Wirtschaftspolitik der Gorillas:


Ausverkauf in Chile


Anfang Februar gewährte die Weltbank Chile nach längerer Zeit des Zögerns einen Kredit von 33 Millionen Dollar zur Finanzierung eines Projektes, das bis 1979 die Produktivität der chilenischen KUPFER-Industrie erheblich steigern soll. Da diese Entscheidung – „aus politischen Gründen“, wie es hieß – lange umstritten war, hielt es Weltbankpräsident McNamara für erforderlich, zu beteuern, daß sich die Weltbank „hinsichtlich der Kreditgewährung ausschließlich an ökonomischen Erwägungen orientiert“ habe. Er machte damit deutlich, daß das lange Zögern der Mitgliedsländer – am meisten kommt es natürlich auf den sogenannten „Zehnerclub“ an – ein Ende hatte und endlich auch die „politischen Gründe“ zurücktreten konnten angesichts der Tatsache, daß eine profitliche Rückkehr des Kredits eher gesichert erscheint als vor einem Jahr.


I.  Chilenische Wirtschaftsbilanz: Vom Regen in die Traufe

Wenn der Imperialismus in der chilenischen Kupferindustrie immerhin wieder seinen Nutzen gewährleistet sieht, ist dies zwar eine Anerkennung der von den Gorillas geleisteten Arbeit in der Liquidierung der Volksfront einschließlich ihrer Maßnahmen und ihrer Anhänger, nicht jedoch ein Beleg für das, wofür die Junta es auszugeben versucht, für die internationale Anerkennung der „Normalisierung und Stabilisierung“ der inneren, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse Chiles.


Keine Stabilisierung

So registriert die Deutsche Überseeische Bank, Außenwirtschaftsfiliale der Deutschen Bank, in ihrem Südamerika-Wirtschaftsbericht von Februar 1976, daß die chilenische Inflationsrate Ende 1975 mit 340,7 Prozent „nur unwesentlich geringer“ sei als Ende 1974 mit 375,9 Prozent, und zittert den Jahresbericht des chilenischen Industriellenverbandes SOFOFA:

„Obwohl Erfolge der Restriktionspolitik bei der Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbucht werden können, deuten die wirtschaftlichen Indikatoren nicht auf eine Stabilisierung der chilenischen Wirtschaft in naher Zukunft hin.“

Und der „Spiegel“ (29/75) entdeckt einen besorgten Faschistenführer von „Patria y Libertad“ als Kronzeugen für seinen dezenten Hinweis darauf, daß es die Junta mit ihrer gegenwärtigen Wirtschaftspolitik „in Boom-Phasen durchaus praktikabel'' angesichts der gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse in Chile (z. B. einer für den Binnenmarktabsatz der chilenischen Industrie „zuvor schon unzureichenden Massenkaufkraft“) zu toll treibe.


Schlimmer als in den dreißiger Jahren

Die Junta hat einen Zustand geschaffen, der dem chilenischen Industriellenverband als „schlimmer als die Depression der dreißiger Jahre“ gilt. „Vor dem Bankrott stehende Unternehmen, die von den Eigentümern zum Verkauf angeboten werden, sind gegenwärtig das einzige, was in Chile wirklich billig zu haben ist.“ (Spiegel 29/75) Zu den über 25 Prozent Arbeitslosen gehören jede Menge „mittlerer Angestellter“ der Industrie ebenso wie über 100 000 entlassene Staatsbedienstete. Diejenigen, die noch ihre Arbeit haben, erfuhren bis Mitte 1975 eine bis zu 80prozentige Reallohnsenkung, was bedeutet, daß sie 40 bis 50 Prozent ihres Monatseinkommens z. B. allein für den normalen Brotbedarf der Familie ausgeben müssen. Bei den Arbeitslosen und den Empfängern des gesetzlichen Mindestlohns finden sich dementsprechend längst weitverbreitet schwere Ernährungs-Mangelerscheinungen, insbesondere bei den Kindern. Die offene Parteinahme der Gorillas für diejenigen, die in der Konkurrenz normalerweise am besten abschneiden, die Kapitalisten, hat also absolut nicht das erbracht, was man sich gewöhnlich davon erhofft, nämlich Aufschwung und Stärkung der nationalen Wirtschaft mit rapide steigenden Gewinnen.


