusondern, ist unmöglich.“ (FAZ, 27.11.),

weshalb mit der Kriminalisierung aller Demonstranten die Aussonderung ein Ende hat. Auch das unglaubliche, aber wahre Vorgehen der Frankfurter Richter, alle Festgenommenen auf freien Fuß zu setzen, bloß weil sie einen festen Wohnsitz nachweisen konnten, würde sich dann nicht mehr wiederholen:

„Die vom Gesetz angeordnete Freilassung aller der Gewalttaten bezichtigten Demonstranten ist ein Verhängnis.“ („Frankfurter Neue Presse“)

Und weil die Tragödie der Demokratie darin liegt, mit ihren Rechten auch ihren Feinden zu Diensten zu sein und durch „Gewaltbegünstigung“ ihren eigenen Untergang heraufzubeschwören, müssen wir alle aus Weimar lernen und erkennen, daß „Liberalität nicht für extreme Bedingungen paßt“ („Frankfurter Neue Presse“).

Weil also Liberalität nicht in die heutige Landschaft der selbstgeschaffenen extremen Bedingungen paßt, steht auch das Verbot der „K-Gruppen“ auf der Tagesordnung:

„Auch müsse untersucht werden, ob linksextremistische Gruppen für die Ausschreitungen verantwortlich waren. Wenn dies der Fall sei, müsse ein Verbot erwogen werden.“ („Frankfurter Tages-Anzeiger“, 28.11.)


So werden rechtsstaatliche Bedenken ausgeräumt, Kritiker der Demokratie müsse man rechtsstaatlich beizukommen versuchen: vielmehr besteht das allerrechtsstaatlichste Verfahren gerade in einem Verbot, da man sich dann die ewigen Scherereien und Abwägungsschwierigkeiten vom Hals geschafft und für die wichtigeren Aufgaben des Rechtsstaats Platz gemacht hat.

Weil es heute angebracht ist, in jedem kritischen Wort den Aufruf zur Gewaltanwendung zu entdecken, um den Staat zum Zuschlagen zu ermuntern, hat die FAZ aus dem Flugblatt der MG „Anläßlich der Vorgänge im Iran: Ein offenes Wort an den aufgeklärten Studenten“ nicht nur die „psychologische Unterstützung der Gewalttaten“ („Frankfurter Tages-Anzeiger“, 28. 11.), die einen bereits für die auf der Demonstration verursachten Schäden haftbar macht, sondern die systematische Vorbereitung der Gewaltanwendung abgeleitet – und zwar so:

„Gewalt geplant!
... liegen Beweisstücke vor, die schon in der Vorwoche auf den Vorsatz zur Gewaltanwendung und auf die Absicht der Zuführung von Gewalttätern von außen schließen lassen maßten ... In Erlangen ... Busfahrkarten erhältlich ... Zugleich wurden die Mitfahrer folgendermaßen auf die beabsichtigte Gewaltanwendung hingewiesen und vorbereitet:
»Du mußt zugeben, daß selbst Du, der Du Student bist und Dich deshalb völlig zurecht für einen politisch interessierten und aufgeklärten Demokraten hältst, noch gar nicht daran gedacht hast. Deiner sicherlich starken Abneigung gegen den Schah und seine despotischen, undemokratischen Machenschaften in einem öffentlichen Protest Ausdruck zu verleihen; oder gar demonstrativ von der Bundesregierung zu fordern, sie solle ihre Finger von Persien lassen und aufhören, einen Menschenschlächter zu unterstutzen. Mal ehrlich! Heute deswegen in einer Schlägerei mit der Polizei zu geraten, kannst Du Dir selbst in Deinen kühnsten Träumen politischer Ideale nicht einmal vorstellen.«“ (FAZ, 28.11.)

Gewaltanwendung wird also vorbereitet, wenn man

1. Gewalt überhaupt nennt – wobei es scheinen mag, daß wir hier glücklicherweise aus dem Schneider sind, weil die Erinnerung an die Zeiten der Studentenbewegung von der „Zeit“ aufgebracht wurde. Das Zitat, mit dem das Flugblatt beginnt, und das die FAZ wohlweislich nicht zitiert, lautet:

„ ... ein Staatsbesuch Reza Pahlevis war zumindest der Anlaß, wenn nicht gar Auslöser für die Berliner Strassenschlachten im Juni 1967, aus denen zuerst die Studentenbewegung, dann die verkrüppelte Nachgeburt des Terrorismus hervorgegangen ist. Er stand Pate am Kaiserdamm, als lattenbewaffnete Jubelperser auf ihre protestierenden Landsleute losgingen, als die Berliner Polizei die Demonstranten auseinander prügelte, als schließlich Benno Ohnesorg den Kugeln des Wachtmeisters Kurras zum Opfer fiel...“;

2. der Polizei unterstellt, sie schlage, schlägere oder prügle auf Demonstranten ein, weil damit das Ansehen der Polizei verunglimpft wird, die lediglich Prügeltrupps von Demonstranten ein wenig zurückdrängt. Doch egal, daß auch hier die „Zeit“ das böse Wort in den Mund genommen hat – allein der Umstand, daß wir den heutigen Studenten darauf hingewiesen haben, daß er mit einem Studenten von vor 11 Jahren bei aller Aufgeklärtheit einiges nicht gemein hat, weil er sich keinen einzigen Grund mehr vorstellen kann, überhaupt auf eine Demonstration zu gehen, hat uns verdächtig gemacht, weshalb die FAZ auch mit Biegen und Brechen den angestrebten Zusammenhang konstruiert.

