Berufsverbote:

Hans Lenin im öffentlichen Dienst


Der Hamburger SPD-Bürgermeister Klose hat verkündet, „es stünde den liberalen Traditionen der Freien und Hansestadt“ in Zukunft besser an, nicht mehr pauschal jeden Lehramtskandidaten auf seine Verfassungstreue zu überprüfen, sondern die Kommunisten unter ihnen erst dann rauszuschmeißen, wenn sie sich als solche entpuppen. Das hat Proteste ausgelöst, die allesamt mit der Vorstellung den Bürger schrecken, Kommunisten würden ab sofort, zumindest in Hamburg, wehrlose Schulkinder indoktrinieren. Klose und Genossen kontern diese Horrorvision mit der Erklärung ihrer Entschlossenheit, jeden kommunistischen Lehrer, der auch nur die Peking Rundschau aus der Mappe lugen läßt, prompt zu feuern. Da sich beide Seiten also einig sind, kommunistische Indoktrination an den Schulen zu verhindern, müssen sie sich um etwas anderes streiten. Bayerns Kultusminister Hans Maier hat in einem Spiegel-Streitgespräch auch schonungslos offen gelegt, worum es der Hamburger SPD letztlich geht:

„Ich halte diese Vorschläge für eine parteitaktische Äußerung, ich glaube nicht, daß dahinter wirklich ernste Sorge um die Praxis des Extremistenbeschlusses steht.“

Sein Westberliner Kollege Glotz hat seinerseits enthüllt, worum es den Befürwortern der „harten Linie“, wie sie von den C-Parteien vertreten wird, zu tun ist:

„Für sie ist »die Republik ... ein Instrument, auf Andersdenkende einzuschlagen.«“

Die Fronten sind also klar und das Ziel ist dasselbe: wie schafft man es am effektivsten, die studierende Jugend auf die Freiheitlich demokratische Grundordnung zu verpflichten und sie gegen kommunistische Verführung zu immunisieren. Die SPD ist von der Sorge gequält, daß „von den 900.000 Studenten die Hälfte wirklich Angst hat“, was sich dahingehend auswirke, daß sie zu „Duckmäusern“ werden, zu „Anpassungskünstlern“, ohne jedes „kritische Engagement für unsere Demokratie“. Wahrscheinlich vermutet die SPD diejenigen „denen man das Rückgrat herausoperiert hat“, eher in den Reihen der CDU/CSU-Wähler, der einzigen Partei, in der organisiert zu sein ein todsicherer Schutz davor ist, in den Geruch nicht verfassungskonformen Verhaltens zu geraten. Klose seinerseits hat nicht zuletzt das relativ starke Abschneiden der „Bunten Liste“ in Hamburg zu seiner „Kurskorrektur“ veranlaßt, unter deren Stimmen er eine ganze Reihe „enttäuschter junger Menschen“ wittert, die der Extremistenerlaß „erst in die Arme der Radikalen“ getrieben hat. Die Unionspolitiker freilich drücken solche Sorgen nicht. Wer sich linken Umtrieben fernhält, erfährt meist gar nichts von seiner Überprüfung, wird auch nicht „verunsichert“. Die angehört werden, sind todsicher keine Köpfe im Stimmvieh der Christlichen, wenn auch Sozialdemokraten angehört und in einzelnen Fällen sogar vom öffentlichen Dienst ausgeschlossen werden, kann man hämisch auf die fließenden Übergänge vom demokratischen Sozialismus zum Sowjetmarxismus hinweisen und „draußen im Lande“ ist allemal der populär, der die Roten schlägt, wo er sie nur treffen kann.


Die Christparteien werden also an der Globalüberprüfung unbeirrt festhalten, die Sozialdemokraten, tendenziell auch ihre liberalen Koalitionsbrüder, werden zukünftig wohl hinterher aber dafür in Permanenz überprüfen. Den schulischen Alltag kann man sich lebhaft ausmalen, in dem jeder jeden verdächtigt, gar ein Kommunist zu sein und in dem jedes Schulkind darauf achtet, ob es nicht indoktriniert wird.

Vielleicht nimmt sich dessen eingedenk sogar mancher kommunistische Lehramtsaspirant den moralischen Verweis auf Lenins Vorbild zu Herzen, den Hans Maier am Schluß seines Dialogs mit Glotz loswerden durfte:

„Wo ist eine Revolution hingekommen, die nur noch den einen Gedanken hat: Wie komme ich in staatliche Planstellen, und wie erwerbe ich nach Möglichkeit auch noch die Pensionsberechtigung dazu? Ich glaube, der alte Lenin hätte es abgelehnt, sich in dieser Weise um öffentliche Dienste zu bewerben, wie es tatsächlich manche tun.“

Die DKP wird dagegen aus ihrer Sicht historisch richtigstellen, daß der „alte Lenin“ schließlich die Oktoberrevolution zu keinem anderen Zweck gemacht hat, als um eine führende Position im öffentlichen Dienst zu ergattern, was Maier Recht geben würde, dennoch hat der Vorsitzende des ZK (der Katholiken) natürlich in gewohnter Biedermannsmanier gelogen: ihn regt nicht auf, daß Kommunisten nur noch eine Beamtenkarriere im Sinn haben, dann wären sie ja konvertiert zum rechten Glauben. Vielmehr stören ihn so ziemlich alle anderen Gedanken, die sie sonst noch im Kopf haben und die möchte er trockenlegen dadurch, daß er dem Kopf, der sie denkt, die Reproduktionsgrundlage entzieht, bzw. besser gleich vorenthält. Und die SPD-Bedenken, daß die „Angst vorm Berufsverbot“ Studenten davor zurückschrecken läßt, sich überhaupt noch einen kritischen Gedanken zu machen, wobei in der Regel durchaus Konstruktives verloren gehe, sind für Maier gar nicht einmal klammheimlich das Argument für den Extremistenerlaß:

„Wer die Verfassungstreue nicht nachweisen kann, verfügt eben nicht über eine entscheidende Qualifikation.“

Also: In dubio contra reo.

Für den künftigen Beamten gibt es nur die „totale Identifikation“ mit dem Staat, da werden nicht einmal „unterschiedliche Identifikationen zugelassen und der einzelne wird ... in die Pflicht genommen, er muß sich einfügen“ und da Meier diese Identifikationsmerkmale im Original auf die „kommunistische Partei“ münzt, fügt er hinzu „er wird unterjocht.“

 

aus: MSZ 25 – Oktober 1978

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