Auswüchse der Repression

Dies betrachtend beklagt denn der liberale Beobachter einerseits die Auswüchse der Repression: Folter, willkürliche Verhaftungen, Hinrichtungen ohne Prozeß, andererseits, daß hier ganz offensichtlich eine umfassende „Proletarisierung des Mittelstandes“ im Gange ist, das Wählerpotential der Christdemokraten Eduardo Freis, des Lieblings der westlichen demokratischen Öffentlichkeit, vom Regen in die Traufe geraten, am Staat verzweifeln und in die Arme der Linken getrieben werden könnte. Daß also die Auswirkungen der Junta-Wirtschaftspolitik alle betreffen mit Ausnahme einer ganz kleinen Schicht von Großgrundbesitzern, einheimischen Monopolherren und der Angehörigen des Unterdrückungsapparates selbst.

Wenn nun die faschistischen Gorillas gar schon der Unterstützung ihrer faschistischen Zujubler allmählich verlustig gehen, dennoch aber unbeirrt ihre „Stabilisierungspolitik“ gegen den wachsenden Widerstand fortsetzen, dann läßt sich das nicht mehr der Irrationalität und Starrköpfigkeit einiger Militärs zuschreiben: Chile muß die „nationale Errettung“ geradewegs zur nationalen Zerstörung führen.


II. Die „nationale Errettung“ zur nationalen Zerstörung

Diese Politik ist die Konsequenz, die Faschisten aus der völligen Abhängigkeit der chilenischen Wirtschaft von den Erfordernissen der Verwertung des internationalen Kapitals ziehen, die dem Imperialismus Grund und Mittel war, die Unidad-Popular-Regierung Allendes zu stürzen.


Abhängigkeit vom Weltmarkt

Das von den USA organisierte Zusammenbrechen des Weltmarktpreises für Kupfer mußte für ein Land katastrophale Folgen haben, dessen Ausfuhr zu 80 Prozent aus diesem Metall besteht, und das die Versorgung seiner Bevölkerung mit Konsumgütern des täglichen Bedarfs nur durch Importe aus dem kapitalistischen Ausland sicherstellen kann, die mit den Exporten finanziert werden müssen. Die weiteren Maßnahmen des internationalen Kapitals, der imperialistischen Staaten und ihrer Agenturen (Weltbank, Weltwährungsfonds etc.) sowie ihrer Handlanger im Lande selbst zwangen die Volksfrontregierung zu scharfen ökonomischen Beschränkungen. Da sie diese nicht ausschließlich auf Kosten der arbeitenden Klassen durchzusetzen bereit war, brachte sie diejenigen Teile der nationalen Bourgeoisie gegen sich auf, die sich anfangs vom wirtschaftspolitischen Kurs der Nationalisierung ausländischen Kapitals und der nationalen Erschließung aller Reichtümer des Landes durchaus einen Nutzen versprochen hatten. Die Tolerierung der UP-Regierung war jedoch zuende, als sie auf die Boykott- und Sabotagemaßnahmen des imperialistischen Kapitals mit Eingriffen in die Konkurrenz reagierte.


Freie Marktwirtschaft in Chile

Mit der Losung der Wiederherstellung der freien Marktwirtschaft, mit ihren unverzüglich nach dem Putsch unternommenen Schritten, der Konkurrenz wieder Geltung zu verschaffen gegen die, die unter der Regierung der UP – sei es durch Arbeitskämpfe, sei es durch die zahlreichen staatlichen Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse – ihren Nutzen gegen die Konkurrenz und damit unverdienterweise vermehrt hatten, die Arbeiter, fanden die Gorillas denn auch uneingeschränkte Zustimmung der chilenischen Bourgeoisie einschließlich des größten Teils der Christdemokraten. Durch die Reprivatisierung der über 500 verstaatlichten Unternehmen, die Aufhebung der Preiskontrollen, sah das nationale Kapital zunächst einmal seine eigene Bewegungsfreiheit wiederhergestellt. Die Abschaffung aller Subventionen zur Verbilligung lebensnotwendiger Grundnahrungsmittel, die Fixierung des gesetzlichen Mindestlohns an die 70 Prozent unter dem Existenzminimum, die massive Unterdrückung gewerkschaftlicher und sonstiger Zusammenschlüsse der Arbeiter zur Sicherung ihrer Reproduktion, die Kassation der Kündigungsschutzgesetzgebung, stellten die Freiheit und Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes wieder her.