Wenn sich heutzutage also noch irgendwo Kritik am Rechtsstaat regen darf, so ist es die geschlossene Front des pluralistischen Blätterwalds der BRD, die noch aus jedem kritischen Wort von linker Seite die systematische Vorbereitung von Gewalttaten gegen den Rechtsstaat rausleiert, um den Rechtsstaat von seinen Skrupeln zu heilen – weshalb sich „Frankfurter Rundschau“ und „Süddeutsche Zeitung“ auch in keinster Weise mehr von der „Bild“-Zeitung unterscheiden. Unisono tönt aus dem freiwillig formierten Meinungswesen dem Staat nur eine Meinung entgegen: es sei an der Zeit, mit dem terroristischen linken Gewaltpotential aufzuräumen, ohne lange zu fackeln – wenn das kein „generalstabsmäßig organisierter“ Aufruf zur Gewaltanwendung ist!

 

Vom Umgang mit dem polizeilichen Nachwuchs

Abkommandiert zum „Objektschutz“ steht ein zweiundzwanzigjähriger Polizist vor dem amerikanischen Konsulat. Er und seine 70 Kollegen sind der „Objektschutz“, den seine Vorgesetzten für erforderlich halten. Denn diese Vorgesetzten kennen die Szene, haben ihre Verbindungen. Ihre zivilen Beamten vermuten nichts, sie wissen aus ihren Erkundungen – sogar die Zeitungen haben es offenbar vorher gewußt –, daß unter den Demonstranten einige sind, die an einer Beschädigung des Konsulats interessiert sind. Also steht der Polizist jetzt mit seinem Schild, einem Knüppel sowie einer Sprühdose (in der ist kein Deo) ausgerüstet in Reih' und Glied da: 50 Meter vor dem Konsulat, vor ihm keine Gitter (Hamburger Reiter), hinter ihm viel Platz bis zum stabilen, über 2 Meter hohen Eisenzaun, der das Konsulatsgelände umgibt und hinter dem er sich bedeutend wohler fühlen würde.

Für besagte Demonstranten war dies die Gelegenheit, zu dem „unvergeßlichen Erlebnis“ zu kommen, das sie sich gewünscht hatten und für das sich die übrigen Leute, die am Protest gegen den Schah interessiert waren, gut benützen ließen. Auch sie haben nicht damit gerechnet, daß das amerikanische Konsulat einen Tag der offenen Tür veranstaltet, und deswegen alles vorbereitet. So steht der Polizist nicht bloß als „Objektschutz“ da, sondern auch als Objekt: Der Angriff gilt ihm, und die Schlacht ist eine um seine Haut und seine Knochen. Für den Fall, daß er dem Angriff nicht standhält, ist vorgesorgt. Hubschrauber, Wasserwerfer und zusätzlich bewaffnetes Personal stehen im Hintergrund bereit, um zu gewährleisten, daß das amerikanische Konsulat unverschont bleibt, wenn seine Knochen laut Programm lädiert werden.

Der erwartete Angriff findet statt, die ersten Kollegen werden verletzt und auch unser Mann kriegt einiges zu spüren. Aber immerhin weiß er jetzt, wo der Feind ist: die Demonstranten wollen ihm an den Kragen, so daß er im Schutze des anrückenden Geräts die Nützlichkeit der Waffen entdeckt, die für den „Objektschutz“ so untauglich waren. Das Tränengas der Wasserwerfer serviert ihm seine Objekte wie auf einem Präsentierteller. Die Berechtigung seines Tuns steht außer Zweifel, und sein Haß verlangt dieselben Taten wie die Parole, die ihm vor der Demonstration mitgeteilt worden ist: „Kopfsalat an der Oper!“

Er hat jetzt das Bewußtsein, das sein Beruf erfordert: „Euch werd' ich helfen!“ ist die feste Einstellung des Freundes und Helfers. Die Öffentlichkeit, bestehend aus Journalisten, Parteien und Verbänden einschließlich seiner Polizeigewerkschaft, beginnt zu bilanzieren. Er findet sich in der Verletztenstatistik wieder, und daß er ein „Bulle“ ist, wird von allen Verantwortlichen bestritten. Sie wissen ja, was sie an ihm haben – und deswegen erfinden sie auch die Lüge von den „Versäumnissen“, die es gar nicht gibt, von den „Fehleinschätzungen“, die eine einzige Kalkulation gewesen sind.
Polizisten, die wahllos Leute zusammenhauen gibt es bei uns nicht. Höchstens solche, die gar nicht anders können – und das ist mit dem Prinzip des Rechtsstaats vereinbar, ja ihm geradezu gemäß. Die Fragen, die gestellt werden müssen, sind andere;

– Sollte man ihm nicht gleich einen Colt geben?

– Sollte man Demonstrationen nicht überhaupt verbieten?

– Sollte man es sich überhaupt noch leisten, Linke, Ausländer usw. zu dulden?

– Sollte man nicht überhaupt?

 

aus: MSZ 26 – Dezember 1978

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