Bis hierher trafen die Maßnahmen der Junta auf begeisterte Zustimmung der chilenischen Bourgeoisie. Die Begeisterung flaute jedoch schnell ab, als die Militärs deutlich machten, daß sie unter freier Konkurrenz keineswegs Schutz und Absicherung des einheimischen Kapitals vor den Gefahren dieser Konkurrenz, insbesondere vor den Gefahren des Weltmarktes, verstanden – was den Erwartungen entsprochen hätte. Die Militärs gingen im Niederreißen von Schranken für die freie Konkurrenz nämlich radikal vor:

Die Senkung bzw. Aufhebung zahlreicher Importzölle und Beseitigung mengenmäßiger Importrestriktionen, die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dem Ausland, insbesondere auch die beispiellos „großzügigen“ Garantien für ausländische Investitionen, die den Rückfluß der vorgeschossenen Summen und der Gewinne aus Chile binnen kürzester Zeit ermöglichen sollen, mochten dem nationalen Kapital nicht schmecken – und bekamen ihm auch sehr schlecht. Aber wo das Bürgertum seine Unzufriedenheit artikulierte, durch die Funktionäre des chilenischen Industriellenverbandes wie auch zahlreicher Berufs- und Branchenverbände, wurde diesen im günstigsten Fall mit dem Hinweis auf die frühere unentschlossene Haltung weiter Teile der Bourgeoisie gegenüber der Volksfrontregierung Schweigen bedeutet, im ungünstigen Fall wurden sie Job und Einfluß schnell los.


III. Die „monetaristische“ Wirtschaftspolitik

Da den Gorillas bei der konsequenten Zerstörung ihrer eigenen Wirtschaft und deren bedingungslosen Auslieferung an die ausländische Konkurrenz aufgrund mangelhafter Wirtschaftskenntnisse noch Versäumnisse oder nationalistische Fehler hätten untertaufen können, holten sie sich Spezialisten. Und wo anders konnte man die finden, als im befreundeten Amerika?

Enthusiasmiert machten sich die Anhänger der „monetaristischen Schule“ der professoralen Drecksau Milton Friedman aus Chicago auf die Socken, konnten die „Chicago boys“ doch nun endlich mal beweisen, daß selbst ihre Theorie, die „Abschaffung staatlicher Wirtschaftspolitik“, noch einen Nutzen für die bürgerliche Gesellschaft beinhaltet, und zeige sich das selbst an einem so eigenartigen Demonstrationsobjekt wie Chile. Bislang litt diese „Schule“ erheblich unter dem Odium, wohl eine Theorie mit einigem ideologisch-propagandistischem Wert zu verkünden („Die Marktkräfte halten sich selbst im harmonischen Gleichgewicht“), die aber für jeden einigermaßen kapitalistisch entwickelten Staat absolut unpraktikabel ist – würde doch damit dieser nicht nur sich selbst in Frage stellen, sondern auch seine Wirtschaft dem ihr immanenten Chaos überlassen.


Der Monetarismus als Theorie …

Der Monetarismus präsentiert sich im Pluralismus der nationalökonomischen Theorien als eine Richtung, deren besondere Aufmerksamkeit dem Zusammenhang von Geldmenge und konjunktureller Entwicklung gilt. Seine zahlreichen diesbezüglichen empirischen Studien verhehlen in keiner Weise ihr Interesse nachzuweisen, daß die Konjunkturschwankungen und insbesondere die Inflation in den entwickelten kapitalistischen Staaten keineswegs irgendwelchen immanenten Ursachen anzulasten, sondern vielmehr Produkte der willkürlichen Veränderung der Geldmenge, der Geldpolitik des Staates, sind Friedmans Schule erweist sich denn auch mit dem Aufgreifen der – schlechthin nicht privatisierbaren – Funktion des Staates für das Geldwesen als lediglich modernisierte Neuauflage des alten Laissez-Faire-Liberalismus; sein wirtschaftspolitisches Hauptwerk „Freedom and Capitalism“ ist eine offensive Denunzierung aller „keynesianischen“ Eingriffe des Staates in die Konkurrenz, die – indem sie die „Selbstheilungskräfte des Marktes“ störten und das System in Unordnung brächten, ihre Bestimmtheit durch den wachsenden Einfluß des Sozialismus nicht verleugnen könnten, weshalb „das Tätigkeitsfeld der Regierung darauf beschränkt werden muß Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, die Einhaltung von Verträgen zu erzwingen, Wettbewerbsmärkte zu stärken.“


... und in der Praxis
So sitzt diese spezifische Sorte von Befürwortern des „law and order“ nun in Sesseln, die ihnen die Junta anbot, und bestätigt ihren Brotgebern allzeit, daß nur so eine richtige Wirtschaftspolitik aussehen könnte, wie sie in Chile betrieben wird – Chile als kapitalistisches Musterländle! Alle halbe Jahre jettet der große Meister herüber, nimmt seinen Kaugummi heraus und gibt den getroffenen Maßnahmen seinen überflüssigen Segen.

Ein Land von Privateigentümern

Programmatische Grundlage der zu treffenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen war die nach dem Putsch veröffentlichte „Declaración de Principios del Gobierno chileno“, in der es heißt:

„Das Gemeinwohl...ist jene Ordnung, die es jedem Mitglied der Gesellschaft erlaubt, seine individuelle Wohlfahrt zu maximieren.“ (II. 3)

„Das Gemeinwohl erfordert die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips der Staatstätigkeit..., des Ecksteins einer wirklich freien Gesellschaft.“ (II. 4.)

„Es sind Maßnahmen zu treffen, die wirksam den Wettbewerb sichern und alle Sorten von Mißbrauch und Monopol verhindern. Der Staat sollte die Mechanismen gewährleisten, durch die das Recht auf Privateigentum eine Realität für alle Chilenen wird...Unser Anliegen ist es. Chile in eine Nation nicht von Proletariern, sondern von Privateigentümern umzuformen.“ (II. 4)

Die mit dem Programm intendierten Maßnahmen, die Wiederherstellung der Bedingungen für die freie Nutzenmaximierung aller Individuen, beinhalteten im Jargon der Nationalökonomie die Beseitigung aller staatlichen Eingriffe in die Konkurrenz als der erklärten Gründe für Marktungleichgewichte, Verzerrungen der Produktionsstruktur, nicht-optimale Ressourcenallokation und damit ökonomische Ineffektivität.

Die Aufhebung aller Devisenbeschränkungen und die kontinuierliche Anpassung des Wechselkurses der chilenischen Währung an den rasant fallenden „Gleichgewichtskurs“ sorgten vollends dafür, daß der freien Konkurrenz des Kapitals, der optimalen Verwendung der Produktionsfaktoren über die Grenzen hinweg keine Schranken mehr im Wege stehen und Chile ein Land „freier Privateigentümer“ wird.


IV. Faschismus auf chilenisch

Das Eigentümliche dieses faschistischen Regimes besteht also darin, „das Gemeinwohl, das Maximum individueller Wohlfahrt“ derart herzustellen, daß es die Wirtschaft des eigenen Landes zielstrebig ruiniert – was es noch mit jedem faschistischen Staat gemeint hat – und das zerstörte Land dem ausländischen Kapital als Ausplünderungsobjekt zu Füßen legt. Erhaltung und Stärkung des Staates bedeutet Erhaltung und Stärkung der herrschenden Clique, was einerseits brutale Unterdrückung jeglichen „konkurrenzwidrigen“ Verhaltens, andererseits also ständige Erweiterung des Gewaltapparates als einziger positiver Staatsfunktion voraussetzt. Wenn der Anteil der Staatsausgaben für diesen Apparat seit 1973 von zehn Prozent auf 55 Prozent gestiegen ist, so heißt das nichts anderes, als daß der Widerstand gegen diesen Terror zunehmend wächst und nicht mehr nur von der immer zuerst betroffenen Arbeiterklasse ausgeht. Die Kosten, sich ihre Stellung zu erhalten, werden für die Militärs immer höher, ihre Parteigänger immer weniger, müssen diese doch erkennen, daß die Junta bei allem pathetischen Geschwätz nur an eins denkt: Ruhe und Ordnung müssen herrschen, damit sie selbst an der Macht bleibt bzw. vom Ausland die nötige Unterstützung erhält. Nur solange kann die Junta von der Wiederherstellung des ausländischen Vertrauens reden, wie das solchermaßen umworbene Kapital nicht plötzliche Unruhe und Gefährdung des friedlichen Zustandes befürchten muß. Die chilenische Gleichung heißt also: Selbsterhaltung des Staates = Selbsterhaltung der Militärs = Auslieferung Chiles = Nutzen für den Imperialismus.

Gleichgültig ist den Gorillas, worin dieser Nutzen besteht. Ihr Werben um Investitionen (vgl. MSZ 7, Oktober 1975, S. 7) ist das bedingungslose Versprechen, schnell hohe Profite machen und wieder aus dem Land bringen zu können.


V. Die Nützlichkeit Chiles

Für das ausländische Kapital jedoch bleibt die Investition in Chile, wie man der Wirtschaftspresse entnehmen kann, weiterhin in der Regel wenig verlockend. Die gründliche Liquidierung der chilenischen Volksfront, der Schlag gegen die revolutionären Organisationen des Landes, die Ermordung mehrerer zehntausend Kader, hat zwar die Sicherheit der Anlagesphäre Latein-Amerika insgesamt erhöht, ein über die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen hinausgehendes Interesse speziell an Chile allerdings kaum hervorgerufen.


Begrenzte Anlagesphären

Natürlich nimmt man mit, was sich kurzfristig bietet: Eines der wenigen bedeutenderen Investitionsvorhaben, durch das dem Imperialismus verpflichtete chilenische Monopolkapital zusammen mit einem US-Lebensmittelkonzern in die Wege geleitet, ist der Bau einer größeren Brotfabrik in Santiago, die die Arbeit von mehreren hundert selbständigen Bäckern übernehmen wird. Angesichts der ins Astronomische gestiegenen Brotpreise in Chile, die aber aufgrund der Entwicklung des Lohnniveaus mit einem starken Anstieg des Verbrauchs von Brot als dem immer noch relativ billigsten Nahrungsmittel einhergehen, ist die Profitabilität hier auch bei fortdauernder Aushungerung der Bevölkerung ohne Zweifel gegeben (zumal – wie im „Kapital", Band 1,8. Kap. nachzulesen – in der Zusammensetzung des «Brotteigs noch manche Produktivitätsreserven stecken.).

Grund zur Zurückhaltung
Im übrigen findet sich der Standpunkt des internationalen Kapitals gegenüber Investitionen in Chile in einer von der „Business International Corporation“ herausgegebenen Studie „Chile after Allende: Prospects for Business in a Changing Market“. Zwar zollt man darin dem Erreichten Anerkennung:

„Es herrscht öffentlicher Friede; die meisten Unternehmen sind in den Händen ihrer rechtmäßigen Eigentümer; die Regierung hat die Spielregeln für ausländische Investitionen klargemacht“,

verhehlt aber nicht die Gründe für die Zurückhaltung:

„Aller guter Wille (!) der Welt (!) jedoch wird nicht jene Grundfaktoren neutralisieren, die gegen Chile als einen Platz für Investitionen sprechen. Einerseits ist das Land weit entfernt von den blühenden Märkten der industriellen Welt, und – wichtiger noch – sein lokaler Markt ist relativ eng. Andere Nachteile Chiles sind die Zwillingsübel einer teuflischen Inflation und hoher Produktionskosten, die potentielle Märkte noch weiter einengen und jegliche mittel- bis langfristige Planung gelinde gesagt zu einer schwierigen Aufgabe machen.“

Unter ihnen findet sich auch noch

… ein letzter abschreckender Aspekt, der nach Ansicht mehrerer Unternehmen ins Gewicht fallt: die ganze Frage der politischen und wirtschaftlichen Stabilität.“

Chiles Nutzen für den Imperialismus besteht zur Zeit in seiner Stellung als größter und zuverlässigster Exporteur von Kupfer. Solange die Gorillas dafür Sorge tragen, werden sie bezahlt: Von der Weltbank durch ihren neuen Kredit, von den USA durch generöse Staatskredite, von der Bundesregierung zumindest durch die stillschweigende Laufzeit-Verlängerung alter Schulden.

Wie aber schon das lange Zögern der Weltbank bei der Vergabe des 33-Mio-Doilar-Kredits zeigt, ist die Freude der imperialistischen Länder an den chilenischen Zuständen nicht ungebrochen. Zu offensichtlich ist, daß aus Chile außer Kupfer nichts zu holen ist, daß die Absatzmöglichkeiten für eigene Waren und die Rentabilitätschancen für Investitionen verschwindend gering sind. Je länger die Junta für die Herstellung der Konkurrenz auf das Land einschlägt, desto geringer wird der Nutzen für das ausländische Kapital, dem zuliebe doch alles geschieht: fraglich ist, ob überhaupt noch der Kupferabbau gewährleistet ist, wenn die Anarchie weiter um sich greift und die „politische Stabilität“ von Tag zu Tag fadenscheiniger wird.

Die Pinochets erfahren die Widersprüchlichkeit des Imperialismus am eigenen Leib: reißen sie die Macht in einem Land der „Dritten Welt", das sich um normale Verkehrsformen und eine einigermaßen funktionierende nationale Akkumulation bemüht, an sich, können sie sich des Beifalls der imperialistischen Länder gewiß sein, haben sie doch ein unangenehmes Hindernis für die kapitalistische Expansion beseitigt; üben sie ihre Macht mit der immanenten Logik dessen aus, der sich für den Imperialismus nützlich machen will und darüber seine Stellung sichert, dann ist ihr Nutzen eben nur ein beschränkter – und die Imperialisten stellen Vergleiche hinsichtlich der Profite an, die sie aus einem einigermaßen befriedeten Land mit funktionierendem Staatswesen ziehen könnten. Das ist ein Widerspruch des Imperialismus – den Schaden davon haben die anderen.

aus: MSZ 10 – April 1976

update

 

zurück zur Startseite